Ein Tag im Leben eines Hobbykochs«Einmal kochte ich ‹haarigen Tofu›»
Michael Hitz (42) kocht jede Woche asiatisch für seine Freunde – und hat dafür sogar Chinesisch gelernt.
Am Freitag ist bei mir zu Hause Asia-Plausch. Nach meiner Arbeit in einem Kulturbetrieb fahre ich mit dem Velo zum Metzger, zum Asia-Shop und zur Migros. Um 18 Uhr bin ich zu Hause, kurz darauf treffen die Leute ein, die sich über meine Whatsapp-Gruppe für das Abendessen angemeldet haben. Und dann geht es ans Mise en Place.
In meiner Familie wurde immer viel gekocht. Meine Mutter hat stets grosszügig aufgetischt und uns zum Nachschlag aufgefordert. Als Kind konnte ich nur selten beim Kochen mithelfen, aber als ich mit neunzehn auszog, habe ich in meiner WG bald erste Kochevents veranstaltet. Mit Freunden aus der Juso haben wir als Gegenreaktion zur aufkommenden Vegibewegung den sogenannten Fleischtag eingerichtet. Da gab es aus Prinzip nur Fleisch, ohne Beilagen.
Später hatte ich verschiedene Phasen: koreanisch, mexikanisch – das war auch gut, als ich mich zwei Jahre lang vegan ernährte. 2019 entdeckte ich einen Youtube-Kanal über die «chinesische Küche», der mich sofort ansprach. Heute weiss ich, dass dieser Begriff in etwa so sinnvoll ist, wie wenn man von der europäischen Küche sprechen würde.
Als Erstes habe ich damals für einen Freund Gong Bao Ji Ding gekocht, ein Rezept aus Sichuan mit Poulet und Erdnüssen an süsssaurer Sauce. Danach war klar, dass ich das regelmässig machen will. Denn ich kenne mich zu gut: Wenn ich etwas nicht fix einplane, gewinnt die Faulheit. Seither koche ich jeden Freitag für meine Freunde.
Die Originalzutaten zu beschaffen, gestaltet sich des Öfteren schwierig. Anfangs habe ich im Asia-Shop chinesische Schriftzeichen auf den Produkten mit Fotos auf meinem Handy verglichen, weil die deutschen Übersetzungen auf den Etiketten oft unbrauchbar sind. Später begann ich, Chinesisch zu lernen, um einerseits Rezepte in Originalsprache zu verstehen, andererseits auch, um an Zutaten zu kommen, die man hier nicht kriegt. Über Zwischenhändler kaufe ich heute auf Taobao ein, dem chinesischen Amazon.
Zum Beispiel habe ich so Pilzsporen für ein Gericht aus der Provinz Anhui bestellt, das übersetzt «haariger Tofu» heisst. Ich würde Geld wetten, dass man das in der Schweiz nirgendwo essen kann. Den Tofu habe ich mit diesen Pilzsporen geimpft, nach zwei Wochen hat der Pilz auf dem Tofu feine, pelzartige Haare gebildet. Wie es schmeckte? Leider grässlich. Doch genau darin liegt für mich der Reiz: neue, unbekannte Gerichte probieren.
Da ich erst einmal, und zwar vor zwanzig Jahren, in China war, ist es für mich schwierig zu beurteilen, ob die Gerichte so schmecken, wie sie sollten. Rückmeldungen von Chinesen und Chinesinnen waren bis jetzt verhalten positiv. An dem Abend mit dem haarigen Tofu war auch eine Chinesin dabei. Sie war – im Gegensatz zu den anderen Gästen – begeistert vom Geschmack.
Die Gerichte passe ich den Bedürfnissen der Leute an, die sich anmelden. Bei mir gibt es glutenfrei, vegetarisch, scharf, weniger scharf.
Oft koche ich auch Klassiker, die alle mögen: Rindfleisch mit Zwiebeln, ein thailändisches Gericht, das wir Korianderschwein nennen, oder getrocknete Sardellen mit Erdnüssen, fermentierten Sojabohnen und Chilis. Manchmal schlage ich auch über die Stränge: Einmal habe ich 2,5 Kilo Schweinefleisch zu chinesischem Speck verarbeitet, als meine Freundin einige Tage weg war. Das endete fast in einer Beziehungskrise, weil unsere Wohnung danach tagelang nach Speck roch.
Ansonsten findet meine Freundin mein Hobby eine gute Sache, und auch unser vierjähriger Sohn freut sich auf den Freitagabend. Dann ist immer jemand da, der mit ihm spielt, während die andern schnetzeln, die Wok-Station aufbauen und ich koche. Um 23 Uhr ist meistens Schluss. Und dann beginnt schon bald die Suche nach einem neuen Rezept.
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