Auslagerung nach AfrikaIm Flüchtlingswesen wandelt sich die Stimmung
Politiker bis hin zur Mitte wollen jetzt Asylverfahren und abgewiesene Flüchtlinge in Drittstaaten auslagern, wenn möglich nach Afrika. Ein Migrationsforscher findet es «rassistisch», dies den Ländern nicht zuzutrauen.
Aus den Augen, aus dem Sinn: England, Italien und neu sogar Deutschland träumen davon, ihr Asylproblem zu lösen, indem sie es auslagern. England hat mit Ruanda einen Partner gefunden, Italien ist mit Albanien im Geschäft. Und in Deutschland will nun auch der linke Kanzler Olaf Scholz ein Outsourcing «prüfen».
Auch in der Schweiz werden solche Pläne immer beliebter. Vor zwei Jahren hatte der Nationalrat einen Vorstoss von SVP-Nationalrätin Martina Bircher noch in Bausch und Bogen abgelehnt. Bircher forderte, dass Asylsuchende während ihres Verfahrens gegen Bezahlung in Drittstaaten überstellt werden und dann auch dortbleiben. Der Vorstoss erhielt ausserhalb der SVP keine einzige Stimme.
Viel Zuspruch bekommt nun aber FDP-Ständerat Damian Müller, der fordert, dass die Schweiz ein Drittland sucht, das bereit ist, abgewiesene Asylbewerber aus Eritrea gegen Bezahlung aufzunehmen. Müllers Begründung: Eritrea weigert sich oft, Landsleute mit negativem Asylentscheid zurückzunehmen. Die Eritreer sind die grösste Flüchtlingsgruppe in der Schweiz.
Die Argumente von Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider, das Vorhaben sei rechtlich nicht umsetzbar, überzeugte die kleine Kammer nicht: Der Ständerat hat Müllers Vorstoss im Sommer angenommen, mithilfe der SVP, FDP und drei Mitte-Ständeräten.
Diese Woche ist Müllers Eritrea-Plan zwar in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats mit 13 zu 10 Stimmen knapp durchgefallen, weil nur SVP und FDP zustimmten. Doch entscheidend wird die Abstimmung im Dezember im Nationalrat sein: Dort sind die Chancen intakt. Denn der Rat wird dann in seiner neuen Zusammensetzung tagen und bürgerlicher sein. Nebst der SVP- und FDP-Fraktion braucht es nur 6 zusätzliche Stimmen für das absolute Mehr.
Modell Grossbritannien für die Schweiz
Tatsächlich geniessen auch Drittstaaten-Modelle wie jenes der Italiener oder der Briten plötzlich Zustimmung ausserhalb der SVP bis in die Mitte. So sagt Mitte-Ständerat Beat Rieder: «Der Bundesrat wäre gut beraten, die neuesten Erkenntnisse der Migrationsforschung in Erwägung zu ziehen.» Diese sehen laut Rieder «einen gangbaren Weg, in sicheren Drittstaaten die Asylbegehren für Schutzsuchende» zu behandeln. «Auch andere Länder Europas prüfen bereits diese Möglichkeiten», sagt Rieder.
Dabei funktioniert das Modell Grossbritannien gleich, wie es SVP-Nationalrätin Bircher einst gefordert hatte: Die Engländer wollen neu ankommende Flüchtlinge nach Ruanda abschieben, bevor sie ein Asylgesuch einreichen. Erst dort sollen sie dann nach lokalem Recht einen Antrag stellen dürfen. Selbst wenn sie als Flüchtlinge anerkannt werden, müssten sie in Ruanda bleiben.
Doch Gerichte befanden, die Abschiebungen seien rechtswidrig, weil Ruanda kein sicheres Drittland sei. Deshalb wurde der Plan sistiert, noch bevor ein einziger Flüchtling abgeschoben wurde.
Migrationsforscher für Modell Grossbritannien
Experten finden, Grossbritanniens Plan sei nicht grundsätzlich falsch oder gesetzeswidrig. So sagte der renommierte Migrationsforscher Gerald Knaus im ZDF zum Modell England: Wenn es Staaten in Afrika gebe, die bereit seien, Menschen aufzunehmen, um die tödliche irreguläre Migration zu reduzieren, dann sei es «fast schon rassistisch, zu sagen, afrikanische Länder sind dazu nicht in der Lage».
Mitte-Fraktionschef Philippe Bregy bringt zudem die Schengen-Variante ins Spiel: Die Schweiz müsse prüfen, ob Asylverfahren an den Schengen-Aussengrenzen durchgeführt werden können. Es dürfe nicht sein, dass primär attraktive Länder wie Deutschland oder die Schweiz angesteuert werden. «Wenn die Abklärungen dort erfolgen, besteht die Chance, dass die Flüchtlinge fairer auf die europäischen Länder verteilt werden.» Die Schweiz müsse sich für eine Lösung auf europäischer Ebene einsetzen.
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