Vincenz-Prozess im TickerHappiges Urteil: Gefängnisstrafe für Vincenz und seinen Partner
Das Bezirksgericht Zürich hat den ehemaligen Raiffeisen-Chef wegen Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 3,75 Jahren verurteilt. Vincenz-Anwalt Erni will Berufung einlegen.
Das Wichtigste in Kürze
Die 9. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich unter dem Vorsitz von Richter Sebastian Aeppli hat Pierin Vincenz der mehrfachen Veruntreuung, mehrfachen qualifizierten untreuen Geschäftsbesorgung und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig gesprochen.
Vincenz wird zur einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Strafe soll vollzogen, die Untersuchungshaft von 106 Tagen angerechnet werden.
Vincenz-Geschäftspartner Beat Stocker wird zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die Anklage hatte für die beiden Hauptbeschuldigten je sechs Jahre Freiheitsentzug gefordert. Die Verteidigung wollte einen Freispruch.
Das Urteil ist nach ersten Einschätzungen überraschend hart ausgefallen.
Vincenz-Anwalt Lorenz Erni hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen
Raiffeisen wollte einsteigen
Borbély erklärt, weshalb die Geschäfte rund um Investnet nicht mit der Absicht eingegangen wurden, um hinter dem Rücken von Raiffeisen Geld zu machen. Vielmehr sei es der Wunsch von Raiffeisen gewesen, Investnet zu kaufen und ihr Problem mit der eigenen Beteiligungsfirma KMU Capital zu lösen. Etter und Wüst wollten ein gestaffeltes Vorgehen, bei dem Raiffeisen eine Call-Option zur Übernahme von Investnet eingeräumt werden sollte. Dabei ging es nur um die Rolle nicht diejenigen von Vincenz. Eine Beteiligung des ehemaligen Raiffeisen-Chefs stand nicht zur Debatte. Investnet sei erfolgreich gewesen und hatte es nicht nötig, irgendwelche Marktbeeinflussungen zu tätigen.
Anklage basiere auf lebensfremden Tatsachen
Nach der Mittagspause folgt das Plädoyer des Verteidigers von Andreas Etter. Die Einschätzung zur Klageschrift von Anwalt Cornel Borbély ist vernichtend: “Die Anklage basiert auf lebensfremden Hypothesen. Jede Behauptung der Staatsanwaltschaft kann einfach widerlegt werden.”
Mittagspause bis 13.30
Damit endet das Plädoyer des Anwalts des Investnet-Gründers Peter Wüst. Wüst selbst ist aufgrund seiner Erkrankung nicht verhandlungsfähig.
Richter Aeppli unterbricht den 6. Verhandlungstag für die Mittagspause, die bis 13.30 geht. Am Nachmittag folgt unter anderem das Plädoyer des Anwalts vom zweiten Investnet-Gründer, Andreas Etter. Es ist auf vier Stunden angesetzt.
Peter Wüst ist ein gebrochener Mann
Am Ende seiner Ausführungen schildert Anwalt Aslantas, welche Folgen das Verfahren für seinen Mandanten hatte: «Die letzten 4 Jahren haben das Leben meines Mandanten zerstört», sagt er. Wüst leide unter Depressionen und dies habe zu einer irreversiblen Nervenkrankheit geführt. Seine Ehe sei nach 40 Jahren zerbrochen. Wüst müsse jetzt in einer Einrichtung für betreutes Wohnen leben. Er habe nicht einmal mehr ein Bankkonto eröffnen können, da Banken haben ihm dies wegen des Strafverfahrens verweigert hätten.
Das Zwischenfazit
Wüsts Anwalt fasst seine bisherigen Ausführungen damit zusammen, dass die Anklage gegen seinen Mandaten wie gezeigt haltlos sei. Es gebe keine Belege dafür, dass sein Mandat Stocker und Vincenz geschmiert habe, damit Vincenz seinen Einfluss nutzt, um den Investnet-Deal durchzudrücken.
Anwalt Aslantas beginnt nun mit den rechtlichen Würdigungen, die recht technisch sind.
Interne Absprachen
Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass Vincenz und Stocker sich beim Invest-Deal abgestimmt hätten. Doch was wussten die Beschuldigten Wüst und Etter davon, die Investnet-Gründer?
