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Wintersaison in der zweiten Corona-Welle
Alpenländer ringen um Ski-Saison, Schweiz geht eigenen Weg

Das Geschäft soll weiterlaufen: Skifahren im Gebiet Zermatt beim Matterhorn.
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Italiens Vorstoss über einen späteren Start der Wintersportsaison in der EU sorgt für Streit unter den Alpenländern. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte will Skigebiete angesichts der Corona-Pandemie mindestens bis zum 10. Januar geschlossen halten.

«Es ist nicht möglich einen Winterurlaub zuzulassen, wir können uns das nicht leisten», sagte Conte im Interview mit dem Fernsehsender «La7». Italien strebt in Abstimmung unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron einen europäischen Fahrplan zur schrittweisen Öffnung der Skigebiete an.

Macron kündigte am Dienstagabend drei Lockerungsschritte an. Die Winterferienorte in Frankreich fallen in die letzte Phase der Lockerung, die für den 20. Januar geplant ist. Das bedeutet, dass die Skigebiete – ebenso wie Cafés, Restaurants und Fitnessstudios über die Feiertage geschlossen sein dürften.

Deutschland will Lockerungen über Weihnachten

Deutschland plant Lockerungen des Teil-Lockdowns über Weihnachten. Davor werden Kontaktbeschränkungen und andere Massnahmen sogar nochmals verschärft, um das Infektionsrisiko während der Feiertage so weit wie möglich zu senken. Kanzlerin Merkel wird sich am Mittwochnachmittag mit den Ministerpräsidenten der Länder treffen, um die Massnahmen zu beraten. Ob Lockerungen auch an Silvester gelten, ist aber noch fraglich. Unklar ist auch, ob Restaurants und Hotels über die Feiertage und über den Jahreswechsel wieder öffnen dürfen.

Einigkeit herrscht unter den Regierungschefs Medienberichten zufolge darüber, dass unkoordinierte und zu schnelle Öffnungen wie im Sommer ein Fehler wären.

Wenigstens eine länderübergreifende Regelung forderten auch die italienischen Regionen: Wenn Skipisten geschlossen würden, sollte das für ganz Europa gelten, sagte der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, der Zeitung «Corriere della Sera». Man könne das Skifahren nicht im italienischen Südtirol verbieten und es aber im österreichischen Kärnten erlauben.

Österreich will Öffnung um jeden Preis

Österreich, das seit Monaten betont, die Skigebiete mit entsprechenden Vorkehrungen um jeden Preis öffnen zu wollen, reagierte am Dienstag mit vehementer Ablehnung auf Italiens Forderung. Finanzminister Gernot Blümel forderte Entschädigungen in Milliardenhöhe von der EU, falls Skilifte tatsächlich über die Weihnachtsferien stillstehen sollen.

Österreich rechne dadurch mit einem Umsatzausfall von 800 Millionen Euro für jede der Ferienwochen. «Wenn die EU tatsächlich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu 2 Milliarden Euro. Wenn die EU das wirklich will, dann muss sie dafür auch bezahlen», teilte Blümel am Dienstag mit.

«Wir haben in Österreich für all jene Bereiche, die wir behördlich geschlossen haben, in kürzester Zeit einen Umsatzersatz auf die Beine gestellt. Wenn Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann muss die EU einen Skifahr-Ausfallsersatz leisten», forderte Blümel.

Schliessung in der Schweiz nicht absehbar

Anders ist die Situation in der Schweiz. Trotz hoher neuer Positiv-Tests sind die Skigebiete geöffnet. Das Land setzt völlig auf das Tragen von Masken und die Abstandsregeln. Doch die Diskussionen in den Nachbarländern sorgen auch hierzulande für Unsicherheit. So wurde das Thema an der Medienkonferenz mit BAG-Experten am Dienstag angesprochen. Ein Journalist wollte vom Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri wissen, ob die Behörden dazu raten, im Winter skifahren zu gehen, wo doch dabei auch das Unfallrisiko erhöht sei. «Die Spitäler sind grundsätzlich vorbereitet, vor allem in den Skiregionen», sagt Hauri. Viele der besonders betroffenen Spitäler würden jeweils ihre Bereitschaften in der Wintersaison ändern.

«Es ist aber ein Aspekt, der schon etwas Sorge bereitet», räumt Hauri ein. «Deshalb sollten sich jetzt alle an die Massnahmen halten, dann können wir im Winter auch skifahren.» Präsident der Corona-Taskforce des Bundes Martin Ackermann fügte hinzu, dass sich mit tieferen Fallzahlen auch der Spielraum vergrössern könnte.

Ob die Skigebiete in der Schweiz geöffnet sein werden, ist noch nicht ganz klar.

