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Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan
Alles läuft nach Putins Plan

Proteste in Jerewan: In der armenischen Hauptstadt ist die Polizei aufmarschiert, um Demonstranten, die gegen die Regierung protestieren, in Schach zu halten.
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Durch Proteste wurde Nikol Paschinjan Premierminister, Proteste könnten ihn bald aus dem Amt werfen. Er hatte die Rosenrevolution angeführt, für mehr Demokratie geworben. Keine zwei Jahre ist das her. Schon damals war klar: Egal, wie viel Veränderung er versprach, an einer Sache dürfte er nicht rühren. Er müsste Armeniens Anspruch auf die Region Berg-Karabach unnachgiebig verteidigen.

Damals war nicht abzusehen, dass Aserbeidschan einen neuen Krieg um Berg-Karabach anzetteln und mit Hilfe der Türkei gewinnen würde. Die Region gehört völkerrechtlich zu Aserbeidschan, wurde aber von Armeniern bewohnt und kontrolliert. Nun musste Paschinjan sie verloren geben. Am Mittwoch demonstrierten wieder Tausende gegen ihn in der Hauptstadt Jerewan, forderten den Rücktritt seiner gesamten Regierung noch in dieser Woche.
Es gab Zusammenstösse mit der Polizei und zahlreiche Festnahmen. Am Dienstag hatten Protestierende bereits das Regierungsgebäude gestürmt und den Parlamentssprecher spitalreif geschlagen, so gross ist ihre Frustration über die militärische Niederlage. Sie nennen den Premier einen Verräter. Ihre Logik: Wenn Paschinjan zurücktritt, gilt auch die Vereinbarung mit Aserbeidschan nicht mehr, die dieser unterschrieben hat. Mit ihr überlässt er grosse Gebiete in und um Berg-Karabach herum den Aserbeidschanern.

«Es ist die Zeit gekommen, dass das Heimatland für die Soldaten, die sich nicht geschont haben, nun selbst ein Opfer bringt.»

Nikol Paschinjan, Premierminister von Armenien

Dass Paschinjan damit vermutlich ein Blutbad verhindert hat, dankt ihm kaum jemand. Der Premier warb am Mittwoch um Verständnis dafür, dass er weitere Gefallene vermeiden wollte. «Es ist die Zeit gekommen», sagte er, «dass das Heimatland für die Soldaten, die sich nicht geschont haben, nun selbst ein Opfer bringt.» Es half nichts. Nur Arajik Harutjunjan, der Regierungschef der selbst ernannten Republik Berg-Karabach stellte sich auf seine Seite. «Wir hatten nicht genügend Mittel, nicht genügen Reserveristen oder Freiwillige», sagte Harutjunjan, und nannte die Waffenruhe richtig. Er forderte die Menschen in Jerewan auf, ihren Protest zu beenden.

Krieg verloren, Land verloren: Armenische Freiwillige vor ihrem Einsatz in Berg-Karabach. 

Nikol Paschinjan ist auch deswegen nun in Schwierigkeit, weil der Bündnispartner Russland ihm nicht zu Hilfe kam. Putins langes Zögern, in den Konflikt einzugreifen, wird von manchen auch als Strafe für die armenische Revolution interpretiert. Sicher hätte der Kremlchef nichts dagegen, wenn der frühere Rebell Paschinjan aus dem Amt verschwände. Die Armenier könnten nur sich selbst kritisieren, schrieb etwa Margarita Simonjan, Chefredaktorin des russischen Auslandsenders RT, auf Twitter. Sie hat armenische Eltern, die Kaukasusrepublik hat sie aber schon früher für deren Ungehorsam gegenüber Moskau kritisiert. Die Armenier hätten «einen nationalen Verräter» an die Macht gebracht, schreibt sie, und damit «die Voraussetzungen für diesen Krieg geschaffen».

Abhängig von russischen Soldaten

Zumindest werden die Armenier nun schmerzlich an ihre Abhängigkeit von Moskau erinnert. Berg-Karabach können sie künftig nur noch erreichen, solange die sogenannten Friedenssoldaten aus Russland die Zugangsstrasse offenhalten. Die neue Strasse wird durch ein Gebiet führen, das Aserbeidschan zurückerobert hat. Von russischen Friedenstruppen wird auch abhängen, unter welchen Umständen die armenische Bevölkerung in dem Teil Berg-Karabachs bleiben kann, den sie nicht abtreten muss.

Neben der Erleichterung in Europa darüber, dass die Kämpfe vorbei sind, betrachten viele das Abkommen als russischen Erfolg. Putin hat nicht nur seine Vormachtstellung in der Region unterstrichen. Er konnte den Konflikt lösen, ohne sich Aserbeidschan zum Feind zu machen. Putin hat dafür zwar seinen Bündnispartner Armenien fallen gelassen – damit aber gleichzeitig eine für ihn unbequeme Regierung in Jerewan untergraben. Das klingt fast, als wäre alles nach Putins Plan gelaufen.

Weder Freunde in Jerewan noch in Baku

Man kann sein Zögern jedoch auch als Schwäche deuten: Dem Kreml ist es wochenlang weder gelungen, einen Waffenstilland zu vermitteln, noch die Türkei in ihre Schranken zu weisen. Warum Moskau damit weder Freunde in Jerewan noch in Baku gewonnen hat, erklärt Kreml-Kenner Mark Galeotti so: «Selbst wenn Armenien eine neue Regierung wählt, wird diese Russland kaum als ihren Retter betrachten. Aserbeidschan verdankt seinen Triumph nicht Russland, sondern der Türkei.»

Wird der Waffenstillstand diesmal halten? Aserbeidschan fordert Kompensationszahlungen dafür, dass die zurückeroberten Gebiete zerstört sind. In Armenien droht nicht nur eine Regierungskrise, sondern auch eine Flüchtlingskrise. «Die armenische Gesellschaft ist nicht gespalten. Alle halten die Vereinbarung für verräterisch und beschämend», sagte Lewon Martirosjan, der Berater von Armeniens Präsident Armen Sarkisjan, dem russischen TV-Sender Doschd. Man müsse jetzt darauf hinarbeiten, dass die Verluste für Armenien geringer ausfallen als darin vorgesehen.