Genderneutrale SpracheAuch der Bund diskutiert über den Begriff Mutter
Ist der Begriff Mutter in Gesetzestexten noch zeitgemäss? Eine Debatte, die vermeintlich erst im englischsprachigen Raum stattfindet, ist längst in der Schweiz angekommen. Auch in der Bundesverwaltung.

Verschiedene Medienberichte der letzten Tage haben ein kontroverses Thema aufgegriffen: das Geschlecht und die inklusive Sprache. So titelte etwa die «SonntagsZeitung»: «Gendern extrem: Die Wörter ‹Frau› und ‹Mutter› werden ausgemustert.»
In den Berichten schwingt die Annahme mit, dass die Debatte primär im englischsprachigen Raum geführt wird. Allen voran in den USA. Doch das Thema ist längst in der Schweiz angekommen. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres will der Bundesrat in einem Bericht seine Erwägungen zur allfälligen Einführung eines dritten Geschlechts vorstellen. Wobei er auch prüft, ob künftig ganz auf die Eintragung des Geschlechts verzichtet werden könnte.
In den Bericht werden Empfehlungen der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) einfliessen. Und diese sind nahe an dem, was derzeit auch in den USA diskutiert wird.
Die USA preschten vor
Um «alle Geschlechtsidentitäten zu ehren» strich das US-Repräsentantenhaus Anfang Jahr mehrere geschlechtsspezifische Begriffe aus ihrer Geschäftsordnung. Wörter wie «Frau» oder «Mutter» fehlen teilweise auch im offiziellen staatlichen Vokabular. Die nationale US-Gesundheitsbehörde spricht nicht mehr von schwangeren Frauen oder werdenden Müttern. Sondern von «schwangeren Menschen». In vielen US-Bundesstaaten kann man bereits im Führerschein neben «männlich» und «weiblich» auch «X» als Geschlecht eintragen lassen. Ab Jahresende soll dies auch in US-Reisepässen möglich sein.
Die nationale Ethikkommission stellt genau das auch in der Schweiz zur Diskussion. Im Auftrag des Bundesamts für Justiz schrieb sie einen Bericht über mögliche Alternativen zum weiblichen und männlichen Geschlecht im Personenstandsregister. Der Bericht wurde im Zuge einer laufenden politischen Diskussion in Auftrag gegeben. Schon im Dezember 2017 hat Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) ein Postulat unter dem Namen «Drittes Geschlecht im Personenstandsregister» eingereicht und einen entsprechenden Untersuchungsbericht gefordert. Im März 2018 folgte die damalige SP-Nationalrätin und heutige Waadtländer Regierungsrätin Rebecca Ruiz mit einem ähnlichen Anliegen.
Die Ethikkommission schreibt in ihrem Bericht: Die binäre Unterteilung werde der Vielfalt existierender Geschlechtsidentitäten nicht gerecht. Eine Person, die intergeschlechtlich oder nicht-binär ist, kann sich nicht mit den bestehenden Kategorien identifizieren. Die Kommission empfiehlt: Die Schweiz soll eine dritte Eintragungsmöglichkeit einführen und mittelfristig gar den vollständigen Verzicht auf einen Geschlechtseintrag prüfen. Andrea Büchler, Präsidentin der Ethikkommission und Professorin für Recht an der Universität Zürich, wollte sich auf Anfrage nicht weiter zu diesen Empfehlungen äussern.
Würden die Empfehlungen umgesetzt, hätte das Folgen für die Formulierung bestimmter Gesetze. Doch auch im Schweizer Recht könne auf weiblich und männlich konnotierte Begriffe verzichtet werden, heisst es dazu im Bericht.
Ein Beispiel: Gemäss dem Bericht der Ethikkommission sind die Begriffe Mutter und Vater im Abstammungsrecht klar geschlechtlich konnotiert. Allerdings gelte auch, dass Mutter diejenige Person ist, die das Kind geboren hat. Eine Geschlechtsbezeichnung der Person im Gesetzestext sei deshalb nicht zwingend.
Noch ist das Schweizer Recht aber auf der binären Unterscheidung der Geschlechter aufgebaut – etwa im Militärgesetz, im Sozialversicherungs- oder Familienrecht. Das amtliche Geschlecht bestimmt, wer militärdienstpflichtig ist, eine Witwenrente oder eine bescheidenere Witwerrente bekommt und wer früher oder später in Pension geht.
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