Vorlage vom 9. FebruarDie wichtigsten Fragen und Antworten zur Umweltverantwortungs-Initiative
Gegner warnen vor der «Verarmungsinitiative», Befürworter wollen eine «unwiderrufliche Zerstörung unserer Lebensgrundlagen» verhindern. Worum es bei der Vorlage geht.
- Die Umweltverantwortungsinitiative fordert eine nachhaltige Ressourcennutzung innerhalb planetarer Grenzen.
- Befürwortende argumentieren für weniger Umweltbelastung und eine zukunftsfähige Wirtschaft.
- Gegner befürchten wirtschaftlichen Schaden durch steigende Produktionskosten und Preise.
- Die Umsetzungsmassnahmen und ihre Auswirkungen auf den Lebensstil bleiben unklar.
Worüber stimmen wir am 9. Februar ab?
Zur Abstimmung steht diesmal nur eine Vorlage: die Umweltverantwortungsinitiative, kurz UVI. Ihre offizielle Bezeichnung lautet «Volksinitiative für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen». Eingereicht hat sie die Allianz für Umweltverantwortung, an deren Spitze die Jungen Grünen stehen.
Die UVI fordert, «dass wirtschaftliche Tätigkeiten nicht mehr Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, als für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen erlaubt sind». Sie nimmt damit Bezug auf das Konzept der planetaren Grenzen, dass also die Ressourcen der Erde endlich sind und die Menschheit damit nachhaltig umgehen sollte. Die Forderung ist, dass die Schweizer Bevölkerung die Umwelt nur noch so stark belastet, wie es ihr gemessen an der Bevölkerungszahl zusteht. Die Initianten nennen die Bereiche «Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreintrag».
Bei einer Annahme der Vorlage durch Volk und Stände müsste die Politik Massnahmen treffen, um die formulierten Ziele innert zehn Jahren zu erreichen.
Wer ist dafür und warum?
Die Jungen Grünen erhalten Unterstützung von ihrer Mutterpartei sowie der SP und der EVP. Auch verschiedene Nichtregierungsorganisationen und Vereine wie Greenpeace oder die Klimaseniorinnen sind als Unterstützer aufgeführt.
Die Initianten argumentieren damit, dass die Initiative verlange, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: «die Lebensgrundlagen der Menschheit zu erhalten», statt sie weiter zu zerstören.
Manche der aktuellen Veränderungen in den Ökosystemen könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden, weswegen jetzt gehandelt werden müsse. Bereits im Jahr 2023 habe es in der Schweiz 500 hitzebedingte Todesfälle gegeben; die Unwetter im Sommer 2024 hätten neben Menschenleben Schäden in Höhe von mehreren 100 Millionen Franken zur Folge gehabt.
Den Befürwortern der Initiative geht es jedoch nicht nur darum, Schaden abzuwenden. Weniger Umweltbelastung führe zu sauberem Trinkwasser, besserer Luft und gesunden Lebensmitteln. Zudem würden so die Weichen für eine zukunftsfähige Wirtschaft gestellt; einige Unternehmen dürften davon profitieren, argumentieren die Initianten.
Wie stellen sich die Befürwortenden die Umsetzung der Initiative vor?
Die Initianten fordern einen grundlegenden Wandel der Wirtschaft. Für sie soll Schluss sein mit dem «Profitstreben der Grosskonzerne». Diese und die reichsten Mitglieder der Bevölkerung sollen für die geforderten Umwälzungen bezahlen. Haushalte mit tiefem Einkommen sollen dagegen nicht belastet werden. KMU sollen zudem mit staatlichen Mitteln bei der Umstellung auf eine nachhaltige Produktionsweise unterstützt werden.
Mit welchen Massnahmen all das genau geschehen soll, bleibt allerdings weitestgehend unklar. Die Initianten schlagen eine «Ausbildungsoffensive», die «Förderung nachhaltiger Arbeitsplätze und Investitionen in ökologische Verkehrswege» vor.
Das dürfte allerdings nicht reichen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Zusätzlich bräuchte es wohl wirtschaftliche Anreize oder gar Verbote. Das würde sich deutlich auf den heutigen Lebensstil der Bevölkerung auswirken, insbesondere was das Wohnen, die Mobilität und den Konsum angeht.
Wie weit lebt die Schweiz über ihre Verhältnisse?
Der Bund stützt sich im Abstimmungsbüchlein auf eine Studie, die externe Büros 2022 für ihn erstellt haben. Die Daten stammten von 2018. Laut diesen müsste die Schweiz ihre Gesamtumweltbelastung um zwei Drittel senken, damit es für den Planeten nachhaltig wäre. Im Bereich der Biodiversität und insbesondere der Treibhausgase ist dieser sogenannte Fussabdruck der Schweiz sogar noch schlechter. (Anmerkung: Hier hiess es ursprünglich, die Schweiz liege zwei Drittel über dem Zielwert. Das ist jedoch eine andere, zu optimistische Aussage.)
Wer ist dagegen und warum?
Die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände setzen sich für ein Nein ein. Auch der Bundesrat und das Parlament haben sich gegen die Initiative ausgesprochen. Im Parlament bodigten sie auch einen Gegenvorschlag der Linken: Dieser forderte, dass die Grundanliegen der Initiative aufgenommen, allerdings keine Frist für die Umsetzung aufgestellt würde.
Aus Sicht der Gegner sind diese Grundsätze schon wiederholt in der Verfassung verankert – einen weiteren Artikel dazu brauche es nicht. Die Verfassung formuliert als Ziele zum Beispiel die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen oder ein «ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits». Für die Erreichung dieser Ziele habe die Politik bereits eine Vielzahl von Massnahmen im Energie-, Verkehrs- oder Landwirtschaftssektor eingeführt.
Die Gegner warnten in der Woche vor Weihnachten an einer Medienkonferenz, es handle sich um eine «Verarmungsinitiative» mit grossem Schadenpotenzial für die Schweizer Wirtschaft. Für gewisse Produkte käme es zu Konsumverboten, für andere würden die Preise um ein Vielfaches steigen. Eier oder Benzin würden beispielsweise über viermal teurer, stand auf Kampagnensujets. Das ist zwar nicht unmöglich. Eine präzise Begründung oder eine Berechnung, warum genau dieser Fall eintreten sollte, können die Gegner jedoch nicht liefern. Mit welchen Massnahmen die Politik die Initiative umsetzen würde und welche Konsequenzen das hätte, ist nämlich offen.
Der Bundesrat warnt zudem vor negativen Folgen für die Unternehmen, da bei der Umsetzung der Vorlage die Produktionskosten steigen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit sinken würden. Bei diesen Einschnitten dürfte zur Nebensache werden, dass die Schweiz durch strenge Vorgaben in verschiedenen Bereichen auch ihre zahlreichen Handelsabkommen mit Partnerländern verletzen dürfte.
Wie stehen die Chancen der Initiative?
Die UVI ist eine von mehreren Volksbegehren von weit links, die in den letzten Jahren an die Urne kamen. Sie hat ähnliche Ziele und Unterstützerinnen wie beispielsweise die Trinkwasser- und die Pestizidinitiativen (beide 2021) oder die Biodiversitätsinitiative (vergangenen September). Die Stimmbevölkerung lehnte die Vorlagen jeweils deutlich ab. Die erste Tamedia-Umfrage zeigt, dass die Skepsis auch bei der UVI gross ist: Nur 34 Prozent wollen Ja sagen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.