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Zerwürfnis mit Cassis
Was hinter dem Abgang der Deza-Vizedirektorin steckt

Andrea Studer, Assistant Director General, Head of Middle East and North Africa (MENA) - Europe Division at the Ministry of Foreign Affairs of Switzerland, talks to media during a press conference, prior a High-Level Pledging Event for the Humanitarian Crisis in Yemen, at the European headquarters of the United Nations in Geneva, Switzerland, Monday, February 27, 2023. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
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Offiziell nennt das Aussendepartement (EDA) keinen Grund. Es bestätigt lediglich: Andrea Studer ist ab sofort nicht mehr in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) tätig. Formal scheidet sie per Ende August aus dem Amt. Das Westschweizer Radio RTS hat als erstes darüber berichtet.

In der Deza löste der ungewöhnliche Abgang ziemlichen Wirbel aus. Studer ist Vizedirektorin und für den Nahen Osten zuständig. Sie sei Opfer von Cassis’ konzeptloser Nahostpolitik geworden, heisst es in der Deza. Ein Opfer der grossen Angst vor Kritik, der alles andere untergeordnet werde. Studer habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil: Sie sei Prinzipien gefolgt, statt diese wegen eines Zeitungsartikels über Bord zu werfen. Auf Cassis’ Seite dagegen heisst es, Studer habe einen Auftrag nicht wie gewünscht ausgeführt. 

Ausgelöst hat den Konflikt ein Artikel in der «SonntagsZeitung». Darin ging es um Äusserungen von Mitarbeitenden dreier palästinensischer NGOs, die Geld aus der Schweiz erhalten. Der Vorwurf: Einzelne Mitarbeitende sollen sich ungenügend von der Hamas distanziert haben.

Antworten auf lästige Fragen

Cassis beauftragte die Deza umgehend, die Zahlungen an diese und allenfalls weitere NGOs zu sistieren und die erhobenen Vorwürfe vertieft zu prüfen. Den Auftrag formulierte EDA-Generalsekretär Markus Seiler in einer E-Mail an Deza-Chefin Patricia Danzi. Die E-Mail hat diese Redaktion gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten.

Darin steht: «Sollten sich im Laufe der Arbeiten weitere Verdachtsfälle ergeben, sind die Zahlungen an diese Organisationen ebenfalls zu sistieren und vertieft zu prüfen.» Zudem solle die Deza mit der Kommunikationsabteilung des EDA Antworten auf sogenannt «nasty questions» von Medien vorbereiten.

Danzi antwortete, die Deza habe die Zahlungen an sämtliche Menschenrechtsorganisationen in der Region sistiert. «Dies betrifft sowohl palästinensische wie auch israelische NGOs.» In den vorbereiteten Antworten auf die «nasty questions» steht, bis vor den «aktuellen Ereignissen» seien keine Belege vorgelegen, die auf eine Verletzung des Verhaltenskodexes hinweisen würden.

Falsche öffentliche Aussage

Am 1. November behauptete Cassis jedoch etwas anderes. Damals gab er vor den Medien bekannt, die Deza habe die Zahlungen an elf NGOs sistiert. Auf die Frage einer Journalistin sagte er, es gebe «Verdachtsmomente» gegen die betroffenen NGOs. Das war aber falsch: Verdachtsmomente gab es nur gegen Mitarbeitende dreier NGOs.

Auf Cassis’ Seite stellt man sich auf den Standpunkt, so habe schliesslich der Auftrag gelautet: Überprüfen nur bei Verdacht. Aufseiten der Deza heisst es, man habe dem EDA gegenüber klar kommuniziert, dass bei allen NGOs überprüft werde, ob sie sich an den Verhaltenskodex hielten. Vorwürfe habe es auch schon gegen andere NGOs gegeben.

Das sei die korrekte Vorgehensweise, sagen Deza-Mitarbeitende. Der Verhaltenskodex gelte für alle. Dessen Einhaltung sollte nicht nur bei Einzelnen überprüft werden, die möglicherweise deshalb in der Zeitung genannt worden seien, weil andere sie gezielt angeschwärzt hätten.

Vor Reputationsschaden gewarnt

Cassis’ Aussage, es gebe Verdachtsmomente, war nicht nur falsch – er hat die betroffenen NGOs damit auch in eine schwierige Lage gebracht. Die Organisationen seien unter Generalverdacht gestellt worden, kritisierten Schweizer Menschenrechtsorganisationen im November. Ihnen drohe ein Reputationsschaden, wodurch die Friedensbewegung auf beiden Seiten geschwächt werde.

Aus diesem Grund hatte Deza-Vizedirektorin Andrea Studer dem Vernehmen nach dafür plädiert, die Öffentlichkeit erst nach erfolgter Überprüfung zu informieren, nicht vorher. Das hätte jene NGOs, deren Mitarbeitende sich korrekt verhielten, vor einem Reputationsschaden bewahrt. Cassis habe das aber nicht gewollt. Er habe nach dem Artikel in der «SonntagsZeitung» demonstrieren wollen, dass gehandelt werde. 

Nach der Überprüfung beendete die Deza die Zusammenarbeit mit drei NGOs – nicht jenen, die in der «SonntagsZeitung» kritisiert wurden. Aus Cassis’ Sicht war die Sache damit aber nicht erledigt. Er wollte, dass ein Kopf rollte – jener von Botschafterin und Deza-Vizedirektorin Andrea Studer. Manche sprechen von einem Bauernopfer. Dem Vernehmen nach hat Cassis ihr eine Versetzung angeboten, die sie ablehnte. Studer wollte sich auf Anfrage nicht äussern. Sie verlässt die Deza nach 20 Jahren.