Gleichstellung in FrankreichWarum Macron ein Feminist sein will
Frankreichs Präsident wäre gern ein Mann für die Frauen. Viel Macht hat er ihnen aber nicht eingeräumt. Die grossen Posten bleiben Männerposten. Jetzt macht Emmanuel Macron einen neuen Versuch.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nennt sich Feminist. Er tut also nicht so, als seien ohnehin schon alle gleich. Am Mittwoch, bei einer internationalen Gleichstellungskonferenz in Paris, definierte Macron seinen Feminismus so: «Wer die Würde und die Rechte der Frauen verteidigt, verteidigt gleichzeitig die Menschenrechte.» In konkrete Beispiele übersetzt und im Abgleich mit früheren Äusserungen Macrons heisst das: Mir ist bewusst, dass noch eine ordentliche Wegstrecke zurückzulegen ist, bis es auf dem Gehaltszettel oder bei der Aufteilung der Hausarbeit keinen Unterschied mehr macht, welches Geschlecht ein Mensch hat. Und mir ist ebenso bewusst, dass die Welt ein Problem mit sexualisierter Gewalt hat, deren Opfer besonders häufig Frauen sind.
Ins Abseits gerutscht
Die Frage ist nun, welche Konsequenzen diese Erkenntnis hat. Die erste Hälfte von Macrons Amtszeit hatte noch einen deutlich feministischeren Anstrich als die zweite. Macron präsentierte sich 2019 auf dem von ihm veranstalteten G-7-Gipfel in Biarritz als Vertreter der «feministischen Diplomatie», die den Kampf für Frauenrechte zum aussenpolitischen Auftrag macht. Und als Macrons Partei La République en Marche (LREM) 2017 die Mehrheit in der Nationalversammlung gewann, hatte das massive Auswirkungen auf den Frauenanteil. Vor Macron waren 27 Prozent der Abgeordneten Frauen, nach Macron waren es 39 Prozent. Nur rutschte in den bisherigen vier Jahren kaum eine politische Institution so sehr ins Abseits wie das Parlament.
Bitter für Frankreichs Feministinnen und Feministen ist es nun, dass Marine Le Pen Chancen hat, die erste Präsidentin des Landes zu werden.
Es kommt also weniger darauf an, wie viele Frauen man zählt, sondern wie viel Macht ihnen eingeräumt wird. Premierminister, Wirtschafts- oder Aussenminister, Parteichef – die grossen Posten bleiben Männerposten. Auch für das Innenministerium fand Macron keine geeignete Frau. Wobei da die Latte gar nicht so hoch zu hängen schien. Der aktuelle Innenminister, Gérald Darmanin, trat sein Amt an, obwohl wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn ermittelt wurde. Für Darmanin müsse die Unschuldsvermutung gelten, sagte Macron. Frauen hingegen würde eine geschlechtsunabhängigere Fähigkeitsvermutung nützen, das sagte aber nicht Macron.
Bitter für Frankreichs Feministinnen und Feministen ist es nun, dass Marine Le Pen Chancen hat, die erste Präsidentin des Landes zu werden. Die Rechtsextreme kämpft für Frauenrechte, wenn sie dabei gleichzeitig Einwanderer stigmatisieren kann. Für Le Pen bedroht der Islam die Freiheit der französischen Frau. Eine gleichstellungsfreundliche Politik lehnt Le Pen jedoch ab. Frauenquoten nannte sie 2012 «sexistisch» und «pervers», als Europaabgeordnete stimmte sie gegen eine Resolution, die Frauen den Zugang zu Verhütung erleichtern sollte.
Le Pens Nichte, Marion Maréchal, trat für die gemeinsame Partei 2015 mit dem Versprechen bei der Regionalwahl an, Abtreibungen zu erschweren. Doch Le Pens Rassemblement National ist die einzige Partei, die sich bislang dazu durchringen konnte, für die Präsidentschaftswahl 2022 eine Frau aufzustellen. Zwar sammeln sich immer mehr Sozialisten hinter der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, doch ob sie wirklich kandidiert oder nicht, dürfte sich erst im September entscheiden. Hidalgo jedenfalls hat oft beschrieben, wie Männerbündnisse und sexistische Vorurteile den Politikbetrieb prägen.
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