Nichts, argumentiert Wüsts Anwalt Aslantas. Und verweist auf ein abgehörtes Telefonat zwischen Stocker und Vincenz vom 21. Februar 2018. In dem Gespräch ging es um das Binnenverhältnis zwischen Vincenz und Stocker. Stocker habe in dem Gespräch zu Vincenz gesagt, dass noch offen sei «wie wir das den beiden kommunizieren». Mit den beiden seien Wüst und Etter gemeint.
Stocker habe in dem Gespräch ferner gesagt, dass er nicht wolle, dass die Investnet-Gründer Vincenz und Stocker «zu einem Päckchen machen», also, ihnen Absprachen unterstellen.
Das Telefonat beweise, dass Wüst und Etter keinerlei Kenntnis von gemutmassten Absprachen zwischen Stocker und Vincenz hatten. Und wenn sie keine Kenntnis dazu hatten, könne es folglich nicht sein, dass Wüst und Etter Stocker schmierten, damit dieser Einfluss auf Vincenz nehme.
Die berühmten 2,9 Millionen Franken
Jetzt behandelt der Anwalt von Wüst noch einmal die schon fast legendäre Zahlung von Stocker an Vincenz, welche die gesamte Affäre ins Rollen brachte.
Im Sommer 2015 zahlte Stocker Vincenz auf dessen Konto bei Raiffeisen Lugano 2,9 Millionen Franken. Ein Jahr später machte der Blog «Inside Paradeplatz» diese Zahlung öffentlich. Laut Staatsanwaltschaft sei das Geld der Erlös aus dem Verkauf von Vincenz heimlicher Unterbeteiligung an Investnet.
Laut Wüsts Anwalt habe sein Mandat erst durch den Medienbericht von dieser Zahlung erfahren. Er habe sich dann bei Stocker über die Hintergründe erkundigt, dieser habe ihm erklärt, dass es sich dabei um ein Privatdarlehen handelt, damit Vincenz im Tessin ein Haus kaufen kann.
Stocher habe Wüst zudem bestätigt, dass Vincenz keine Unterbeteiligung an Investnet damals gehabt habe. Dies, so Anwalt Aslantas, war Stocker auch verboten. Denn der Treuhandvertrag zwischen Wüst, Etter und Stocker zu Stockers Investment-Anteile sah vor, dass Stocker die finanziellen Vorteile aus der Beteiligung nicht ohne Zustimmung der anderen Vertragsparteien weiter reichen dürfe.
Wofür bekam Stocker seine Investnet-Anteile?
Die Investnet-Gründer Wüst und Etter beteiligten Stocker mit rund 13 Prozent an Investnet. Laut Staatsanwaltschaft habe Stocker die Hälfte davon treuhänderisch für Vincenz gehalten.
Doch wofür bekam Stocker die Anteile überhaupt? Was war die Gegenleistung? Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass Stocker als Gegenleistung für die Aktien den Kontakt zu Vincenz hielt, damit der damalige Raiffeisen-Chef den Investnet-Deal bei Raiffeisen durchdrückt.
Falsch, argumentiert Wüsts Verteidiger Aslantas. Wüst und Etter hatten einen Kredit bei Raiffeisen aufgenommen, um einen anderen Minderheitsaktionär auszukaufen. Stocker hatte das Risiko für einen grossen Teil dieses Kredits übernommen. Zudem habe er rund 400.000 Franken für die Investnet-Anteile bezahlt. Es gebe also sehr wohl eine finanzielle Gegenleistung für Stockers Beteiligung. Dass Stocker die Investnet-Anteile bekam, habe also nichts mit Bestechung zu tun, so der Anwalt.
Kein Grund für Bestechung
Anwalt Aslantas versucht Punkt für Punkt zu belegen, dass die Behauptung, Wüst und Etter hätten Vincenz mit Hilfe von Stocker bestochen, haltlos sei.
Hier geht es um die «Put»-Option: Die Verträge mit Raiffeisen sahen vor, dass die Investnet-Minderheitsaktionäre – also Wüst und Etter – das Recht bekamen, Raiffeisen ihre Anteile anzudienen, das ist eine so genannte «Put»-Option.
Die Staatsanwaltschaft argumentiere nun, dass Wüst und Etter Stocker Anteile an Investnet zuschanzten, damit dieser auch Vincenz beteiligt. Das Ziel: Vincenz sollte seinen Einfluss geltend machen, damit die Raiffeisen-Gremien die Risiken aus dem Investnet-Deal nicht genau anschauen.
