Präsidentschaftswahlen in FrankreichDie Bürgermeisterin, die Macron herausfordert
Die Sozialistin Anne Hidalgo regiert seit 2016 Paris – jetzt ist die 62-Jährige offiziell Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2022.
Rouen liegt 150 Kilometer nordwestlich von Paris, es ist eine Hafenstadt, und angenommen, man wollte von der französischen Hauptstadt ans Meer schwimmen, käme man durch Rouen. Aus diesen drei Gründen stand die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo am Sonntag in Rouen, als sie die Worte sagte, auf die ihre Partei seit Monaten wartet: «Ich bin bereit.»
Die 62-jährige Sozialistin ist nun offiziell Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2022, die Bestätigung durch die Partei ist nur noch Formsache. Und weil eine erfolgreiche Kampagne mit einer genau durchdachten Inszenierung beginnt, verliess Hidalgo Paris, liess sich vor Hafenkränen ablichten und blickte auf die Seine.
Drei Botschaften
Denn so passten drei Botschaften gleichzeitig auf ein Bild: Hidalgo will keine Hauptstadtpolitikerin sein, sondern eine fürs ganze Land. Sie betont ihre einfache Herkunft als Tochter einer spanischen Hafenarbeiterfamilie, die zur Zeit der Franco-Diktatur nach Frankreich auswanderte. Und zudem konnte sich Hidalgo in Rouen vor dem Engagement ihres Sohnes Arthur Germain verbeugen.
Der 20-Jährige, das jüngste ihrer drei Kinder, hat in diesem Sommer die Seine von der Quelle bis zur Mündung durchschwommen. In seinen Augen nicht nur eine sportliche Herausforderung (er brauchte für die Strecke 49 Tage), sondern ein Appell für besseren Gewässerschutz.
Womit die Verbindung zu Hidalgo und ihrem Herzensthema hergestellt ist: Umweltschutz. Seit Hidalgo 2016 zur Pariser Bürgermeisterin gewählt wurde, konzentriert sie sich darauf, die Stadt zu begrünen, den Autoverkehr einzuschränken und das Velofahren sicherer zu machen. Kritiker werfen Hidalgo vor, lediglich Wohlfühlökologie für bessergestellte Städter anzubieten.
Anne Hidalgo wehrt sich gegen den Eindruck, eine Luxus-Linke zu sein.
Wer sich die horrenden Mieten in Paris leisten kann, fährt bequem mit dem Velo ins Büro und sieht dort auch mal eine Biene am Fenster vorbeifliegen. Die zehn Millionen Menschen, die in den Vorstädten rund um Paris wohnen, quetschen sich in Busse und Züge. Wer mit dem Auto pendelt, findet nur schwer einen Parkplatz, seit Hidalgo Parkplätze in Terrassen verwandelt hat, auf denen die Hauptstädter ihre Feierabenddrinks einnehmen. Was wiederum zu Beschwerden der Anwohner führt: Lärm, Müll, Ratten.
Dem Eindruck, eine Luxus-Linke zu sein, trat Hidalgo in ihrer Kandidaturrede entgegen. Sie versprach höhere Löhne für «all die Unsichtbaren, die unser Land am Laufen halten», also zum Beispiel Kassierer oder Krankenpflegerinnen. Für Lehrer wolle sie das Gehalt direkt verdoppeln.
Hidalgo sagte, sie wolle das Land dezentralisieren, im Team und nicht allein regieren und den Bürgern nicht mit Herablassung, sondern mit Respekt begegnen. Dabei schwang deutlich mit, wer in ihrer Analyse all dies nicht tut: der aktuelle Präsident Emmanuel Macron.
Bis zehn Prozent in Umfragen
Vor Hidalgo stehen nun verschiedene Hürden. Aktuell sehen die Umfragen sie zwischen sechs und zehn Prozent. Auf ähnliche Werte kommen ihr linker Konkurrent Jean-Luc Mélenchon von der France Insoumise («Das unbeugsame Frankreich») und der mögliche grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot.
Wer für die französischen Grünen EELV antritt, wird die Partei per Abstimmung entscheiden. Viele bei EELV träumen davon, dass Hidalgo sich ihnen anschliesst, nicht umgekehrt. In Paris regiert Hidalgo mit Unterstützung der Grünen. Noch zeichnet sich nicht ab, wie eine Situation verhindert werden kann, in der Sozialdemokraten, Grüne und France Insoumise einander die Stimmen abgraben.
Den Vorwurf, sie verstehe nichts vom Leben ausserhalb von Paris, kontert Hidalgo mit ihrer Biografie. Die studierte Sozialwissenschaftlerin wuchs in Lyon auf. Sie betont, dass sie «doppelt so hart» habe arbeiten müssen, weil sie «eine Frau und eine Einwanderin» ist. Im Gegensatz zur rechtsextremen Marine Le Pen, der anderen Kandidatin, die die erste Frau an Frankreichs Spitze werden will, bezeichnet sich Hidalgo als Feministin. (Lesen Sie auch den Artikel «Warum Macron ein Feminist sein will».)
Fehler gefunden?Jetzt melden.