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Proteste in Burma
Militär verhängt Kriegsrecht in zwei Stadtteilen von Rangun

Proteste in manchen Städten des Landes: Die burmesische Bevölkerung lehnt sich gegen die Militärjunta auf.
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Die Lage in Myanmar spitzt sich nach dem brutalen Durchgreifen der Einsatzkräfte gegen Demonstranten vom Wochenende weiter zu. Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP und lokalen Medien zufolge sollen Militär und Polizei allein am Sonntag mehrere Dutzend Menschen getötet haben. AAPP sprach von mindestens 38 Opfern, viele Beobachter bezifferten die Zahl am Montag aber noch weit höher.

Das Nachrichtenportal Myanmar Now schrieb unter Berufung auf drei Krankenhäuser in einem Tweet von 59 Toten und 129 Verletzten allein in der ehemaligen Hauptstadt Yangon (früher: Rangun).

Das Militär hat am Sonntag nach neuen Protesten das Kriegsrecht in zwei Stadtteilen von Rangun verhängt. Der Kommandeur in der Region erhalte entsprechende Vollmachten, um «effizienter die Sicherheit aufrechtzuerhalten sowie Rechtsstaatlichkeit und Ruhe zu gewährleisten», sagte ein Nachrichtensprecher im Staatsfernsehen.

Brandanschläge auf chinesische Fabriken

Zuvor hatte es Brandanschläge auf mehrere chinesische Textilfabriken in Yangon gegeben. Zahlreiche chinesische Arbeiter seien dabei verletzt worden, teilte die chinesische Botschaft auf Facebook mit. Sie forderte die Behörden auf, chinesische Geschäfte und chinesische Staatsbürger zu beschützen. Wer für die Brandanschläge verantwortlich war, ist unklar. Mit der Verhängung des Kriegsgrechts müssen Soldaten bei Einsätzen nicht mehr auf einen Befehl der Militärführung warten, sondern können in den betroffenen Viertel schiessen oder Häuser besetzen, wenn sie dies für richtig halten. (Lesen Sie dazu unser Kommentar: Die Killer und ihr Beschützer)

«Das Militär hat Angst vor der chinesischen Regierung, deshalb will es Eigentum Chinas beschützen, nicht aber die Leben von uns Zivilisten», sagte Nay Min Khant, ein Bürger aus Yangon, der Deutschen Presse-Agentur. Der Demonstrant Htoo Htoo betonte: «Die Zahl der Toten von gestern liegt viel höher, als wir bisher wissen. Einige Leichen wurden in Krankenhäuser gebracht, andere haben die Familien mit nach Hause genommen.»

Dritte Anhörung von Suu Kyi angesetzt

Die Militärjunta hatte nach dem Putsch vom 1. Februar einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt. Die Demonstranten fordern die Rückkehr zu demokratischen Reformen, die Freilassung der unter Hausarrest gestellten Regierungschefin Aung San Suu Kyi und die Wiedereinsetzung ihrer zivilen Regierung. Die 75-Jährige hatte die Parlamentswahl im November klar gewonnen.

Suu Kyi sollte derweil am Montag erneut von einem Gericht verhört werden. Es ist ihre dritte Anhörung per Videoschalte aus dem Hausarrest. Bei den ersten beiden Gerichtsterminen war kein Anwalt zugelassen. Der Politikerin werden mehrere Vergehen zur Last gelegt, darunter Verstösse gegen die Aussenhandelsgesetze des Landes.

Tausende demonstrieren in Rangun

Auch Journalisten geraten immer öfter ins Visier. Einheimische Reporter müssten sich teilweise vor Verfolgung verstecken und inzwischen würden zunehmend auch ausländische Medienvertreter an ihrer Arbeit gehindert und verfolgt, sagte der AI-Deutschlandchef Markus Beeko der DPA. Die Verhaftung des polnischen Journalisten Robert Bociaga, der auch für die DPA arbeitet, «passt in dieses Bild und ist aufs Schärfste zu verurteilen».

Der Reporter war am Donnerstag Medienberichten zufolge in Taunggyi von Einsatzkräften festgenommen worden. Der 30-Jährige soll dabei auch geschlagen worden sein. Die deutsche Botschaft in Burma, die dort auch für Polen die Interessen polnischer Staatsbürger vertritt, bemüht sich um Zugang zu dem Reporter, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist. Sie rief die Behörden am Samstag zu einer «fairen und menschlichen Behandlung» Bociagas auf.

Demonstrantinnen und Demonstranten gedenken in Rangun mit einer Kerze den Toten und bekunden mit dem Dreifinger-Zeichen ihre Sympathie mit der von der Armee abgesetzten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. 

Alleine Tausende Demonstranten kamen einem Augenzeugen zufolge am Sonntag in der Gemeinde Hlaing Thar Yar im Westen der ehemaligen Hauptstadt Rangun zusammen. Mindestens elf wurden dort getötet, als Sicherheitskräfte die Proteste zerschlagen wollten, wie die Nachrichtenagentur Myanmar Now unter Berufung auf Krankenhausquellen und Rettungsdienste berichtete. «Wir protestieren gegen das Militär und stellen uns diesem brutalen Durchgreifen», sagte der Anwohner Nay Ko Lin der DPA. «Die vielen Tausend Demonstranten in unseren Gemeinden heute zeigen, dass wir Ungerechtigkeit nicht akzeptieren und Gerechtigkeit wollen.»

In Bago nordöstlich Ranguns sei ein Demonstrant am Sonntag erschossen worden, berichtete ein anderer Augenzeuge der dpa. Ein weiterer kam in Hpakant im nördlichen Staat Kachin ums Leben. Mindestens elf weitere Demonstranten waren zwischen Freitagabend und Samstag getötet worden, darunter in Rangun, Mandalay oder Pyay. Dutzende wurden Augenzeugen zufolge über das Wochenende schwer verletzt. Die Zahl der Toten werde deshalb wohl noch steigen, hiess es. (Lesen Sie dazu: Wer auf Kinder schiesst, trifft die Eltern).

Gegenregierung gegründet

Mahn Win Khaing Than, ein Politiker der bisher regierenden Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Suu Kyi, wandte sich am Samstag erstmals als Chef einer neugegründeten Gruppe vom Militär abgesetzter Politiker an die Öffentlichkeit. Auf Facebook schwor er, die «Revolution» weiterzuführen. «Dies ist der dunkelste Moment unserer Nation und der Augenblick, in dem die Morgendämmerung naht», erklärte er unter anderem.

Der Sender BBC berichtete, er und andere NLD-Politiker seien einer Festnahme entkommen und hätten im Untergrund eine Art zivile Gegenregierung gegründet. Mahn Win Khaing Than sei zum kommissarischen Leiter ernannt worden. Die Gruppe versuche nun, auf internationaler Ebene als rechtmässige Regierung Burmas anerkannt zu werden.

fal/sda/afp