Konkret, die Gremien sollten im Unklaren bleiben, welche finanziellen Risiken Raiffeisen einging, weil Raiffeisen den Investnet-Aktionären dieses Andienungsrecht («Put»-Option) einräumte.
Diese Argumentation fällt aus Sicht von Wüsts Anwalt in sich zusammen. Denn die fragliche «Put»-Option war allen Beteiligen, wie dem früheren Finanzchef Marcel Zoller, bekannt. Sie war auch dem Verhandlungsteam von Raiffeisen, das den Investnet-Deal aushandelte, bekannt Es gab damit überhaupt keinen Grund, irgendeine Bestechung zu versuchen, so die Argumentation des Anwalts.
Es geht weiter
Die Pause ist vorbei, Peter Wüsts Anwalt Fatih Aslantas setzt sein Plädoyer fort und hangelt sich durch die Details zur Übernahme von Investnet durch Raiffeisen. Er erläutert, welche Kaufrechte («Call») Raiffeisen bekam und welche Verkaufsrechte («Put») die Investnet-Eigner erhielten.
Konkret geht es dabei darum, unter welchen Bedingungen Wüst und Etter Raiffeisen ihre verbliebenen Investnet-Anteile andienen durften.
Dieser Punkt lässt sich abkürzen, laut Aslantas sei Raiffeisen hierbei nicht übervorteilt worden, auch der spätere Raiffeisen-Chef Patrik Gisel habe in seiner Einvernahme bestätigt, dass bei diesen Verträgen alles korrekt gewesen sei.
Das wiederum belegt aus Sicht der Verteidigung, dass Wüst und Etter überhaupt keinen Anlass gehabt haben, Vincenz und Stocker zu bestechen.
Die Verträge aus dem Jahr 2012 waren das «Resultat von Verhandlungen von Partnern auf Augenhöhe», so Wüsts Anwalt. Eine «Übervorteilung» von Raiffeisen sei an keiner Stelle zu erkennen.
Verhandlungspause bis 10.30h
Richer Aeppli unterbricht die Verhandlung für eine halbe Stunde.
Das Tauschverhältnis
Im Zuge des Investnet-Deals kam es zu einem Aktientausch: Dabei bekamen die Investnet-Eigentümer 40 Prozent der Raiffeisen-Tochter KMU Capital, Raiffeisen bekam für diese Aktien 60 Prozent an Investnet und damit die Kontrolle.
Laut Staatsanwaltschaft hätten die Investnet-Gründer Wüst und Etter Vincenz und Stocker bestochen, um einen für sie günstigen Deal zu erreichen.
Wüsts Anwalt Aslantas entgegnet nun, dass das oben genannte Tauschverhältnis auch von der damaligen Nummer zwei von Raiffeisen, Patrik Gisel, geprüft und für gut gefunden worden sei. Auch das Verhandlungsteam von Raiffeisen habe dieses Verhältnis akzeptiert. Die behauptete Bestechung in den Kontext habe also gar keinen Sinn gemacht, weil das Tauschverhältnis bei Raiffeisen breit abgestützt war.
"Das ist Quatsch"
Wüsts Anwalt Aslantas kommt zunehmend in Fahrt und sagt zu einer Argumentation der Anklage schlicht «Quatsch».
Dabei geht es um die Verhandlungen zwischen Raiffeisen und Investnet über die geplante Annäherung. An einer Stelle habe Stocker Wüst geschrieben haben, mit seinen Forderungen nicht zu übertreiben, weil dies die Verhandlungen zum Investnet-Deal gefährden würden.
Die Staatsanwaltschaft sieht darin den Beleg, dass offenbar die Bestechung von Vincenz und Stocker nötig war, um den Deal zu retten. Es sei genau umgekehrt, so Anwalt Aslantas.
Beide Seiten hätten mit harten Bandagen um den Deal gerungen. Denn wenn Stocker und Vincenz bestochen worden seien, um den Deal durchzubringen, dann wären kaum solche Emails mit der Androhung des Abbruchs der Gespräche verstandt worden, argumentiert der Wüsts Anwalt.
Zudem habe Investnet-Gründer Wüst von Anfang darauf gedrängt, dass Beat Stocker nicht die Verhandlungen für Raiffeisen führen könne, da Stocker an Investnet beteiligt werden sollte und er damit einen Interessenkonflikt hatte. «Mehr konnte mein Mandat nicht tun, damit die Verhandlungen im Einklang mit den Compliance-Regeln ablaufen konnten», so Anwalt Aslantas.
