Abfahrt in St. Anton«So wenig wie möglich denken» – eine 21-jährige Schweizerin schafft die Sensation
Malorie Blanc rast bei ihrem erst zweiten Weltcuprennen aufs Podest. Nur ein Jahr nach einer schweren Verletzung. Auch Lindsey Vonn verblüfft.
Es ist ein Gespräch Mitte November in einem Bistro in Visp. Didier Plaschy, Experte bei SRF und Nachwuchstrainer im Wallis, redet über die grossen Talente aus seiner Region. Irgendwann fällt der Name Malorie Blanc. Sie sei eine, die keine Angst kenne, sagt der einstige Slalom-Spezialist. Es schwingt Bewunderung mit in seinen Worten. Aber auch etwas Sorge.
Es ist Mitte Januar in St. Anton. Blanc steht am Start der zweiten Abfahrt des Winters, für sie ist es das zweite Weltcuprennen überhaupt, nachdem sie vor drei Wochen beim Super-G in St. Moritz nicht ins Ziel gekommen ist. Blanc trägt die Nummer 46. Unten im Ziel freuen sich drei Athletinnen schon auf die Siegerehrung, Federica Brignone, Ester Ledecka und Laura Pirovano spüren vielleicht schon den prickelnden Champagner auf ihren Zungen.
Dann stösst sich die erst 21-Jährige Schweizerin aus dem Starthaus und stürzt sich die schwierige Karl-Schranz-Piste hinunter, als müsste sie die Worte von Plaschy auf jedem Meter bestätigen. Es hat geregnet und geschneit in Tirol, die Piste ist weich und rutschig. Mancher Favoritin ist das zum Verhängnis geworden. Blanc fährt, als gäbe es nichts Leichteres.
Sämtliche Schlüsselstellen meistert sie mit einer Lockerheit, die verblüfft. Zwischenzeitlich ist sie gar schneller als Leaderin Brignone. Als sie ins Ziel rast, ballt die Italienerin ihre Fäuste und jubelt über ihren ersten Sieg in einer Abfahrt nach sieben Podestplätzen. Doch vor allem hallen die Schreie von Blanc durch den Zielraum. Zweite ist sie geworden, nur sieben Hundertstel hinter der Ausnahmeathletin aus Mailand. Das einen Coup zu nennen, ist noch untertrieben, es ist eine Sensation.
Vor einem Jahr riss Blanc das Kreuzband
Erst recht, da dem Grosstalent noch im vergangenen Februar das vordere Kreuzband im linken Knie sowie der Aussenmeniskus rissen – daher auch die etwas sorgenvollen Worte von Plaschy.
Nicht einmal zwei Wochen davor hatte Blanc ihre bis dahin schönsten Tage ihrer noch jungen Karriere erlebt. Im französischen Châtel schlug sie an der Juniorinnen-WM so richtig zu, holte Gold im Super-G, Silber in der Abfahrt und auch noch Gold in der Teamkombination zusammen mit Anuk Brändli.
Dass sie nun bereits wieder zu Grossem fähig sein könnte, bewies Blanc am Donnerstag im einzigen Training in St. Anton mit Rang 4. Der ganz grosse Auftritt folgt dann an diesem Samstagmittag.
Gegenüber SRF sagt Blanc: «Es ist schwierig, die Worte zu finden, ich habe noch nicht verstanden, was passiert ist. Ich habe einfach versucht, am Start so wenig wie möglich zu denken, Spass zu haben und locker zu bleiben. Ich weiss nicht, wieso das geklappt hat.» Es ist oft so mit den grössten Talenten: Sie wissen nicht recht, wieso sie so schnell sind, weil sie die Grundgeschwindigkeit einfach in sich tragen.
