Abhör-Affäre in SpanienAuch der Premier wurde ausspioniert
In Spanien wurden nicht nur die Mobiltelefone katalanischer Separatisten ausgespäht. Pedro Sánchez erklärt, auch selbst Spionageopfer zu sein. Ist ein ausländischer Staat verantwortlich?
Das kanadische Forschungsinstitut Citizen Lab reagierte auf die Neuigkeiten aus Spanien zunächst mit drei Buchstaben: «Wow». Das Timing sei schon bemerkenswert. An diesem Montag hatte die spanische Regierung in Madrid bekannt gegeben, dass auf dem Handy von Premier Pedro Sánchez und seiner Verteidigungsministerin Margarita Robles die Späh-Software Pegasus gefunden worden sei. Der Angriff sei «unrechtmässig» und «von aussen» erfolgt, heisst es aus dem Regierungspalast Moncloa.
Einen Tag nach dieser Verlautbarung tun sich viele Fragen auf, nicht nur bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Citizen Lab, einer unabhängigen Forschergruppe, die in den vergangenen Monaten an der Aufklärung von Cyberspionagefällen weltweit beteiligt war. Von den Spähangriffen auf die spanische Regierung erfuhr das Citizen Lab aus der Presse.
Bemerkenswerter Zeitpunkt
Die Überraschung rührt aber nicht nur daher, dass das Forschungsinstitut nicht in die Datenanalyse eingebunden war. Tatsächlich bemerkenswert ist vor allem der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Erkenntnisse – fast auf den Tag genau zwei Wochen nachdem das Citizen Lab zusammen mit dem US-Magazin «The New Yorker» und der Zeitung «El País» einen umfassenden Bericht vorgestellt hat, wonach mehr als 60 katalanische Politiker, Aktivisten und Privatpersonen aus dem Umfeld der Unabhängigkeitsbewegung ihrerseits mit Pegasus attackiert worden sein sollen.
Sánchez, mehr aber noch seine Verteidigungsministerin waren daraufhin heftig in die Kritik geraten, aus Katalonien forderten betroffene Separatisten ihre Rücktritte. Sie machen den spanischen Geheimdienst CNI für die Überwachung verantwortlich und sehen die Verantwortung bei Robles, die als Ministerin dem Dienst vorsteht. Eine Erklärung für die Vorwürfe blieb Sánchez bis heute schuldig, stattdessen schickte er seinen Präsidentschaftsminister nach Barcelona, um die Wogen zu glätten und eine interne Untersuchung im Geheimdienst zu versprechen. Genützt hat das wenig: Die Katalanen blieben verstimmt, versagten Sánchez zuletzt in einer wichtigen Abstimmung ihren Rückhalt.
Katalanen sind skeptisch
Und sie attackierten weiterhin Verteidigungsministerin Robles. Dass nun neben dem Mobiltelefon des Premiers ausgerechnet auch das der Verteidigungsministerin ausgespäht wurde, kommt vielen in Katalonien höchst seltsam vor. Zwar gab es am Dienstag Medienberichte, wonach auch die frühere Aussenministerin Arancha González Laya betroffen sein soll; diese blieben aber unbestätigt. Gesichert sei, heisst es von der Regierung, dass von Sánchez’ Gerät im Mai und Juni 2021 Daten im Umfang von 2,6 Gigabyte abgesaugt worden seien, im Fall von Robles seien es 9 Megabyte gewesen.
Wer die Daten gestohlen haben könnte, ist Basis weiterer Spekulationen. Marokko, mit dem Spanien lange im Clinch lag und das gemäss Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» mutmasslich im Besitz von Pegasus ist, käme in Betracht. Sánchez wäre jedenfalls nicht der erste Regierungschef, dessen Handy mit Pegasus infiziert wurde: Das Pegasus-Projekt förderte im vergangenen Sommer zutage, dass auch Staats- und Regierungschefs wie Emmanuel Macron, Charles Michel, Imran Khan oder Mohammed VI. ausgespäht wurden. In der Zwischenzeit meldete Grossbritannien, dass auch das Handy von Boris Johnson betroffen gewesen sein soll.
Offen bleibt in den meisten Fällen die Frage, woher der Angriff kam, da theoretisch alle Regierungen, Geheimdienste oder Sicherheitskräfte die Software vom israelischen Hersteller NSO Group beziehen können. Spaniens Regierung ist sich indes auch am Dienstag «absolut sicher», dass es ein Angriff von aussen gewesen sei. Mindestens so sicher also, wie sich die Katalanen waren, dass in ihrem Fall Madrid dahintersteckte.
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