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Meinung

Kommentar zu Afrikas Sieg gegen Polio
Afrika macht Hoffnung

In Afrika, wie hier in Nigeria, sieht man noch häufig Erwachsene, die als Kinder nicht geimpft wurden und an Kinderlähmung erkrankten.
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Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass man den Sieg über die eine Seuche nicht wirklich feiern kann, weil es schon die nächste zu bekämpfen gilt. So gab es nur eine kleine Videokonferenz der Staatschefs von Subsahara-Afrika sowie jener, die diesen monumentalen Erfolg möglich gemacht und den Kontinent von Polio befreit hatten. Das sind insbesondere die Rotary-Bewegung, die Gates-Stiftung, viele lokale Aktivisten sowie die WHO. Es ist noch nicht lange her, dass jährlich 75’000 afrikanische Kinder an Kinderlähmung erkrankten und zum Teil als Folge gelähmt waren. Man sieht sie heute noch an den Rändern der Gesellschaften humpeln, oft als Bettler.

Sollte man es schaffen, dass künftig Geborene diesem Schicksal entgehen, sei das höchstens mit der Mondlandung vergleichbar, sagte der damalige nigerianische Gesundheitsminister Muhammad Ali Pate vor Jahren, als der Erfolg noch ungewiss war. Pate tourte durch den Norden des bevölkerungsreichsten Landes von Afrika, in dem Polio sich hartnäckig hielt. Er tourte durch einen idealen Rückzugsort für den Erreger, eine Region, in der die islamistischen Terroristen von Boko Haram Krankenschwestern ermordeten, die kleinen Kindern die Impfung geben wollten. Und durch Gesellschaften, in denen dem Impfen alles Mögliche nachgesagt wurde: etwa, es verursache Aids oder Unfruchtbarkeit. Auch Bill Gates wurde damals schon verdächtigt, Übles im Schilde zu führen.

Bis in die hintersten Dörfer

Trotzdem wurde weitergeimpft, wurden Milliarden Dosen verteilt, bis in die hintersten Dörfer. Mehr als ein Vierteljahrhundert dauerte der Kampf gegen Polio, der in Ländern geführt wurde, die unter Kriegen, Armut, Klimawandel und Migration litten. Und dennoch diese Mondlandung schafften. Das ist ein grossartiger Erfolg, der in vielen Regionen die medizinische Infrastruktur zumindest etwas verbessert hat. Und der wichtige Lehren für den Kampf gegen Covid-19 bereithält, wogegen es womöglich in mittelnaher Zukunft einen Impfstoff geben wird – gegen den es schon heute viele Bedenken gibt, die sich in Europa und den USA auf erstaunliche Weise mit jenen decken, die es in Afrika gegen Polio-Impfungen gab.

Unermüdliche Aufklärung

Diese Bedenken wurden in Afrika durch Beharrlichkeit und unermüdliche Aufklärung zerstreut, traditionelle Heiler machten ihren Frieden mit der Wissenschaft, die Gemeinschaften begannen, den Kampf gegen Polio als ihren eigenen anzusehen, nicht als etwas, was ihnen aufgezwungen wurde. Die afrikanischen Impfgegner waren dabei oft gar nicht gegen das Impfen an sich, sondern empfanden ihren Protest als oft einzige Möglichkeit des Widerstandes gegen «die da oben» – vielleicht nicht so viel anders als europäische Impfgegner heute. «Man braucht Wissenschaft, um Polio auszurotten. Aber es umzusetzen, ist eine Kunst», sagte Muhammad Ali Pate.

Das Kunstwerk ist gelungen, aber es ist keines, das man nun in Ruhe betrachten kann. Der Kampf muss weitergehen – und die Aufklärung. Bisher wurde nur die «wilde Polio» besiegt. Es gibt jährlich aber noch Hunderte Ansteckungen durch sogenannte Impfviren, weil den Menschen ja eine abgeschwächte Form des Virus verabreicht wird. Diese lassen zwar keine Geimpften erkranken, aber Kinder in Regionen, in denen noch nicht alle immun sind gegen Polio. Auch diese wenigen Fälle sind also ein Argument, noch mehr zu impfen. Nicht weniger.