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Enttäuschender Emmanuel Macron
Abgesänge auf den grossen Reformer

Er war als Erneuerer Frankreichs angetreten: Präsident Emmanuel Macron bei einer Ansprache Ende Mai in Le Touquet im Norden Frankreichs.
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Man muss die Witze von Jean-Marie Bigard nicht kennen, um Frankreich besser zu verstehen. Interessanter als seine Pointen, betont vulgär und selten originell, ist die Tatsache, dass der Komiker und Schauspieler Bigard laut darüber nachdenkt, ob er nicht Präsident werden könnte. Eine absolute Quatschidee, über die dennoch berichtet wurde, als handle es sich um ein politisches Manöver.

Frankreich reagiert mit zwei Reflexen auf das medizinische, wirtschaftliche und soziale Corona-Elend: Es arbeitet sich an seinem Präsidenten ab. Und es sucht den nächsten mächtigen Mann (Frauen kommen in diesen nationalen Rettungsdiskursen nicht vor), der endlich alles richtig machen könnte.

Die Namen, mit denen dabei jongliert wird, zeigen, wie wenig die Franzosen ihren Politikern noch vertrauen. Mal werden Präsidentschaftshoffnungen in den zum Viren-Guru aufgestiegenen Mediziner Didier Raoult projiziert, mal in den Fernsehstar und Umweltschützer Nicolas Hulot. Hauptsache, der aktuell Erwählte steht allen relevanten Parteien fern.

Zentralismus als Problem

Emmanuel Macron taucht in diesen Fantastereien nur noch als Gescheiterter auf. Als sei er persönlich und allein für die hohe Zahl der Seuchentoten verantwortlich. Die herausgehobene Stellung des französischen Präsidenten hat gerade in Krisenzeiten einen hohen Preis, die Verantwortung lässt sich schwer verteilen.

Und so wird der Abgesang auf Macron von einem Abgesang auf den Zentralismus begleitet. Frankreich schaut in diesen Wochen mit einer Mischung aus Ärger und Bewunderung auf Deutschland. Reihenweise loben französische Kommentatoren den deutschen Föderalismus. Dabei entscheiden sie sich für eine ähnliche Strategie wie diejenigen, die bei Bigard oder Raoult die Lösung suchen. Sie plädieren für einen radikalen Wandel. Das Bestehende werten sie ab.

Tatsächlich wäre es gut, wenn die Pandemie dazu führen würde, dass Frankreichs Regionen mehr politische Verantwortung übernehmen können. Der wirtschaftliche Aufstieg von Städten wie Bordeaux, Nantes oder Lyon zeigt, wie stark das Land auch jenseits von Paris sein kann. Gleichzeitig sind die Bürgermeister diejenigen Politiker, denen die Franzosen mit Abstand am meisten vertrauen.

Showeffekte statt Reformen

Macrons Problem liegt weniger darin, dass er als Krisenmanager gescheitert wäre. Es gab keinen Zusammenbruch der medizinischen Versorgung wie in Italien, kein würdeloses Hickhack zwischen Herdenimmunität und Lockdown wie in Grossbritannien und kein Leugnen der Gefahr wie in den USA.

Die Konsequenzen, die Macron aus der erneuten radikalen Kritik an seiner Politik und vor allen Dingen an seiner Person ziehen sollte, verspricht er selbst seit drei Jahren: Dezentralisierung fördern, demokratische Prozesse stärken, Kompromisse suchen und nicht durchregieren. Statt diese Versprechen einzulösen, verliert Macron sich in Showeffekten. Dies galt auch für die Ausgangsbeschränkungen. Sie waren extrahart, als erwachse aus dieser Härte eine höhere Legitimität des Staates.