So ist das bei Blanc. So war das in jungen Jahren auch bei Lindsey Vonn, die ebenfalls bekannt ist für ihre kompromisslose Fahrweise. In St. Anton bestreitet die 40-Jährige ihre erste Abfahrt seit fast sechs Jahren. Und stiehlt den besten Abfahrerinnen der Gegenwart dann fast die Show: Vonn fährt mit der Startnummer 32 auf Rang 6 und ist das grosse Gesprächsthema – bis eine junge Walliserin ihren Auftritt hat, die noch nicht einmal auf der Welt war, als Vonn längst ihre ersten Rennen im Weltcup bestritten hatte.
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Der Ticker zum Nachlesen – 46 Malorie Blanc
Aufgepasst auf die 21-jährige Schweizerin. Blanc hat schon im Training geglänzt, was gelingt ihr heute. Sie ist oben unglaublich schnell, Fünfte bei der zweiten Zwischenzeit. Und dann führt sie gar mit 8 Hundertsteln Vorsprung, das ist unglaublich. Gibt das die Sensation? Rang 2 für Malorie Blanc, sie verpasst den Sieg nur um 7 Hundertstel! Das war ganz stark.
32 Lindsey Vonn
Jetzt sind wir gespannt auf den Auftritt der einstigen Speed-Queen. Was zeigt die 40-jährige Amerikanerin bei ihrer ersten Abfahrt seit fast sechs Jahren? Sie legt schon einmal fulminant los, ist 8 Hundertstel schneller als Brignone. Und auch bei der zweiten Zwischenzeit ist sie voll dabei, gerät dann etwas tief, ist aber immer noch Dritte. Zu was reicht das? Zu Rang 5, das ist unglaublich stark, sie jubelt im Ziel wie eine Siegerin.
31 Alice Robinson
Die Riesenslalomspezialistin aus Neuseeland versucht sich heute wieder einmal in einer Abfahrt. Und die 23-Jährige riskiert sehr viel, allerdings geht es nicht immer auf für Robinson. Sie rutscht immer wieder weg. Robinson setzt sich auf Zwischenrang 26 mit genau 2 Sekunden Rückstand.
30 Ricarda Haaser
Die Österreicherin war Fünfte in Beaver Creek, so gut wie noch nie in einer Abfahrt. Was zeigt sie beim zweiten Rennen dieser Disziplin? Nicht allzu viel Gutes. Haaser liegt derzeit nur auf Rang 21.
29 Joana Hählen
Die nächste Schweizerin ist gestartet. Das Team bräuchte noch eine gute Fahrt, derzeit liegt Gut-Behrami als beste Schweizerin auf Rang 10. Hählen versucht zu attackieren, doch sie trifft oft die perfekte Linie nicht. Zu oft. Die Bernerin verliert 1,94 Sekunden, ist 25. und Vorletzte.
28 Isabella Wright
Die nächste Draufgängerin ist unterwegs. Wright ist im Training gestürzt, wie hat sie das weggesteckt? Einigermassen. Die Amerikanerin liegt auf Zwischenrang 22.
27 Ester Ledecka
Die Frau, der in Pyeongchang 2018 das Kunststück gelang, mit dem Snowboard und mit Ski Olympia-Gold zu gewinnen, startet sehr schnell. Die Super-G-Olympiasiegerin beweist, dass auch auf dieser gezeichneten Piste noch einiges möglich ist. Die Tschechin riskiert alles und setzt sich auf Rang 2 mit nur 18 Hundertsteln Rückstand, das war jetzt ganz stark.
26 Valérie Grenier
Die erste und einzige Kanadierin kommt überhaupt nicht zurecht mit dieser Abfahrt. Die begnadete Technikerin verliert fast drei Sekunden und ist klar Letzte.
Und bald kommt der Auftritt von Lindsey Vonn. Die einstige Speed-Queen startet mit der Nummer 32. Ob sie die Podestfahrerinnen noch einmal ins Zittern bringt?
25 Romane Miradoli
Die Französin verliert schon oben extrem viel Zeit. Letztlich sind es 1,27 Sekunden, das gibt nur Rang 18. Miradoli muss auf den Super-G vom Sonntag hoffen, der ohnehin ihre bessere Disziplin ist.
