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Nur für unter 65-Jährige?
AstraZeneca: Berichte über schwachen Impfschutz bei Senioren «komplett falsch»

In Grossbritannien kommt das Mittel bereits zur Anwendung: Die 102-jährige Joan Potts in einem Altersheim in London vor der Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca geimpft wird. 
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Am Freitag könnte der Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmaherstellers AstraZeneca in der EU zugelassen werden. Auch in der Schweiz steht das Mittel kurz vor der Zulassung. Doch seit Montag gibt es Berichte, nach denen das Vakzin nicht in allen Altersgruppen in gleichem Masse vor einer Covid-19-Erkrankung schützt. Ausgerechnet bei den besonders gefährdeten Menschen über 65 Jahren sei nur eine Wirksamkeit von acht Prozent nachgewiesen worden, berichtet das Handelsblatt und bezieht sich dabei auf Koalitionskreise. Auch die Bild-Zeitung berichtete darüber. Dies könne dazu führen, dass der Impfstoff zwar zugelassen würde, allerdings nur für Menschen unter 65 Jahren. Damit würden die Personen, die aufgrund eines hohen Risikos eigentlich zuerst immunisiert werden sollten, vom Impfstoff nur unzureichend geschützt.

AstraZeneca wies die Meldung als «komplett falsch» zurück. Der Pharmahersteller verwies unter anderem darauf, dass die Notfallzulassung der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) ältere Menschen mit einschliesse. Eine Studie habe gezeigt, dass der Impfstoff auch bei Senioren eine starke Immunantwort auslöse. Auch ein Sprecher der Universität Oxford, die an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt ist, sagte, es gäbe «keine Grundlage für die Behauptungen einer sehr geringen Wirksamkeit des Oxford-AstraZeneca-Impfstoffs, die in den Medien verbreitet wurden».

Ob das Vakzin von AstraZeneca in allen Altersgruppen gleich gut schützt, ist wie bei allen Impfstoffen eine wichtige Frage. Doch die ersten Daten, die im November im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurden, legen dar, dass der Impfstoff bis dato nur an wenigen älteren Menschen getestet worden war. Dort heisst es, nur vier Prozent der Studienteilnehmer, die in die Auswertung einflossen, waren älter als 70. Zudem gab es bereits damals Verwirrung um die tatsächliche Wirksamkeit des Vakzins: Eine Teilnehmergruppe hatte – zunächst versehentlich – nur eine halbe Menge Impfstoff bei der ersten Dosis bekommen und erst bei der zweiten Impfung dann die volle Menge. Bei den Auswertungen stellte sich jedoch heraus, dass diese Dosierung für einen deutlich höheren Schutz sorgte als die der Gruppe, die zweimal die volle Dosis erhielten. Auch darauf wurde bereits im Lancet Bezug genommen: Kein Proband über 55 Jahre hatte überhaupt das wirksamere «gemischte» Impfschema erhalten.

Bisher wurden keine neuen Auswertungen zur Wirksamkeit des Vakzins veröffentlicht. Auf welche Basis sich die Aussagen stützen, bei Menschen über 65 Jahren gäbe es nur einen Schutz von acht Prozent, ist bislang völlig unklar. Stephen Evans, Epidemiologe an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, sagt dagegen: «Die randomisierten Daten deuten nicht darauf hin, dass der AstraZeneca-Impfstoff im Alter deutlich weniger wirksam sein wird.» Auch er verweist auf die Lancet-Veröffentlichung: «Da ältere Altersgruppen später als jüngere Altersgruppen rekrutiert wurden, blieb weniger Zeit, um Fälle zu erfassen.»

Ähnlich äusserte sich auch Adam Finn, Professor für Pädiatrie an der Universität von Bristol: «Ältere Menschen wurden relativ spät für die Phase 3 in Grossbritannien rekrutiert und waren relativ gut abgeschirmt. Daher gab es zum Zeitpunkt der Übermittlung von Daten an die MHRA zur Genehmigung nur wenige Fälle von Covid.» Es könne jedoch sein, dass sich dies bis zur Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA geändert habe – also dass es mittlerweile mehr Informationen dazu gibt, wie gut der Impfstoff auch bei älteren Menschen wirkt.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich nicht an Spekulationen über eine angeblich schlechtere Wirksamkeit des Impfstoffs bei über 65-Jährigen beteiligen. Er wolle warten, bis die Daten aus den Studien ausgewertet worden seien. «Ich halte wenig davon, das jetzt in Überschriften spekulativ zu machen», sagte Spahn am Dienstag im ZDF-«Morgenmagazin». Er sagte, man werde auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse kommende Woche entscheiden, «welche Altersgruppen zuerst mit diesem Impfstoff geimpft werden».

In den Impfstoff von AstraZeneca waren grosse Hoffnungen gesetzt worden, weil er anders als die bereits in der EU zugelassenen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna nicht gekühlt werden muss und deshalb einfacher zu transportieren und zu lagern ist. Damit würde sich der Impfstoff auch gut eignen, um etwa in Hausarztpraxen verabreicht zu werden.