AboZürich droht Test-DebakelApothekerin schlägt Alarm und warnt die Reiselustigen
Bald sind Schulferien, und schon sind die Termine für Tests rar. «Reisende brauchen eine Verzichtsplanung», sagt Natalia Blarer vom Apothekenverband.

Die Schlange der Testwilligen war am frühen Freitagabend mindestens 50 Meter lang. Das Personal testete, was die Stäbchen hergaben. «Es war der Teufel los», sagt Natalia Blarer. Sie ist die Projektleiterin Impfen und Testen des kantonalen Apothekerverbands und betreibt die Apotheke an der Europaallee in Zürich.
Die Testwilligen kamen von überallher. Es waren junge Erwachsene, die in einem Club feiern wollten. Es waren neben Zürchern auch Aargauer, die in die Ferien wollten. Und es waren Personen darunter, die schon getestet waren, aber noch ein Zertifikat brauchten – diverse Arztpraxen testen, stellen aber keine Zertifikate aus. Auch die drei grossen kantonalen Testzentren auf dem Zürcher Kasernenareal, in Winterthur und Dübendorf stellten gemäss Gesundheitsdirektion bis zum Wochenende keine Zertifikate aus.
«Es gibt viel zu wenig Testkapazitäten. Wir können das gar nicht stemmen.»
Nun zeichnet sich ab, dass der Ansturm am Freitag nur der Vorgeschmack war. Am 17. Juli beginnen die Zürcher Schulferien. In den Tagen zuvor wird die Nachfrage nach PCR- und Antigen-Schnelltests, die in zahlreichen Ländern zur Einreise benötigt werden, nochmals spürbar zunehmen. «Es gibt viel zu wenig Testkapazitäten», sagt Natalia Blarer. «Wir können das gar nicht stemmen.»
Fast alle Termine zwischen Donnerstag, 15. Juli, und Sonntag, 18. Juli, sind im Testzentrum auf der Kasernenwiese schon weg. Dasselbe gilt für diese Woche. Ähnlich sieht im Drive-in-Testzentrum Dübendorf aus: Vom 15. bis zum 17. Juli meldet das Onlinetool: ausgebucht. Etwas besser sieht es im Zentrum Rosenberg in Winterthur aus. Dort ist – Stand Montagnachmittag – nur der 16. Juli ausgebucht.
Und die Alternativen zu den grösseren Zentren, die Apotheken, sind am Anschlag. Seit die Clubs offen sind, helfen sie aus, wo es geht. Am vergangenen Wochenende haben zwölf Apotheken teils mobil, teils bis um 1.30 Uhr in der Nacht dauergetestet – sieben in der Stadt Zürich und weitere in Bassersdorf, Greifensee, Männedorf, Rüti und Uitikon. Natalia Blarer hat von einer Apothekerin gehört, dass sie um 23 Uhr aufhören musste, weil es nicht mehr ging – der Betrieb überbordete, das Publikum war teils angetrunken und unangenehm.
Test-Tourismus aus dem Aargau
Blarers Filiale ist ausgebucht, obwohl sie die Kapazität verdoppelt hat. Statt einer Person in fünf Minuten testet sie mindestens zwei Personen. Am Freitagabend schleuste sie gar bis zu vier testwillige Personen pro fünf Minuten durch ihr Testkabäuschen. «Das war heftig», sagt Blarer, «es kamen zusätzlich Familien, die sagten, sie hätten einen Flug in zwei Stunden.» Es habe am Wochenende einen Test-Tourismus aus dem Aargau gegeben, hat die Apothekerin festgestellt. Auch die SRF-«Tagesschau» berichtete von einer Aargauer Familie, die im eigenen Kanton keine Testmöglichkeit fand und deshalb mit dem Auto nach Dübendorf fuhr.

