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Brisante Recherche
Die AfD stellt im Bundestag gerne Rechtsextremisten ein

Honorary chairman of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Alexander Gauland (R) talks to co-leader of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Tino Chrupalla and co-leader of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Alice Weidel next to vice-chairman of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Stephan Brandner ahead a parliament debate over a meeting attended in November 2023 by far-right AfD members where mass deportations of foreigners were discussed, on January 18, 2024 at the Bundestag, the lower house of Parliament, in Berlin. (Photo by JOHN MACDOUGALL / AFP)
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Fünf Rechercheurinnen und Rechercheure des Bayerischen Rundfunks haben sich die Mühe gemacht, herauszufinden, wer im Bundestag so für die Alternative für Deutschland arbeitet. Weil diese Informationen nicht öffentlich sind, gestaltete sich die Suche mühselig. Akribisch prüften sie Anschriften in den vielen Bürogebäuden des Parlaments, werteten AfD-interne Listen und Verzeichnisse aus.

Das Ergebnis frappiert. Mehr als die Hälfte der 78 Abgeordneten der AfD beschäftigt demnach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem rechtsextremistischen Milieu; dazu zählen laut Bayerischem Rundfunk auch die beiden Chefs von Partei und Fraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Insgesamt hat die AfD im Bundestag für Fraktion und Abgeordnete mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt, die laut Inlandgeheimdienst verfassungsfeindlichen Gruppen angehören. Alle schätzungsweise 600 Angestellten der Partei im Parlament bezahlt der Staat – es kostet ihn mehr als 30 Millionen Euro im Jahr.

Alle rechtsextremistischen Gruppen sind vertreten

Praktisch mit dem gesamten rechtsextremistischen Umfeld der Partei, das vom Verfassungsschutz überwacht wird, ist die AfD auch im Bundestag personell verbandelt. Ihre rechtsextremistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stammen laut Recherche aus der sogenannten Neuen Rechten, der Identitären Bewegung, Gruppen wie «1 Prozent» oder Pegida, zudem aus der Szene der Neonazis, der Prepper, Reichsbürger oder Querdenker.

Der Bayerische Rundfunk hat nur Aktivistinnen und Aktivisten gezählt, die Gruppen angehören, die vom Verfassungsschutz als «erwiesen rechtsextremistisch» eingestuft werden; dazu zählen überdies die Junge Alternative, die Jugendorganisation der Partei, sowie die AfD-Landesverbände von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Manche dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AfD werden in Berichten des Inlandgeheimdienstes namentlich genannt, andere gehören zum Führungspersonal der genannten Gruppen, andere zu ihren öffentlich bekannten Exponenten.

Aus der Partei ausgeschlossen – und wieder eingestellt

Die Recherche entlarvt nicht nur die Behauptung der AfD, sie grenze sich von Rechtsextremisten ernsthaft ab, sondern zeigt auch, wie sie die Öffentlichkeit darüber belügt. In mindestens zwei Fällen hat die AfD Politiker aus der Partei ausgeschlossen, weil sie ihr zu extrem vorkamen – und danach stillschweigend als Mitarbeiter wieder eingestellt.

Der frühere Abgeordnete Frank Pasemann etwa wurde wegen antisemitischer Tweets 2020 aus der AfD verbannt, arbeitet heute laut Bayerischem Rundfunk aber für den Abgeordneten Jürgen Pohl. Marvin Neumann, ehemaliger Chef der Jungen Alternative, trat 2021 wegen seiner Aussage «Weisse Vorherrschaft ist okay» aus der Partei aus, um einem Ausschluss zuvorzukommen – und ist jetzt für den Abgeordneten Hannes Gnauck tätig.

Der mehrfach wegen Körperverletzung verurteilte Neonazi Mario Müller, der deswegen den Bundestag nicht betreten darf, arbeitet für den Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt. «Ich behalte mein Personal, so wie es ist», antwortete Schmidt dem Bayerischen Rundfunk. «Ich kann auch garantieren, dass die etablierten Parteien zu Recht Angst vor uns haben. Wir werden massgebliche Dinge verändern, wenn wir regieren.»

Alice Weidel und Tino Chrupalla wiesen die Recherche scharf zurück. «Das ist so lächerlich», sagte Weidel. Es handle sich um eine Medienkampagne zu einem Zeitpunkt, da die AfD vor Gericht gegen ihre Verleumdung als rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz kämpfe. Chrupalla sagte, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien von der Partei und vom Bundestag geprüft worden. «Das sind unbescholtene Bürger, gegen die nichts vorliegt.»

Die anderen Parteien hingegen reagierten erschüttert. Katrin Göring-Eckardt, grüne Vizepräsidentin des Parlaments, gab den Tenor auf X wieder: «Es kann nicht sein, dass Verfassungsfeinde im Deutschen Bundestag arbeiten und von dort versuchen, unsere Demokratie auszuhöhlen – bezahlt mit Steuergeld.» Auch Thorsten Frei, im Bundestag die rechte Hand von CDU-Chef Friedrich Merz, meinte: «Wir dulden im Bundestag keine Extremisten.»

Werden Zugangsregeln erneut verschärft?

Nach Störungen durch Reichsbürger, Querdenker und Klimaaktivisten hat das Parlament in den letzten Jahren den Zugang zu Gebäuden, Ausschüssen und Informationen mehrfach verschärft. Nach den Enthüllungen des Bayerischen Rundfunks will Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nun bald neue Massnahmen besprechen.

Bis anhin sind die Abgeordneten und Fraktionen bei der Anstellung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr frei. Diese werden zwar vom Bundestag bezahlt, stehen aber nicht im öffentlichen Dienst. Sie werden von der Bundestagspolizei auf ihre Rechtschaffenheit geprüft, Informationen des Verfassungsschutzes dürfen aber nicht abgefragt werden.

Grüne und Sozialdemokraten wollen dies nun ändern, um Extremisten künftig draussen zu halten. FDP und CDU äussern sich skeptisch bis ablehnend: Nur wenn sich jemand strafbar gemacht habe, solle man ihn ausschliessen können, meinen Liberale. FDP-Vize Wolfgang Kubicki warnt bereits vor der Einführung von «Gesinnungsprüfungen».