Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Essstörungen im Klettern
«Als Ärzte können wir das nicht länger verantworten»

Der US-Kletterer Kai Lightner gehört zu den Besten der Welt. Auf dem Weg dorthin entwickelte auch er eine Essstörung, wie er in einer Youtube Dokumentation erzählt. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Für den Sport zu hungern ist im Sportklettern weit verbreitet. Aus nachvollziehbaren Gründen: Je schwerer man ist, desto mehr Kraft braucht es, sich an der Wand zu halten. Das Gewicht kann deshalb ein entscheidender Faktor an Wettkämpfen sein. Manche Athletinnen und Athleten gehen beim Abnehmen jedoch über das hinaus, was für den Körper gesund ist. Sie entwickeln eine Essstörung 

«Also ass ich nur noch halb so viel wie sonst. Manchmal startete ich ohne Frühstück in den Tag. Ein anderes Mal liess ich das Mittagessen ausfallen, oder es gab am Abend nichts.» Für den Erfolg im Klettern habe ihr das als elfjähriges Mädchen aber nichts ausgemacht, erzählt zum Beispiel die österreichische Profi-Kletterin Angela Eiter in ihrer Biografie. 

Gemeinsamer Rücktritt

«Als Ärzte können wir das nicht länger verantworten», schrieb der deutsche Sportarzt Volker Schöffl nun am vergangenen Mittwoch unter seinen Post auf Instagram. In diesem erklärte er, dass er von seiner Position als ehrenamtliches Mitglied der medizinischen Kommission des Internationalen Sportkletterverbands (IFSC) zurücktrete. Er tue dies gemeinsam mit Kommissionspräsident Eugen Burtscher. 

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Sie könnten das «Nichthandeln des IFSC» in Bezug auf die «RED-S-Probleme» der Athletinnen und Athletinnen nicht mehr länger akzeptieren. RED-S steht für relativen Energiemangel. Dieser entsteht, wenn der Körper nicht genügend Energie – also Nahrung – erhält, um die gesunde Entwicklung und Funktion eines Menschen aufrechtzuerhalten. Der Mangel ist relativ, weil noch genügend Energie vorhanden ist für die wichtigsten Funktionen des Körpers. Dazu gehört auch Bewegung, weshalb sportliche Leistungen vorerst nicht betroffen sind. 

Die Folgen von RED-S können Wachstumsstörungen, eine abnehmende Knochendichte und bei Frauen auch Unfruchtbarkeit sein, warnt Swiss Olympics in einem Merkblatt

Er und sein Kollege Burtscher hätten wiederholt strengere Regeln für Wettkämpfe gefordert, sagte Schöffl in einem Interview mit dem «Spiegel»: «Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass untergewichtige Athletinnen und Athleten bei den Wettkämpfen nicht mehr starten dürfen, um die Essstörungen nicht weiter zu fördern. Doch bisher hat sich der Weltverband auf unsere Konzepte zuletzt nicht einmal zurückgemeldet.»

Auf seiner Website hat der IFSC nun Stellung bezogen. Der «Schutz des Wohlbefindens» der Athleten sei sein «vorrangiges Ziel», schreibt der Verband. Um die Ursachen des relativen Energiemangels zu behandeln, sei es nötig, die «biopsychosozialen Bedingungen» im Umfeld der Sportlerinnen und Sportler zu betrachten. Der Ansatz, den er seit 2022 verfolgt habe, habe nicht die gewünschten Resultate gebracht. Dieser lag allein auf dem Body-Mass-Index (BMI). Wurde der Wert eines Kletterers zu tief, gab es einen Brief an den nationalen Verband. Gesperrt wurde jedoch niemand.

«Wir haben eine Verantwortung gegenüber dem Nachwuchs»

«Einfach einen Mindest-BMI festzulegen, kann nicht die Lösung sein», ist auch Kevin Hemund überzeugt. Er ist Cheftrainer des Schweizer Kletternationalteams. Dies wäre zwar die einfachste Lösung, doch sei das nicht sehr genau. «Der BMI allein sagt noch nicht aus, ob jemand ein restriktives oder gestörtes Essverhalten hat respektive zu wenig isst.» Im Schweizer Team sehe Hemund zurzeit weniger Handlungsbedarf, es seien alle Mitglieder körperlich gesund und leistungsfähig. Zudem würden diese über die jährlichen sportmedizinischen Untersuchungen gemonitort.

Laut dem Nationaltrainer ist vor allem auch die Prävention wichtig, damit es gar nicht erst so weit komme. «Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Athletinnen und Athleten», sagt Hemund. 

Olympiasiegerin fordert Sperren

An internationalen Wettkämpfen gibt es immer mehr sehr dünne erfolgreiche Kletterer, vor allem aber auch Kletterinnen. «Das ist aktuell das grösste Problem unseres Sports», sagte die slowenische Olympiasiegerin Janja Garnbret an einem Podiumsgespräch im vergangenen Jahr. «Wir müssen uns fragen, ob wir eine nächste Generation von Skeletten heranziehen wollen.» Garnbret fordert deshalb strikte Regeln und Sperren für diejenigen, die zu tiefe Werte haben. 

Olympiasiegerin Janja Garnbret spricht sich für strikte Gewichtsregeln aus. Hier ist sie am Kletter-Weltcup in Innsbruck.

Neu sei das Problem jedoch nicht, sagt der Schweizer Trainer Hemund. Es bekomme jetzt einfach mehr Aufmerksamkeit als früher, besonders seit Klettern 2021 olympisch geworden sei. 

Ein Zeichen dafür, dass immer offener über Essstörungen geredet wird, ist auch der 2021 veröffentlichte Dokumentarfilm «Light», der auf Youtube verfügbar ist. Im Film sprechen Profi-Kletterinnen und -Kletterer über ihre Essstörungen und wie sie aus diesen herausgefunden haben. Die Protagonistinnen und Protagonisten kommen darin zum selben Schluss wie Hemund: «Erfolg ist wichtig, aber nicht um jeden Preis.» Denn die Schäden einer Essstörung bleiben unter Umständen ein Leben lang.

Dass es nicht so weit komme, liegt für Hemund jedoch nicht nur in der Verantwortung des Weltverbands, sondern auch bei den einzelnen Teams und den Athleten. 

Richtlinien fürs nächste Jahr angekündigt

Der Weltverband IFSC hat nun angekündigt, für das restliche Jahr wieder die Werte der Athletinnen und Athleten zu messen, um mehr Daten zu erhalten. Dies wurde bereits im vergangenen Jahr gemacht. Ausserdem werde der Verband für das nächste Jahr RED-S-Richtlinien ausarbeiten. 

Der Konflikt kommt für den Kletterverband zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. In weniger als vier Wochen finden die Weltmeisterschaften in Bern statt.