Im Nachbarkanton haben viele Apotheken aufgehört zu testen – unter anderem weil der Bund die Tarife auf Juli gesenkt hat. Ein Faktor ist auch, dass in Apotheken viele Frauen angestellt sind, welche oft Mütter sind und auf Ferien in der unterrichtsfreien Zeit ihrer Kinder angewiesen sind.
Im Kanton Zürich stellt sich dasselbe Problem. Blarer weiss von einigen der 60 Test-Apotheken, dass sie ihre Kapazität herunterfahren müssen. «Das grösste Problem ist das fehlende Personal», sagt Blarer. Sie selbst hat kurzfristig Medizin- und Pharmaziestudenten für die Testkampagne angestellt.
Kritik am Bund
Die Apothekerin kritisiert den Bund, der «die Schleusen fürs Reisen und das Nachtleben öffnete, aber die Bedingungen nicht verbesserte». Im Gegenteil: Er senkte die Apothekentarife für die Schnelltests, welche für die Testwilligen kostenlos sind, von 54.50 auf 47 Franken. Auch das Ausstellen eines Testzertifikats wird nicht vergütet. Und seit dem 2. Juli darf sich jede Person mit einer Krankenkassenkarte einmal am Tag gratis testen lassen – und nicht mehr einmal in der Woche.
Laut Blarer sei der «Test-Tsunami» im Kanton Zürich kaum zu bewältigen. Einige würden ihre geplante Reise nicht antreten können oder verschieben müssen, weil der Test fehle, warnt sie. «Reisende brauchen eine Verzichtsplanung.»
Testkapazitäten gebe es allenfalls in den nicht so zentralen Apotheken, sagt Blarer. Und bei den Hausärzten. Viele testeten ihre Patienten, sagt Ärztepräsident Josef Widler. Man müsse sich aber unbedingt zuvor informieren – auch ob sie Zertifikate ausstellten, denn nicht jeder habe die Infrastruktur dazu.
Testen in Impfzentren?
Wie reagiert der Kanton auf den Alarm aus den Apotheken? Ziemlich gelassen. Bisherige Erfahrungen vor Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten hätten gezeigt, dass die Testkapazitäten ausreichten, um auch eine höhere Nachfrage zu bewältigen, schreibt die Gesundheitsdirektion (GD). «Wir sind zuversichtlich, dass wir gewappnet sind, im Hinblick auf die anstehenden Sommerferien genügend Testtermine durchzuführen.» Man überprüfe die Situation jedoch laufend.

Könnte man die Impfzentren, die immer weniger ausgelastet sind, temporär fürs Testen öffnen? «Eine örtliche Ausdehnung der bestehenden Testorte wird geprüft», heisst es. Genauer wird die GD nicht. Sie werde gegebenenfalls aktiv informieren.
Zürich und Dübendorf erhöhen Kapazität
Konkreter informiert das Stadtspital Waid und Triemli, welches das Zentrum auf der Kasernenwiese betreibt. Die Kapazitäten würden laufend der Nachfrage angepasst, versichert Sprecherin Maria Rodriguez. «Zur Ferienzeit könnten wir von aktuell 600-700 Testungen täglich auf maximal 1000 aufstocken.» Auch wenn auf der Website zwischenzeitlich keine Termine ersichtlich sein sollten, lohne es sich, immer wieder nachzusehen, sagt Rodriguez. «Wir schalten wenn immer möglich neue Termine auf.»
Die Öffnungszeiten von Donnerstag bis Samstag wurden bereits bis 21.30 Uhr verlängert. An diesen Abenden müsse man aber obligatorisch einen Termin haben. Am Tag seien sogenannte Walk-in-Tests möglich, aber nicht garantiert. «Keine Option» ist wiederum, das Impfzentrum beim Triemli fürs Testen zu öffnen. «Die Impfungen sind in vollem Gange», sagt Rodriguez.
Eine gewisse Flexibilität hat man offenbar auch in Dübendorf, dessen Testzentrum vom Balgristspital betrieben wird. Von Donnerstag bis Samstag sei man zwar stets ausgebucht, sagte Spitaldirektor Thomas Huggler der «Tagesschau». «Wir können allerdings kurzfristig weitere Slots aufmachen und die Öffnungszeiten verlängern.»
Kapazitäten haben noch die Testzentren im Flughafen. Dort muss man aber auch für die Schnelltests bis zu 120 Franken zahlen.
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