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Meinung

Gastbeitrag zur Armutsbekämpfung
Die reiche Schweiz hat ein Armutsproblem

Des personnes dans la precarite font leurs achats dans l'Epicerie Caritas de la rue de Carouge, ce vendredi 10 fevrier 2023 a Geneve. Les epiceries Caritas proposent aux personnes disposant d'un petit budget des denrees alimentaires et des produits de premiere necessite a prix reduit. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
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Am 26. September steht ein wichtiger Entscheid im Ständerat an: Es geht um die Weiterführung der Nationalen Plattform gegen Armut und um die Erarbeitung einer nationalen Armutsstrategie. Nimmt die Schweiz die Armutsbekämpfung ernst, braucht es beide Instrumente.

Die Schweiz zählt zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Im Index der menschlichen Entwicklung der UNO steht sie an erster Stelle. Dies kann zur Annahme verleiten, dass in einem solchen Land alle genügend Geld zum Leben haben.

Leider entspricht dies nicht der Realität. Bei den Sozialberatungen der Caritas haben wir so viele Anfragen wie nie zuvor. Familien, Alleinerziehende, alleinstehende Menschen, jüngere und ältere Personen kommen zu uns, weil sie nicht mehr wissen, wie sie ihre Krankenkassenprämien, die steigenden Mieten und die teureren Lebensmittel bezahlen sollen. In unseren Caritas-Märkten, wo Menschen mit geringem Budget stark vergünstigt einkaufen können, ist die Nachfrage in nur zwei Jahren um 30 Prozent gestiegen. 

Die reiche Schweiz hat ein Armutsproblem. Jede sechste Person ist von Armut betroffen oder direkt gefährdet. Menschen, die viel arbeiten und trotzdem nicht auf einen grünen Zweig kommen, müssen gegen Monatsende entscheiden, ob sie Rechnungen bezahlen oder Essen kaufen. Manche verzichten trotz Schmerzen auf ärztliche Behandlung. Eltern müssen zusehen, wie ihre Kinder sozial isoliert sind, weil sie ihnen Freizeitaktivitäten mit Gleichaltrigen nicht ermöglichen können. Diese Kinder haben nachweislich geringere Erfolgschancen auf ihrem Bildungsweg. 

Bund darf Armutsbekämpfung nicht den Kantonen überlassen

Die Schweizer Politik tut sich schwer damit, gezielt gegen Armut zu handeln. Jüngstes Beispiel ist der Entscheid der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates. Sie hat sich zwar für die Ausarbeitung einer nationalen Strategie gegen Armut ausgesprochen. Das ist zu begrüssen, denn der Bund darf die Armutsbekämpfung nicht den Kantonen und Gemeinden überlassen. Er muss eine steuernde und koordinierende Rolle übernehmen, Standards und Rahmenbedingungen vorgeben. Nun schlägt die Kommission dem Rat jedoch im gleichen Atemzug vor, die Nationale Plattform gegen Armut zu beenden. Der Ständerat entscheidet am 26. September, der Bundesrat bis Ende Jahr. 

Das ist so, als würden Verkehrsplaner sagen: Wir bauen eine neue, den Bedürfnissen entsprechende Brücke über den Fluss. Als ersten Schritt reissen wir schon mal die bestehende Brücke ab. Dann beginnen wir mit der Planung, wie das neue Bauwerk aussehen soll – und wie wir es finanzieren.

Die Plattform ist ein tragendes Element zur Bekämpfung der Armut. Sie ermöglicht es, dass alle Staatsebenen, Arbeitgebende, Arbeitnehmende und die Zivilgesellschaft gemeinsam an diesem Ziel arbeiten. Sie hat wichtige Forschungsarbeiten ermöglicht und so Grundlagen für eine gezielte Armutsbekämpfung geliefert.

Dieses Engagement des Bundes auf Eis zu legen, wäre ein Affront gegenüber den 1,3 Millionen Menschen in unserem Land, die mit den Folgen der Armut kämpfen. Es wäre ein Zeichen, dass der Bund ihre tagtäglichen Probleme und Sorgen nicht ernst nimmt. Ein solches Zeichen ist für ein Land, das zuoberst auf der UNO-Rangliste der menschlichen Entwicklung steht, nicht angemessen.

Peter Lack ist Direktor von Caritas Schweiz und Mitglied der Steuergruppe Nationale Plattform gegen Armut.