ZoomAltmeisterliche Fantasien
Die deutsch-russische Künstlerin Katerina Belkina fotografiert wie die alten Holländer malten – mit einem modernen Twist.
Es gibt die berüchtigten alten weissen Männer – und es gibt zornige junge Frauen. Doch was wie eine Beschreibung des sozialen Stellungskriegs unserer Gegenwart klingt, muss gar nicht auf verschiedenen Seiten der Frontlinie liegen. Ein Beispiel: Das zwischen traditionellen Sehnsüchten und moderner feministischer Pose mäandernde Werk der deutsch-russischen Fotokünstlerin Katerina Belkina. Belkina, geboren 1974, also noch in der Sowjetzeit, im Kuibyschew (heute Samara) genannten Bezirk an der Wolga, bedient sich nicht der Zornesgesten der Moderne. Träumerisch sucht sie nach Bildharmonien, wie sie schon Renaissance-Italiener und holländische Meister zur Perfektion getrieben haben.
Es ist unklar, wie Belkina zu ihren Bildern kommt – Inszenierung, Fotografie, spätere Bearbeitung sind bestimmt dabei (deshalb nennt sie sich Mixed-Media Künstlerin und nicht nur Fotografin), doch dass sie die altmeisterliche Atmosphäre perfekt nachstellen kann, ist unbestritten. In dem uns vorliegenden Fotoband weitet sie ihr Spielfeld grosszügig auf die gesamte Kunstgeschichte aus. Die Künstlerin ist sich selbst oft Model und posiert sowohl in Blau als modernes Milchmädchen (ja, genau, wie das von Vermeer) wie auch in Rot als heutige Venus des Ikea-Schranks. In der klassischen Pietà ersetzt sie Maria durch einen modernen Vater, und in einem Selbstporträt sieht man im Hintergrund nicht Florenz, sondern die Industriestadt Samara. In Interviews verrät die tüchtige Bildnachstellerin Belkina – für deren Inszenierungen es einen potenten Markt gibt – dass sie die alte Zeit nicht zurückwünscht, sie aber bewundert. Auch das ist die Errungenschaft unserer polyvalenten Hypermoderne: dass man seine Fantasien zur Freude Gleichgesinnter fröhlich ausleben kann.
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