24 Elvedina Muzaferija
Die Bosnierin war eine der Aufsteigerinnen des letzten Winters, in Crans-Montana wurde sie Vierte. In dieser Saison allerdings läuft es Muzaferija noch nicht gewünscht. Und auch in dieser zweiten Abfahrt büsst sie viel Zeit ein. Mit 1,72 Sekunden Rückstand ist sie nur schneller als Durrer: Rang 20.
23 Delia Durrer
Die 22-jährige Nidwaldnerin mag zwar weiche Pisten wie hier in St. Anton nicht sonderlich, allerdings fällt sie immer wieder auf mit einem ganz feinen Fahrstil. Doch das ist heute nichts für Durrer. Sie verliert viel Zeit, im Ziel sind es 1,84 Sekunden, Rang 20, sie ist damit Letzte.
22 Emma Aicher
Das Grosstalent aus Deutschland, das sämtliche Disziplinen bestreitet, kommt nicht allzu weit. Die schwierige Linkskurve, die bald nach dem Start kommt, wird ihr zum Verhängnis. Eigentlich bereitete dieses Tor nur den Fahrerinnen Mühe, die eine frühe Startnummer hatten. Aber Aicher fällt an dieser Stelle aus.
21 Lauren Macuga
Die Amerikanerin ist bekannt für ihren wilden Fahrstil. Hier glänzt sie aber mit Geduld, und es zahlt sich aus: Macuga liegt auf Zwischenrang 6 und jubelt, als hätte sie gewonnen.
20 Christina Ager
Vier ihrer österreichischen Teamkolleginnen liegen hintereinander auf den Rängen 3 bis 6. So weit nach vorne geht es für Ager nicht, sie ist 17. und damit Vorletzte.
19 Kira Weidle-Winkelmann
Die erste von drei Deutschen in dieser Abfahrt ist gestartet. Weidle-Winkelmann, die seit ihrer Hochzeit im Sommer einen etwas komplizierteren Namen trägt, schlägt sich ordentlich. Mit 86 Hundertsteln Rückstand ist sie um eine Hundertstel schneller als Lara Gut-Behrami und auf Zwischenrang 7.
18 Nicol Delago
Zwei ihrer Teamkolleginnen führen, und auch Delago kommt oben ordentlich zurecht mit dem Kurs. Im Ziel sind es aber 1,42 Sekunden Rückstand, sie übernimmt damit die rote Laterne von Michelle Gisin.
17 Ariane Rädler
Rädler legt ganz stark los – wird sie den beiden Italienerinnen an der Spitze gar gefährlich? Die schwierige Piste meistert sie problemlos. Doch auch sie verliert im Schlussabschnitt viel Zeit und setzt sich auf Zwischenrang 6.
16 Michelle Gisin
Die Allesfahrerin hat vor allem in den technischen Disziplinen bislang Mühe. Im Speed läuft es etwas besser für sie. Nicht in St. Anton. Vor allem im unteren Teil verliert die Schweizerin viel Zeit. Es reicht nur zu Rang 14, Gisin ist damit Letzte.
15 Stephanie Venier
Die nächste Österreicherin ist gestartet. Venier ist die letzte Fahrerin der Top-Gruppe. Durch alle schwierigen Passagen kommt sie mühelos, allerdings ist sie auch etwas vorsichtig unterwegs. Auf dem unteren Abschnitt aber riskiert Venier viel – und es geht auf: Rang 3 mit 51 Hundertsteln Rückstand. Gut-Behrami ist damit noch Sechste.
14 Federica Brignone
Auf sie sind wir besonders gespannt. Brignone mag solche Bedingungen, wie sie heute am Arlberg herrschen. Beim einzigen Training war sie schon die Schnellste. Und die Mitfavoritinnen sind alle auf die eine oder andere Art gestrauchelt. Brignone führt bei der dritten Zwischenzeit mit 15 Hundertsteln Vorsprung, rutscht dann aber leicht weg. Reicht das? Ja, Rang 1 mit gleich 43 Hundertsteln Vorsprung.
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