Anwalt versucht, den Gegenbeweis zu erbringen
Wüsts Anwalt versucht nun den Gegenbeweis anzutreten. Und verweist auf ein Email von Investnet-Gründer Wüst, seinem Mandaten, an den anderen Co-Gründer, Andreas Etter vom 20.6.2015. Darin schrieb Wüst, dass Stocker ihm erklärt habe, dass Vincenz seine geplante Investnet-Beteiligung per Kredit finanzieren wolle. Entweder er sei knapp bei Kasse oder Vincenz sei ein grenzloser Optimierer, heisst es in der Mail weiter.
Hintergrund: Nach seinem Ausscheiden als Raiffeisen-Chef im Jahr 2014 hat sich Vincenz ganz offiziell und mit Segen von Raiffeisen mit 15 Prozent an Investnet beteiligt.
Kurz nach dieser Email vom Juni 2015 überwies Stocker im Juli des gleichen Jahres Vincenz dann bekanntlich 2,9 Millionen Franken. Laut Staatsanwaltschaft sei das Geld Vincenz Erlös aus der zuvor verkauften Schattenbeteiligung von Vincenz an Investnet, welche er heimlich über Stocker gehalten habe.
Wüsts Anwalt argumentiert nun: Hätte Wüst schon damals gewusst – wie die Staatsanwaltschaft behauptet – dass Vincenz schon damals an Investnet beteiligt war und hätte Wüst in Folge dessen auch von der Zahlung von Stocker an Vincenz gewusst, dann hätte er niemals die oben genannte E-Mail so formuliert. Denn darin geht es ja darum, dass Vincenz offenbar seine offizielle Investnetbeteiligung per Kredit kaufen will.
Anwalt: Es gab keinen Grund für Bestechung
Peter Wüsts Verteidiger will nun den Vorwurf der Bestechung auch inhaltlich widerlegen. Investnet war eine Beteiligungsgesellschaft. Laut Anklage habe das Unternehmen zwar über Know-How in diesem Bereich verfügt, es fehlten aber finanzielle Mittel, um neue Firmen zu kaufen.
Daher seien Stocker und Vincenz bestochen worden, damit Raiffeisen bei Investnet einsteigt und finanziert. Später wurde Raiffeisen dazu gebracht, Investnet zu übernehmen, so dass die Minderheitsaktionäre Wüst, Etter und auch Stocker mit Gewinn aussteigen konnten, so die Anlage
Schon die Ausgangsthese sei falsch, entgegnet Wüsts Anwalt. Investnet habe dank der guten Kontakte von Peter Wüst keine Probleme gehabt, an Finanzmittel für Beteiligungskäufe zu kommen. Neben Raiffeisen habe Wüst auch Kontakte zur UBS und zur St. Galler Kantonalbanken gehabt.
Bei den ersten Kontakten 2011 zwischen Wüst und Vincenz sei es nicht darum gegangen, Investnet an Raiffeisen heranzuführen, geschweige denn, eine Übernahme aufzugleisen. Raiffeisen sollte lediglich als Co-Investor gewonnen werden.
Verteidiger bemängelt die Anklageschrift
Nun greift Wüsts Anwalt die Anklage-Schrift an. Auf fast 60 Seiten werde darin eine «Geschichte erzählt», ohne klar zu machen, was dabei eine strafbare Handlung gewesen sein soll. Die Anklage gleiche eher einem Plädoyer.
Statt den subjektiven Tatbestand zu belegen, wie und in welchem Umstand Peter Wüst sich schuldig gemacht haben soll, stehe in der Anklage nur, dass Wüst halt von Vincenz Unterbeteiligung gewusst habe. «Das genügt den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht», sagt Anwalt Aslantas.
So stehe in der Anklage, dass Vincenz und Stocker «stets bereit gewesen seien, ihren Einfluss bei Raiffeisen zu nutzen», um die Annäherung von Raiffeisen an Investnet so zu gestalten, um den Investnet-Minderheitsaktionären einen lukrativen Exit zu ermöglichen. «Doch was genau dafür Vincenz und Stocker getan haben sollen, steht nicht in der Anklage», argumentiert Anwalt Aslantas.
