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Analyse zur News-App 
Der unaufgeregte Minimalismus von Teletext ist hoch im Kurs

Wie aus der Zeit gefallen und damit ideal für alle, die keine Lust auf News-Lawinen haben, aber trotzdem nichts verpassen wollen.
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Man könnte Alt-Bundesrat Ueli Maurer fast schon einen Influencer nennen. Bei seiner Rücktrittsrede vor einem Jahr bezeichnete sich der SVP-Politiker als Medienabstinenzler. Nach drei Minuten Radionachrichten müsse er jeweils abschalten. Morgens schaue er maximal die Seite 104 im Teletext an, also die Übersicht mit den Inland-News. 

Maurer ist damit Teil einer wachsenden Gruppe – und das gleich doppelt: 2022 haben die News-Verweigerer in der Schweiz mit 38 Prozent eine neue Rekordmarke erreicht. Das hält das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Uni Zürich in seinem «Jahrbuch Qualität der Medien 2022» fest. Fast zwei von fünf Personen meiden also die klassischen Medien. Haben keine Lust auf diesen sich ständig erneuernden Schwall an Nachrichten mit Katastrophen, Kulturkampf, Krieg und Klimakrise. Auf die Artikel und Kommentarspalten, in denen vor allem die Lauten, Polarisierenden zu Wort kommen, je näher die Wahlsaison, desto ausgeprägter.

Das mag teils verständlich sein, ist aber auch deswegen heikel, weil diese sogenannten News-Deprivierten wichtige Informationen verpassen; und je schlechter man informiert ist, desto empfänglicher ist man tendenziell für Extreme. Oder man hält sich laut FÖG im politischen Prozess häufiger abseits und misstraut den Institutionen stärker. Das ist problematisch für die Demokratie.

Teletext ist beliebter als Tiktok und X

Als Teletext-Nutzer ist Ueli Maurer ebenfalls im Trend. Dieser fast schon museal anmutende Nachrichtendienst, der kommendes Jahr in der Schweiz seinen Vierzigsten feiert, ist aktuell überraschend im Hoch. Gemäss neuen Mediennutzungszahlen, die am Dienstag veröffentlicht worden sind, konnte Teletext im Vergleich zum Vorjahr eine halbe Million mehr regelmässige Nutzerinnen und Nutzer vorweisen.

Mit total 2,5 Millionen Personen, die das Nachrichtenangebot mindestens gelegentlich nutzen – davon 1,6 Millionen wöchentlich und 800’000 täglich – lässt der Teletext auch Linkedin, Tiktok und X (vormals Twitter) hinter sich. Und damit ist ausschliesslich die Nutzung via Fernbedienung und Website gemeint. Die Teletext-App fürs Handy – sie sieht genau gleich aus wie das Original, mit dem Unterschied, dass man sich durch die Seiten wischen kann – ist nicht mit eingerechnet. Verlässliche Zahlen kann das SRF nicht mitteilen, aber die Downloadzahl der App dürfte sich im sechsstelligen Bereich bewegen. 

Das höchste der Gefühle sind rote Grossbuchstaben und Ausrufezeichen. Diese holt die Teletext-Redaktion aber nur bei wirklich wichtigen Ereignissen hervor. 

Der Beliebtheitsschub ist beachtlich, gerade weil der Teletext weit weniger zu bieten hat als die Konkurrenz auf den Onlineportalen und sozialen Medien. Die Infos beschränken sich auf das absolute Minimum. Pro Seite stehen nur wenige Zeilen in acht Farben zur Verfügung; alles kommt dezent daher. Das höchste der Gefühle sind rote Grossbuchstaben und Ausrufezeichen. Diese holt die Teletext-Redaktion aber nur bei wirklich wichtigen Ereignissen hervor. Zum Beispiel, wenn eine Queen Elizabeth II stirbt oder ein Roger Federer zurücktritt. 

«ROGER FEDERER TRITT ZURÜCK!» Bei Grossereignissen gehts nicht kleiner.

Es fehlen auch Bilder, Videos, Audiofiles, es gibt keine eingebetteten Social-Media-Posts, keine Umfragen, Boxen oder Kommentarfunktionen. Das Interaktive beschränkt sich auf das Eintippen der drei Ziffern, was einen zur gewünschten Seite springen lässt. «Viele Nutzer kennen die dreistellige Zahl ihrer bevorzugten Teletext-Seiten auswendig», sagt Edi Estermann von der SRF-Medienstelle. 

Die Hauptübersicht ist auf Seite 100, Inlandnews ab Seite 104, Ausland ab 130, Wirtschaft ab 150, Kultur ab 165; Klatsch und Tratsch wie Taylor Swifts jüngster Spotify-Rekord oder die Babynews von Carlo Janka gibts ab Seite 175 und das Wetter ab Seite 500. Am beliebtesten sind jedoch die Sportseiten mit Live-Resultaten von der Super League bis zum US Open; bei grossen Sportereignissen wie der Fussball-WM sind die Zugriffszahlen jeweils besonders hoch – eine mögliche Erklärung, weshalb der Teletext 2022 derart rege benutzt worden ist. Auch an Wahl- oder Abstimmungssonntagen wird die Teletext-Taste auf der Fernbedienung munter gedrückt.

Ist doch alles viel zu beschränkt und umständlich mit dem ewigen 3-Ziffern-Eintippen, mögen manche monieren. Zudem ist im Internet und auf Social Media alles viel eleganter, schöner, umfangreicher. Stimmt. Aber manchmal ist mehr nicht mehr, sondern einfach zu viel. Siehe News-Deprivierte, die sich irgendwann ganz aus dem Nachrichtenstrom ausklinken und nur noch Instagram-Reels in Dauerschleife konsumieren.

Es ist dieser unaufgeregte Minimalismus, der den Teletext so reizvoll macht. Alles Wichtige ist drin, alles ist schön knapp und übersichtlich. Die News sind nüchtern, ohne Geschrei und ohne Meinung, da ist kein Alarmismus, keine Bubble-Einseitigkeit. Aus der Zeit gefallen? Nein. Vielleicht ist der Teletext genau deswegen so passend.