Aus Bern hat man zuvor bereits länger nichts mehr zum Thema vernommen. Mitte September erwähnte ein zuversichtlicher Bundesrat Alain Berset in einem Interview mit dieser Zeitung, dass er seine Skiferien bereits gebucht habe. «Ich bin mir aber bewusst, dass ich vielleicht im letzten Moment alles annullieren muss, weil es die Situation nicht mehr zulässt. Gewissheit gibt es in diesen Zeiten leider nicht.»

Zuvor setzte er sich im August bei einem Tourismusgipfel mit den anderen Alpenländern für eine koordinierte Lösung ein. So erklärte er in einem weiteren Interview: «Mir ist es wirklich ein Anliegen, hier eine international koordinierte Lösung zu finden, die auch den Skigebieten Planbarkeit gibt». Doch das Abkommen scheiterte und der Bundesrat delegierte das Problem an die Kantone weiter. «Wir werden mit den anderen grossen Wintersportkantonen koordinieren, welche Schutzmassnahmen wir verhängen werden», sagt der Walliser Staatsrat und ehemalige CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay. Für die Schweizer Skigebiete gelten durch die gemeinsame Vereinbarung «Charta Covid-19» dieselben Schutzmassnahmen – teilweise auch grenzübergreifend.

Schweizer Touristiker vertrauen auf Schutzmassnahmen

Bei den Schweizer Touristikern stösst der Ruf der Italiener nach geschlossenen Pisten auf Unverständnis. Nicolo Paganini spricht von Willkür. «Italien hat im Sommer ja auch nicht die Strände geschlossen», sagt der CVP-Nationalrat und Präsident vom Schweizer Tourismus-Verband zu «20 Minuten». «Auch können die Italiener uns nicht vorschreiben, was wir in der Schweiz zu tun haben.»

Jedes Land müsse laut Paganini autonom bestimmen können, ob es die Skigebiete geöffnet haben will oder nicht. Zudem kämen die Ansteckungszahlen hierzulande kontinuierlich herunter. «Italienische Gäste können selber beurteilen, ob die Schweiz als Ferienland für sie sicher ist. Unsere Schutzkonzepte in Hotellerie, Gastronomie und Bergbahnen funktionieren. Und auch die Skischulen werden den Gesundheitsschutz gewährleisten», so Paganini.

Für Berno Stoffel ist das Vorgehen der Italiener unrealistisch. «Eine solche Forderung ist nicht umsetzbar», sagt der Direktor der Seilbahnen Schweiz zur Zeitung. Solche Bestrebungen auf europäischer Ebene seien bereits im August gescheitert. «Es wird daher kein Alpenabkommen oder ähnliches geben», so Stoffel. Die Forderung der Italiener nimmt er daher gelassen. «Sie beunruhigt uns nicht.» Er verweist auf das Sicherheitskonzept in den Skigebieten. Dieses werde gut umgesetzt. «Wir bieten unseren Gästen im Winter die bestmöglichste Sicherheit.»

Schweiz Tourismus reagiert zurückhaltend. «Es handelt sich um eine These, die gemäss Medienberichten in Italien kontrovers diskutiert wird. In der Schweiz ist davon offiziell nichts bekannt», teilt Sprecher Markus Berger mit. Mögliche politische Diskussionen in einem Nachbarland kommentiere Schweiz Tourismus nicht.

Angeregt werde eine europaweite Koordination der Betriebszeiten sowie Saisoneröffnungen der Wintersportdestinationen. Auch Berger verweist darauf, dass dieser Ansatz bereits im Spätsommer auf europäischer Ebene geprüft und als falscher Weg nicht weiterverfolgt wurde. «Daher dürfte dieser Ansatz auch jetzt nicht realistisch sein. In der Schweiz sind Bundesrat, Behörden und die Tourismusbranche überzeugt, dass der Schweizer Weg für den Moment richtig ist und die Wintersaison sicher stattfinden kann», so Berger.

Im letzten «regulären» Winter 2018/19 haben die Gäste aus Italien 455'000 Hotellogiernächte beigesteuert. Das entsprecht laut Berger einem Anteil von 2,7 Prozent. «Sie sind damit in den Top 10 der wichtigsten Herkunftsländer.»

Bayern unterstützt Italien

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützte den italienischen Vorstoss. «Wenn wir Grenzen offen halten wollen, brauchen wir auch eine klare Übereinkunft, was das Skifahren betrifft. Ansonsten wird es eine schwierige Entwicklung», sagte er am Dienstag in München. Wer in Risikogebieten Skifahren gehe, müsse zehn Tage in Quarantäne. «Mir wäre lieber, wir würden ein einheitliches Übereinkommen auf europäischer Ebene haben: keine Skilifte offen überall beziehungsweise kein Urlaub überall.»

Rückendeckung bekam Conte daneben auch von der italienischen Bergsteiger-Legende Reinhold Messner. Bis Januar mit dem Öffnen der Pisten und Betriebe zu warten, wenn es bis dahin die Ansteckungswerte erlauben sei keine Wahl, sondern ein Muss, sagte der 76-Jährige der Zeitung «La Repubblica» (Dienstag).

sda/reuters