Stocker sei, so die Anklage, von Wüst und Etter bezahlt worden, um eine «Brücke zu Pierin Vincenz zu schlagen», damit dieser die Investnet-Übernahme bei Raiffeisen durchdrückt. Doch, so entgegnet der Verteidiger von Peter Wüst, sei dies überhaupt nie nötig gewesen.
Raiffeisen wusste laut Verteidigung über Stocker Bescheid
Jetzt geht es um die Sache: Wüst habe Vincenz und damit Raiffeisen bereits 2011 darüber informiert, dass Beat Stocker eine Unterbeteiligung an Investnet bekommen sollte und er daher nicht länger im Namen von Raiffeisen über die Heranführung von Investnet an Raiffeisen verhandeln könne, aufgrund des Interessenkonflikts.
Auch Stocker habe bei seiner Befragung ausgesagt, dass eine behauptete Unterbeteiligung von Pierin Vincenz an Investnet nie ein Thema bei den Gesprächen mit Wüst und Etter gewesen sei. Zudem sei es Stocker per Vertrag verboten gewesen, seine finanzielle Beteiligung an Investnet in irgendeiner Form weiter zu reichen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Investgründern Wüst und Etter Bestechung vor, damit Stocker und Vincenz ihren Einfluss auszunutzen, so das Raiffeisen Investnet kauft. Laut Anwalt Aslantas gebe es aber überhaupt keinen Anlass für irgendeine Bestechung, zudem sei Raiffeisen über den Treuhandvertrag auf dem Laufenden gewesen, der Stockers Beteiligung regelt. Auch die Kaufverträge zur Übernahme von Investnet seien von einer Reihe Gremien von Raiffeisen geprüft worden, die Beteiligung Stockers sei in dem Kontext bekannt gewesen.
Selbst als die Untersuchung der Vorgänge durch die Finma bereits lief, habe Raiffeisen nie weitere Erkundigungen zum Treuhandvertrag eingezogen, welcher Stockers Beteiligung an Investnet regelt.
Der Anwalt von Peter Wüst plädiert – und greift Raiffeisen an
Richter Aeppli eröffnet den 6. Prozesstag. Pierin Vincenz und sein Starverteidiger Lorenz Erni sind heute nicht dabei.
Wüst Anwalts, Fatih Aslantas, beginnt sein Plädoyer für seinen Mandaten, den Investnet-Mitbegründer Peter Wüst. Aslantas fordert, dass Verfahren gegen Wüst einzustellen und die Vermögenssperren aufzuheben. Zudem soll Wüst eine Entschädigung erhalten.
Aslantas wirft Raiffeisen vor, Investnet letztlich vernichtet zu haben. Nachdem die Strafuntersuchung eröffnet worden war, habe Raiffeisen den Geldhahn zugedreht und damit «die Erfolgsgeschichte Investnet» zerstört, so der Anwalt. Heute sei von Investnet quasi nichts mehr übrig.
Dabei habe der frühere Raiffeisen-Präsident Pascal Gantenbein noch im Juni 2018 erklärt, dass Raiffeisen kein finanzieller Schaden durch Investnet entstanden sei. Das habe auch der frühere Raiffeisen-Chef Gisel öffentlich bestätigt.
«Hätte Raiffeischen die Unschuldvermutung nur im Ansatz ernst genommen, hätte man Investnet weiter führen können, es wäre kein Schaden entstanden», sagt Anwalt Aslantas.
Raiffeisen habe durch seinen Rückzug letztlich Wüsts Lebenswerk zerstört und ihm einen immensen finanziellen Schaden zugefügt.
Das Verfahren habe Wüst stark belastet. Der Druck wurde so gross, dass seine Ehe nach fast 40 Jahren in die Brüche ging. Zudem wurde Wüst krank, er leidet an eine «irreversiblen neurologischen Krankheit» und kann daher nicht am Prozess teilnehmen.
Journalisten müssen TV schauen
Das grosse Medieninteresse und die lange Prozessdauer stellt das Gericht vor organisatorischen Herausforderungen. Am 6. Prozess-Tag tagt das Gericht im Zürcher Bezirksgericht, der Verhandlungssaal ist aber zu klein.
Daher sitzen die Journalisten in einem anderen Saal im 1. Stock, und müssen den Prozess über eine Video-Leinwand verfolgen. Das erschwert die Arbeit, denn so kann man nicht in die Gesichter der Prozessbeteiligten schauen und die Stimmung im Saal einzuschätzen.
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