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Star der französischen Literaturszene
Den Rassismus nimmt er im Buch vorweg

Sein Erfolgsroman liegt nun auf Deutsch vor: Mohamed Mbougar Sarr nimmt darin unüberlesbar den Literaturbetrieb aufs Korn.
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Das Buch im Buch, es ist per se kein neuer Ansatz. Und es ist auch schon ein Jahr her, seit Mohamed Mbougar Sarr mit «La plus secrète mémoire des hommes» den französischen Literaturbetrieb verblüfft und dafür den Prix Goncourt, den renommiertesten Literaturpreis im französischen Sprachraum, bekommen hat. Nun ist «Die geheimste Erinnerung der Menschen» auch auf Deutsch erschienen, als erstes Buch überhaupt von ihm, und es lässt sich schon jetzt sagen, dass der senegalesische Schriftsteller damit in Europa zu den Autoren der Stunde zählt.

Sarrs Buch ist ein Roman im Roman, der Text fällt dem Icherzähler in die Hände, er beginnt, sich für dessen Autor T. C. Elimane zu interessieren. Den «schwarzen Rimbaud» nennen sie ihn in der rückblickenden Erzählung, seine Bücher wurden in Frankreich durchwegs mit rassistischem Subtext gelesen – entweder hiess es, das Werk sei ungewöhnlich europäisch für einen Afrikaner oder aber erfülle keine Standards der afrikanischen Literatur. Mit sichtlichem Vergnügen und unüberlesbar aus eigener Erfahrung nimmt Sarr damit einen Literaturbetrieb aufs Korn, mit dem er selber schon unliebsame Erfahrungen gemacht hat.

Bewusst in zwei Verlagen: In Senegal und in Frankreich

1990 wurde Sarr in Dakar geboren; von der Militärakademie, die seine Eltern zunächst für ihn vorsahen, musste er sich regelrecht losreissen, bis er in Amiens und Paris Literatur und Philosophie studieren konnte. Schon mit 24 Jahren legte er seinen ersten Roman vor, «Die geheimste Erinnerung der Menschen» ist sein vierter, für jedes seiner Bücher wurde er ausgezeichnet. Den Prix Goncourt im vergangenen Jahr erhielt er als einer der jüngsten Autoren in der bald 120-jährigen Preisgeschichte und als erster Schriftsteller aus der Subsahara.

Einer der jüngsten Preisträger überhaupt – und der erste aus einem Land der Subsahara: Der Senegalese Mohamed Mbougar Sarr nach dem Gewinn des Prix Goncourts im Herbst 2021.

Den Erfolgsroman legte Sarr in der französischen Version in zwei unterschiedlichen Verlagen vor, einer in Senegal, einer in Frankreich. Er will damit die «Asymmetrien zwischen Frankreich und den westafrikanischen Kolonien aufheben», wie er sagt, einerseits in Bezug auf die Rezeption, aber gerade auch in Bezug auf den wirtschaftlichen Erfolg.

Zehn Euro für den Preis – aber einen grossen Schub

Der Prix Goncourt ist zwar nur mit symbolischen 10 Euro dotiert, aber Auszeichnungen von dieser Kategorie können der Karriere der zumeist noch jungen Schreibenden einen immensen Schub verleihen, ein Boost, wie ihn etwa auch Kim de l’Horizon («Blutbuch») nach dem deutschen Buchpreis erfuhr. Sarr muss das selber beobachtet haben, greift er es doch in seinem Buch auf, schon bevor er den Preis gewonnen hat.

Über seinen fiktiven Icherzähler und den Literaturbetrieb schreibt Sarr: «Er ist der erste schwarze Autor, der diesen oder jenen Preis erhalten hat, in diese oder jene Akademie aufgenommen wurde: Lesen Sie sein Buch, es ist natürlich fabelhaft. X. ist die erste lesbische Autorin, deren Buch in gendergerechter Sprache veröffentlicht wurde: der grosse revolutionäre Text unserer Zeit.»

«Die Tatsache, dass es ungewöhnlich ist, dass jemand wie ich den Prix Goncourt gewinnt, ist schon das Problem.»

Mohamed Mbougar Sarr

Über seine Herkunft sagte Sarr einst, sie sei immer das Erste, was man betonen müsse. «Ich verstehe natürlich, warum. Aber die Tatsache, dass es ungewöhnlich ist, dass jemand wie ich den Prix Goncourt gewinnt, ist schon das Problem.»

Sein Autorentum sieht er als Privileg, das ihm seinen Alltag aber nicht immer erleichtert. «Wenn man schreibt oder liest, kann man manchmal selbst wählen, was und wo man ist», sagte er jüngst dem «Spiegel». «Aber im echten Leben, wenn man am Flughafen ist und eine Grenze passiert, geht das nicht. Dann kann man leider nicht einfach einen Pass zeigen und sagen: Das ist mein Literaturpass.»