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Entsetzen beim Nationaltrainer
Jeder fünfte Deutsche möchte mehr weisse Spieler

HERZOGENAURACH, GERMANY - JUNE 02: Julian Nagelsmann, Head Coach of the Germany National Team during a press conference at DFB Medienzentrum on day two of the training camp at Herzo Base on June 02, 2024 in Herzogenaurach, Germany. The German prepares for the European Football Championships EURO 2024 in Herzogenaurach. Before their first group stage match on June 14, 2024 they will play two friendly matches in Nuremberg and Moenchengladbach. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
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Die ARD hat einen Dokumentarfilm gedreht und eine Umfrage gestartet. Und nun herrscht Aufruhr rund ums deutsche Nationalteam, das in weniger als zwei Wochen als Gastgeber die EM eröffnet und am Turnier auch auf die Schweiz trifft.

«Einigkeit und Recht und Vielfalt» heisst der Film. Darin sagt Filmemacher Philipp Awounou, ein deutscher Sportjournalist mit schwarzer Hautfarbe, gleich zu Beginn: «In diesem Film geht es um eine Nationalmannschaft, die seit Jahren immer internationaler wird. Es geht um die Frage, was das aussagt über uns und unseren Fussball.» Und weiter: «Wir leben in schwierigen Zeiten. Kriege. Krisen. Debatten um Remigration – Demonstrationen dagegen. Es gibt ein Gefühl der Gespaltenheit. Und dann gibt es da ein Team, das eigentlich nur Fussball spielt. Aber gleichzeitig verrät es über drei Spielergenerationen hinweg erstaunlich viel über das Einwanderungsland Deutschland. Von den Neunzigern bis heute.»

Neun Spieler des aktuellen deutschen EM-Kaders haben einen Migrationshintergrund. In Awounous Film reden frühere und aktuelle Nationalspieler, wie sie Rassismus erlebt haben. Awounou spricht aber auch mit Fans, Beobachtern, Politikern. Und weil gemäss Produktionsteam dabei immer wieder der Vorwurf durchdringt, «dass zu wenige ‹echte›, hellhäutige Deutsche auf dem Fussballplatz stehen», wollen es Awounou und seine Leute genauer wissen. Sie lassen eine repräsentative Umfrage machen mit dem Titel: «Einstellung zur Fussball-Nationalmannschaft.»

Drei Punkte werden dabei abgefragt:

  1. Ich finde es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fussballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben.

  2. Ich fände es besser, wenn wieder mehr weisse Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen.

  3. Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Fussballmannschaft türkische Wurzeln hat.

Dabei kommt heraus, dass es 66 Prozent der 1304 befragten Personen sehr gut, gut oder eher gut finden, dass viele Spieler einen Migrationshintergrund haben. Dass es für 65 Prozent keine Rolle spielt, wie viele Spieler welche Hautfarbe haben. Und dass es 67 Prozent egal ist, dass Captain Ilkay Gündogan türkische Wurzeln hat.

In Aufruhr ist Fussball-Deutschland aber nicht wegen der Meinung der Mehrheit, sondern weil fast jeder fünfte Befragte Mühe hat, dass viele Nationalspieler einen Migrationshintergrund haben. Weil sich jeder Fünfte mehr weisse Spieler im Team wünscht. Und es 17 von 100 Leuten schade finden, dass Gündogans Vorfahren aus der Türkei stammen.

Die ARD-Umfrage im Wortlaut – und die Resultate.

Die Umfrage ist am Wochenende grosses Thema an den Medienkonferenzen des Nationalteams. Und die Reaktionen von Bundestrainer Julian Nagelsmann und Bayern-Spieler Joshua Kimmich fallen heftig aus.

«Ich hoffe, nie wieder so was von so einer Scheissumfrage lesen zu müssen», sagt Nagelsmann, er findet die abgefragten Punkte «rassistisch». Kimmich bemerkt: «Gerade der Fussball ist ein Beispiel dafür, wie man verschiedene Nationen, verschiedene Hautfarben, verschiedene Religionen vereinen kann.» Und auch er nervt sich, dass die ARD überhaupt die Umfrage startete: «Kontraproduktiv» nennt er sie.

Der innerhalb der ARD für die Produktion zuständige Westdeutsche Rundfunk erklärt in einer Mitteilung, der Sender habe einzelne Aussagen im Film «bewusst nicht anekdotisch wiedergeben, sondern auf fundierte Daten stützen» wollen. «Wir selber sind bestürzt, dass die Ergebnisse sind, wie sie sind, aber sie sind auch Ausdruck der gesellschaftlichen Lage im heutigen Deutschland.»

Ganz ähnlich sieht es Lorenz Narku Laing. Laing ist selber schwarz und Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung in Bochum. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt er: «Diesen Wunsch, Rassismus unsichtbar zu machen, kann ich nachvollziehen. Das Thema ist schwer, es ist unangenehm, und es ist auch konfliktreich. Aber wenn wir Rassismus wirklich überwinden wollen, müssen wir ihn bearbeiten.»