Streik in GenfAngestellte legen am Freitagmorgen den Flughafen Genf lahm
Just zu Ferienbeginn wird am Flughafen Genf der Ausnahmezustand herrschen. Die Mitarbeiter wehren sich mit dem Streik gegen eine Lohnreform.
Passagiere schieben ihre Koffer unbekümmert übers Trottoir ins Gebäude des Genfer Aéroports. Niemand kümmert sich am Donnerstagmorgen um jene 200 Flughafenmitarbeiter, die sich um 8 Uhr vor dem Flughafen versammelt haben: Busfahrerinnen, Angestellte der Gepäck- und der Personenkontrolle, Architekten, Ingenieure, Elektriker, Feuerwehrleute, Mechaniker und Lotsen, die den Piloten in ihren Flugzeugen die Rollwege bis zur Parkposition weisen. Sie gehören zu jenen 1000 Angestellten, die direkt beim Genfer Flughafen arbeiten.
Am Freitagmorgen dürfte das Bild ein anderes sein. Alle Augen werden auf den Flughafenangestellten ruhen. Denn diese beginnen frühmorgens einen Streik und sorgen dafür, dass in Genf weder Flugzeuge starten noch landen. Der 22-köpfige Verwaltungsrat des Flughafens Genf, der dem Kanton Genf gehört, hat nämlich am Donnerstagmorgen in einer ausserordentlichen Sitzung entschieden, an einer Lohnreform festzuhalten. Eine Lohnreform, die mehrere Hundert Flughafenmitarbeiter und ihre Gewerkschaft VPOD ablehnen. Nachdem eine arbeitsrechtliche Schlichtung scheiterte, haben sie bereits vor einigen Tagen entschieden, in diesem Fall in einen Streik zu treten.
«Ich habe jetzt einen halben Tag, um mich auf alles vorzubereiten.»
VR-Präsident Pierre Bernheim gab sich nach der Sitzung enttäuscht über die Haltung der Belegschaft und ihrer Gewerkschaft. Er könne «noch nicht abschätzen, was morgen passieren wird», so Bernheim. «Ich habe jetzt einen halben Tag, um mich auf alles vorzubereiten, und hoffe noch immer, dass das Personal an den Verhandlungstisch zurückkehrt, um flankierende Lohnschutzmassnahmen zu verhandeln.» Doch auch Bernheim geht davon aus, dass der Flughafen zumindest in den frühen Morgenstunden komplett blockiert sein wird. Er rät Flugpassagieren, die Websites des Flughafens zu besuchen oder sich an die Airlines zu wenden.
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Auch die Angestellten sind enttäuscht. «Der Streik ist das letzte Mittel. Wir haben gehofft, mit der Flughafendirektion eine Einigung zu finden, und sind weiter diskussionsbereit», sagt Raphaël Escalera, Vizepräsident der Personalkommission. Wer morgen an den Flughafen Genf komme, werde keine schönen Szenen sehen, mutmasst er. «Dafür entschuldige ich mich bereits jetzt und bitte um Verständnis für unsere Situation», sagt Escalera. Wie genau der Flughafen mit der Situation umgehen wird, vor allem, wenn es seitens der Passagiere zu Protesten kommt, dazu wollte VR-Präsident Pierre Bernheim nichts sagen. Es gebe Notfallpläne, aber diese seien geheim.
Ein kurzer, aber schmerzhafter Streik
Die Angestellten sind wütend. Wütend auf ihren Arbeitgeber und enttäuscht von Flughafendirektor André Schneider. Das sagen sie am Donnerstagmorgen offen. Ihren Streik wollen sie am Freitag um 6 Uhr morgens oder früher beginnen und um 10 Uhr beenden. Er dürfte also nur vier Stunden dauern. Aber diese kurze Zeit genügt, um den perfekt getakteten Flughafenbetrieb komplett lahmzulegen, mit Konsequenzen bis zum Ende des Tages und wohl auch darüber hinaus. Und auch für Ausweichflughäfen wie Zürich und Lyon.
Beim Arbeitsstreit dreht sich alles um eine Lohnreform, die seit einem Jahr diskutiert wird. Angestellte, Personalkommission und die Flughafengewerkschaft VPOD sagen über das Lohnmodell von Flughafendirektor André Schneider, es sei «intransparent, unfair und unverständlich».
Schneider wolle automatisch und linear ansteigende Treueprämien und Beteiligungen am Geschäftsergebnis streichen, sagt Claire Pellegrin, die Präsidentin der Personalkommission. Stattdessen soll es nur noch individuelle, leistungsbedingte Lohnerhöhungen geben, für die es aber keine klaren Kriterien gebe. «Das ist inakzeptabel, und das haben wir am Verhandlungstisch der Direktion auch so mitgeteilt», sagt Claire Pellegrin.
Olivier Mabille, Vizepräsident der Personalkommission, ist vor allem darum so irritiert über den Entscheid, weil der Flughafen für 2022 einen Reingewinn von 60 Millionen Franken erwirtschaftete und für dieses Jahr einen Gewinn von 100 Millionen Franken erwartet. Die Pandemiejahre seien finanziell schwierig gewesen, aber diese Zeit sei überwunden und die Zukunftsaussichten gut, so Mabille.
Flughafen will sparen
Ganz anders sieht das die Flughafendirektion. Es gebe «keine Lohnkürzungen, und auch Treueprämien werden weiterhin bezahlt», schrieb die Direktion als Reaktion auf die Streikwarnung der Flughafengewerkschaft vor wenigen Tagen in einem Communiqué. Das betont auch VR-Präsident Pierre Bernheim. Dennoch müsse man bei den Löhnen sparen, da «die Herausforderungen mannigfaltig sind, insbesondere nach zwei Jahren globaler Gesundheitskrise, die den Flughafenbetrieb während mehrerer Monate zum Stillstand brachten, seine Schulden verdoppelten und Projekte für Renovationen und für die Energiewende verlangsamten». Der Flugverkehr und damit auch die Einnahmen würden «in den kommenden Jahren stagnieren», prognostiziert Bernheim.
VPOD-Gewerkschaftssekretär Jamshid Pouranpir sagt, «am Freitag werden einige Hundert Mitarbeitende streiken, aber es genügt schon ein Dutzend, um den Flughafenbetrieb komplett zum Stillstand zu bringen». Falls nämlich jene Lotsen streiken, welche die Piloten auf dem Rollfeld zur Parkposition leiten, gibt es keine Starts und Landungen mehr. Genau dies und mehr dürfte morgen in Genf passieren, mit Ausnahme von Rettungsflügen. Für Rettungsflüge gibt es einen Bereitschaftsdienst.
Die Streikenden in Genf wird am Freitag auch VPOD-Generalsekretärin Natascha Wey unterstützen. Zudem wurde Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, als Redner angekündigt.
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