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Nach Ja zur Efas-Vorlage
Jetzt weckt eine neue Reform Ängste vor schlechteren Gesundheitsleistungen

Nicole Zielke, Fachbereichsleiterin OP Trakt Europaallee, demonstriert fuer die Medien die Arbeit im Operationssaal im neuen ambulanten Zentrum des Stadtspital Zuerich an der Europaalle anlaesslich einer Medienbesichtigung am Donnerstag, 19. Januar 2023 in Zuerich. Der auf ambulante Medizin ausgerichtete Standort des Stadtspitals Zuerich wird im Februar 2023 in Betrieb genommen werden.(KEYSTONE/Michael Buholzer)
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In Kürze:
  • Die Schweizer haben eine einheitliche Finanzierung für Gesundheitsleistungen beschlossen.
  • Ein neues Tarifsystem namens Tardoc soll 2026 eingeführt werden.
  • Es gibt Bedenken, dass das Kostendach zu Leistungseinschränkungen führen könnte.
  • Eine Befürworterin spricht dagegen von einem «gutschweizerischen Kompromiss».

Die Anreize werden in den nächsten Jahren in der Schweiz steigen, Patientinnen und Patienten für Behandlungen nicht mehr im Spital übernachten zu lassen. Das Ziel: Den Anstieg der Prämien zu bremsen. Das hat die Stimmbevölkerung am Sonntag beschlossen: Rund 53 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sagten Ja zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS). (Lesen Sie hier unseren Kommentar zum Resultat.)

Allerdings stellt die nächste grosse Reform des Gesundheitswesens eine Herausforderung für dieses Vorhaben dar. Auf 2026 planen der Bundesrat und die Gesundheitsbranche, neue Tarife einzuführen.

Der wichtigste Teil des neuen Systems heisst Tardoc. Es ersetzt das 20-jährige System Tarmed, nach dem Ärzte und Spitäler bis heute abrechnen – und das völlig veraltet ist. Einige Leistungen sind aufgrund des technologischen Fortschritts günstiger geworden, als sie heute verrechnet werden. Andere werden heute deutlich zu günstig verrechnet. Durch die Änderungen sollen die Vergütungen fairer werden.

Gleichzeitig sollen Fallpauschalen für gewisse standardisierte Behandlungen Anreize für effizientes Arbeiten setzen. Es geht beispielsweise um Operationen, die mithilfe einer teuren Infrastruktur durchgeführt werden. 

Umstrittener Kostendeckel von 1,5 Prozent

All diese Veränderungen gelten nur für die ambulante Versorgung. Beobachter befürchten, dass diese dadurch für die Spitäler unattraktiver sein könnte. Es ist also genau jener Bereich betroffen, den die angenommene Reform vom Sonntag stärken will.

Der Grund liegt in den finanziellen Vorgaben für die neuen Tarife. Bei der Einführung dürfen sie keine höheren Kosten verursachen als das bisherige Modell. Total werden für ambulante Leistungen in Arztpraxen und Spitälern heute rund 13 Milliarden Franken pro Jahr verrechnet.

Umstritten ist insbesondere, dass es einen Kostendeckel geben soll: Nicht mehr als 1,5 Prozent pro Jahr dürfen die Kosten zunehmen. Darin ist auch der medizinische Fortschritt eingerechnet, also zum Beispiel bessere und teurere Medikamente. Wenn jedoch mehr Leute ins Spital gehen, also eine reine Mengenausweitung zu höheren Kosten führt, fliesst das nicht in die Rechnung ein.

Wenn das 1,5-Prozent-Ziel überschritten wird, muss der Kostendeckel fürs Folgejahr entsprechend sinken. Massgebend ist jeweils die Zielerreichung auf Bundesebene.

Gleiche Argumentation wie bei der Initiative der Mitte-Partei

Zustande gekommen ist dieses Kostendach auf Druck des Bundesrats. Er zwang die Leistungserbringer, sprich die Kassen, Ärzte und Spitäler, sich zusammenzusetzen und bis Anfang November entsprechende Vorschläge zu machen. Einige davon sind damit unzufrieden, wie man aus der Branche hört. Doch wenn sie nicht gespurt hätten, hätte der Bundesrat das Kostendach einfach selbst verfügt – möglicherweise in noch strengerer Form. Offiziell wurde über all das noch nicht kommuniziert. Zurzeit beurteilt das Bundesamt für Gesundheit die eingereichten Vorschläge.

Die grosse Frage ist: Was passiert, wenn der Kostendeckel überschritten wird? Gesundheitsfachmann Felix Schneuwly, der für den Krankenkassen-Vergleichsdienst Comparis arbeitet, sagt: «Die Gefahr besteht, dass die Ärzte und Spitäler entweder die Personalkosten auf übertriebene Weise zu drücken versuchen oder gewisse Leistungen gar nicht mehr anbieten.»

Das erinnert an die Diskussion rund um die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Sie wollte das Wachstum der Gesundheitskosten unter das Lohnwachstum drücken. Ein wichtiges Gegenargument war das Risiko einer Rationierung der Leistungen. Die Stimmbevölkerung lehnte die Vorlage im Juni mit 63 Prozent Nein-Stimmen ab. Schneuwly sagt: «Auch jetzt handelt es sich wieder um populistischen Unsinn, mit dem die Politik mit schlechten Ideen die Gesundheitskosten drücken will.»

Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte bei Comparis, spricht an einer Medienkonferenz zur Praesentation der Resultate der KOF-Prognose der Gesundheitsausgaben, am Dienstag, 19. November 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

«Auch wenn noch nicht alle Details geklärt sind: Mit dem neuen Tarifsystem könnte der Ausbau des ambulanten Bereichs für uns zum Risiko werden – das können wir nicht schönreden», gibt Kristian Schneider zu bedenken. Schon heute sei der ambulante Bereich für die meisten Spitäler bei weitem nicht kostendeckend, sagt der Chef des Spitalzentrums Biel und Vizepräsident des Spitalverbands H+: «Wenn wir aufgrund des Kostendachs negative Konsequenzen befürchten müssen oder die Qualität nicht gewährleisten können, müssen wir die Ambulantisierung gegebenenfalls verlangsamen.»

Das Bundesamt für Gesundheit antwortete am Sonntag nicht auf die geäusserte Kritik. Verena Nold, als Direktorin des Krankenkassenverbands Santésuisse an der Ausarbeitung des neuen Kostendachs aktiv beteiligt, spricht dagegen von einem «gutschweizerischen Kompromiss», auf den sich Kassen, Ärzte und Spitäler geeinigt hätten.

Nold hält es für unwahrscheinlich, dass die Kosten so aus dem Ruder laufen, wie die anderen Kommentatoren es befürchten. Sollte das trotzdem geschehen, könne man das System anpassen. Nold: «Die Ängste sind nicht gerechtfertigt.»