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Meinung

Am schlimmsten wären die Folgen für kleine Länder wie die Schweiz

Internationale Zusammenarbeit oder Abschottung? Die Weltwirtschaft steht am Scheideweg. Foto: Keystone
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Bisher erschien der Handelskrieg zwischen den USA und China für die meisten Beobachter in unseren Breiten als eher technische und finanzielle Angelegenheit – weit weg von Europa. Im Vordergrund standen gegenseitige, wenn auch massive Zollerhöhungen, welche die Produkte beider Länder für das jeweils andere verteuern, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie deshalb weniger gehandelt werden.

Seit US-Präsident Donald Trump erklärt hat, dass die Geräte des chinesischen Huawei-Konzerns nicht mehr mit der Software von US-Konzernen wie Google ausgestattet werden dürfen, sollte allen deutlich geworden sein, dass es hier um viel mehr geht und dass die Auseinandersetzung alle betrifft. Der Handelskrieg droht in eine komplette Neustrukturierung der Weltwirtschaft zu münden.

Sich selbst täuschend könnte man sagen, dass ja nicht jeder ein Huawei-Smartphone besitzt oder eins der Marke Honor, die zum gleichen Konzern gehört. Oder dass für die Geräte ausreichend Ersatz durch andere Anbieter bereitsteht oder alternative Softwareanbieter für deren Nutzung. Und man könnte argumentieren, dass Huawei ohnehin von einigen als Sicherheitsrisiko betrachtet wird oder dass Trump die Einführung der Massnahme erst einmal verschoben hat und alles nur eine Drohung sein könnte, um die Chinesen zum Einlenken zu bewegen.

Die unterschätzten Wertschöpfungsketten

Das ist alles richtig, aber nicht entscheidend. Am Beispiel der Huawei-Smartphones werden zwei Aspekte des Handelskriegs deutlich, die meist unterschätzt werden und die für sehr viele andere Produkte unseres täglichen Lebens eine grosse Bedeutung haben. Sie sind erstens immer weniger das Erzeugnis eines einzelnen Landes – weder von China, der USA noch der Schweiz, sondern gewissermassen ein Gemeinschaftsprodukt von vielen, Ergebnis einer komplexen Wertschöpfungskette. Nur so ist es möglich, dass sie nicht viel teurer sind. Wenn zweitens diese Wertschöpfungsketten durchbrochen werden, sind Unternehmen und Länder gezwungen, sich neu aufzustellen. Das wiederum hat fundamentale wirtschaftliche und politische Konsequenzen. Der Reihe nach.

Was für ein Huawei-Smartphone gilt, gilt auch für andere Smartphones, Computer, Maschinen, Fahrzeuge und weitere Produkte: Unabhängig davon, ob sie von einem Unternehmen in den USA oder in China hergestellt wurden, stammen die Komponenten und Vorprodukte, die Software oder nur schon Teile der Software oft aus mehreren, zuweilen sogar aus einer Vielzahl von Ländern. Das können Produktionsstätten des gleichen Unternehmens sein oder Zulieferunternehmen.

In einer Studie hat die WTO errechnet, dass nur rund die Hälfte des Exportwerts von China im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien aus der Produktion in China selbst stammt. Der Rest wurde als Vorprodukte aus anderen asiatischen Ländern, Europa und Nordamerika importiert. Und der grösste Teil der Exportüberschüsse Chinas gegenüber den USA im Industriebereich – die Donald Trump besonders unfair empfindet – wird von Unternehmen ausserhalb von China erwirtschaftet oder solchen, die mit chinesischen Firmen ein Joint Venture unterhalten.

Die Folgen der Globalisierung

Diese weltweite Produktion ist das Ergebnis der Globalisierung der letzten Jahrzehnte. Diese Entwicklung hat zwar zu grossen Problemen beigetragen, die mitverantwortlich für die Populismuswelle in vielen Ländern sind: Dazu gehören die im Westen gewachsene Ungleichheit und die gegenseitige Abhängigkeit, die auch die demokratische Selbstbestimmung der Länder eingeengt hat. Diese Probleme hätten sich aber mit einer anderen Politik verhindern lassen, ohne die Globalisierung zu verhindern.

Denn der ökonomische Vorteil der Globalisierung ist enorm: Produkte können an den dafür am besten geeigneten Standorten hergestellt werden, und als Absatzmarkt steht ihnen die gesamte Welt zur Verfügung. Das macht viele Güter – wie ganz besonders das Smartphone – nicht nur viel günstiger, sie herzustellen wäre in vielen Fällen ein Ding der Unmöglichkeit beziehungsweise angesichts zu kleiner Absatzmärkte viel zu teuer. Die durch die Weltproduktion gewachsene gegenseitige Abhängigkeit hat ausserdem den Druck zur internationalen Zusammenarbeit erhöht, die trotz aller Probleme Konflikte weniger wahrscheinlich gemacht hat.

Wenn nun die hohen Zölle verbleiben oder Unternehmen aus China und anderswo damit rechnen müssen, ihre Zulieferer zu verlieren, dann werden sich die Unternehmen und Länder nicht einfach damit abfinden. Das gilt schon gar nicht für China, dessen kommunistische Regierung massiv in die Wirtschaft eingreift. Die Antwort ist dann eine Strategie, die auf Abschottung setzt. Sie wird möglichst die ganzen Wertschöpfungsprozesse im eigenen Land behalten wollen, um so alle Abhängigkeiten gegenüber ausländischem Druck zu vermeiden. Ähnlich werden auch andere Länder vorgehen.

Ein neuer «langer Marsch»

China leitet das bereits ein. Wie Bloomberg berichtet, tourt Staatschef Xi Jinping aktuell durch sein Reich, um seine Bevölkerung auf einen neuen «langen Marsch» einzuschwören. Damit spielt er auf die entbehrungsreichen Kämpfe an, die am Anfang der kommunistischen Machtübernahme in China gestanden sind. Entbehrungsreich wäre auch der Verzicht auf die internationalen Wertschöpfungsketten. Eine Rede dazu hielt er ausgerechnet in Ganzhou. Von dort stammen die sogenannten seltenen Erden, Metalle, die in den meisten elektronischen Geräten enthalten und für deren Betrieb unentbehrlich sind. China verfügt hier über die grössten Reserven. Die Wahl der Ortschaft zeigt den Amerikanern – und nicht nur ihnen –, dass auch sie viel zu verlieren haben.

Eine komplette Neuausrichtung der Wertschöpfungsketten würde die Weltwirtschaft anfänglich massiv treffen, weil die Unternehmen Investitionen stoppen und sich erst wieder neu orientieren müssten. Erste Anzeichen dafür sind bereits sichtbar. Ein Weltuntergang wäre das dennoch nicht. Aber in einer stärker abgeschotteten Welt würden viele Güter deutlich teurer werden, einige möglicherweise gar nicht mehr zugänglich sein. Am schlimmsten wären die Folgen für kleine Länder ohne grossen Binnenmarkt, wie die Schweiz. Ausserdem würden die Spannungen auch politisch vermutlich steigen, weil es sehr viel weniger Anlass für eine Kooperation gäbe.