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Meinung

Bertschys Blitzpost
13. AHV-Rente: Wer den Preis zahlen sollte

ONLINE TEASER

Portrait von Kathrin Bertschy, Autorenbild der neuen Kolumnistinnen.
02.02.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Liebe Frau Bundesrätin Baume-Schneider

«Der Preis der AHV-Initiative ist hoch. Jemand wird das bezahlen müssen», darauf wiesen Sie kürzlich im Zusammenhang mit der Debatte zur 13. AHV-Rente hin. Sie sprechen damit einen zentralen Punkt an, der im aktuellen Abstimmungskampf eher zweitrangig erscheint. Die Finanzierung eines generationenübergreifenden Sozialwerks wie der AHV trifft die Bevölkerungsgruppen und Generationen in unterschiedlichem Mass. Sie bedarf daher einer besonders umsichtigen Abwägung.

Die Gewerkschaft Unia präsentiert mit «24 Franken bezahlen, 186 Franken erhalten» die Rechnung für einen Elektriker mit einem Monatslohn von 6000 Franken. Das tönt nach einem tollen Deal. Nicht erwähnt wird dabei, dass der heutige Lohnabzug direkt zur Finanzierung der aktuellen Renten verwendet wird. Man spart also nicht für sich selbst, sondern eine jüngere Generation bezahlt für ältere. Das ist ein sehr entscheidendes Detail: Weil es immer weniger junge Elektriker gibt und zugleich immer mehr pensionierte Ex-Elektriker, wird der heutige Lohnabzug irgendwann nicht mehr ausreichen, um auch den heutigen Jungen dereinst die versprochene Rente zu finanzieren. 

Die AHV hat heute Jahresausgaben von 50 Milliarden Franken. In 10 Jahren werden es bereits 67 Milliarden sein. Aus den 24 Franken, die der erwähnte Elektriker zusätzlich zahlt, werden schnell über 100 Franken, berücksichtigt man mit, dass auch die Arbeitgeberbeiträge die Löhne belasten. Die AHV wird in naher Zukunft also weitere Mittel brauchen – je nach Abstimmungsergebnis vom 3. März noch mehr. 

Woher also soll dieses Geld kommen? Das ist ein ebenso entscheidendes Detail: Jede Form der Zusatzfinanzierung hat ihre Nachteile. 

Lohnprozente belasten Familien

Eine Finanzierung über Lohnprozente senkt die verfügbaren Einkommen der Erwerbstätigen: Sie haben Ende des Monats weniger auf dem Konto und verlieren Kaufkraft. Das ist gefährlich: Schon heute haben zu viele Menschen das Gefühl, dass sich zusätzliche Erwerbsarbeit für sie kaum lohnt und sie trotz mehr Arbeit kaum über die Runden kommen. Darum müssen wir mit dem Einziehen von Lohnprozenten sehr vorsichtig sein – gerade, wenn uns gleichzeitig an allen Ecken und Enden Fachkräfte fehlen. Woher also sonst das Geld holen?

Oft vorgeschlagen wird eine höhere Mehrwertsteuer. Doch die wiederum verteuert den Konsum – und wieder haben die Menschen Ende des Monats weniger im Portemonnaie. Immerhin finanzieren hier auch wohlhabende Pensionierte mit. Dennoch ist der Preis für diese Finanzierung ungleich verteilt: Insbesondere Haushalte mit tieferen Einkommen spüren Preiserhöhungen merklich. Sie müssen einen vergleichsweise hohen Anteil ihres Einkommens für laufenden Konsum aufwenden. Auf Nahrungsmittel und Güter des täglichen Gebrauchs kann nicht einfach so verzichtet werden. Auch hier ist also Vorsicht angesagt.  

Verteilkampf beim Bundesbudget

Bleibt die Erhöhung der Bundessteuer, die aufgrund der Progression und Ausgestaltung die hohen Einkommen ab 150’000 Franken bezahlen lässt. Sie hätte zwar den Vorteil, dass auch gut situierte Rentner mitzahlen. Die direkte Bundeskasse steuert aber bereits heute 20 Prozent an die AHV bei. Damit dieser Anteil weiter gestemmt werden kann, wird es bereits Zusatzgeld brauchen, auch ohne die 13. Rente.  Und das zu einer Zeit, in der die Bundesfinanzen angespannt sind. Ein Ausbau des Bundesanteils für die AHV nimmt Spielraum für grosse Herausforderungen wie Investitionen in den Klimaschutz oder in volkswirtschaftlich wichtige Projekte wie die Individualbesteuerung oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

Bleibt also eine Idee, die bislang in der Schweiz wenig Chancen hatte: eine moderate Erbschaftssteuer. Sie würde nicht ausgerechnet die für eine starke Volkswirtschaft so wichtige Erwerbsarbeit belasten und die Last auch nicht einfach der nächsten Generation weiterreichen. Sondern einen Ausgleich innerhalb der Rentengeneration schaffen, wo ein Grossteil der Vermögen heute vererbt wird. Es wäre eine Idee, die unserer liberalen Tradition entspricht. Zudem bringt sie kaum negative volkswirtschaftliche Effekte mit sich – wenn man gute Lösungen für die Weitergabe von KMU und Familienunternehmen gewährleistet. Allerdings: An der Abstimmungsurne wäre eine Erbschaftssteuer wohl wenig populär, selbst wenn sie andere Finanzierungen ersetzen würde. 

Bleibt als Fazit: Die Finanzierung ist und bleibt eine hoch anspruchsvolle Angelegenheit. 

Auch ich erachte die AHV-Minimalrente als zu tief. Ebenso sind die Renten für Personen, welche Kinder und Angehörige gepflegt haben, meist unbefriedigend – ihre wichtige Leistung für die Gesellschaft wird in der AHV zu wenig abgebildet. Das müssen wir gezielt verbessern: in der AHV, aber auch bei den Pensionskassen. Die Sorglosigkeit in der Diskussion um eine Finanzierung einer allgemeinen Rentenerhöhung beunruhigt mich dennoch. Dass sich letztlich oft die volkswirtschaftlich unsinnigste, aber politisch am wenigsten auf Widerstand stossende Finanzierung durchsetzen dürfte – namentlich eine sukzessive Erhöhung der Lohnabzüge –, ebenso.

Mit freundlichen Grüssen

Kathrin Bertschy