Schock bei der PolizeiZwei Suizide in der Stadtpolizei Winterthur – Insider kritisieren Führung
Innert kurzer Zeit haben sich zwei Stadtpolizisten in Winterthur das Leben genommen. Im Korps wird Kritik am Betriebsklima laut.
Am vergangenen Freitag hat sich ein langjähriger Polizist der Stadtpolizei Winterthur auf dem Posten das Leben genommen. Es ist der zweite Suizid innert kurzer Zeit.
Erst im letzten Juli hatte sich ein ebenfalls langjähriger Korpsangehöriger auf einer Wanderung das Leben genommen. Beide Kollegen hatten auf derselben Abteilung gearbeitet. Aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen ist zu vernehmen, dass es in der Führung der Stadtpolizei seit längerem Probleme gegeben haben soll.
Im Korps selbst sitzen Schock, Trauer und Wut tief. Gegenüber dieser Zeitung lässt sich Cornel Borbély, Präsident des Polizeibeamtenverbands der Stadt Winterthur (PBV), folgendermassen zitieren: «Wir sind zutiefst erschüttert über die traurige Nachricht vom Tod eines geliebten Kollegen und Freund. Mit ihm verlieren wir innerhalb eines Jahres einen zweiten Kollegen durch einen Suizid. Viele Fragen sind ungeklärt. Wir fordern von Politik und Polizeiführung eine lückenlose und umfassende Aufklärung.»
Verband kritisiert «Führungskultur» und «Verhalten einzelner Personen»
In einem Schreiben des PBV, das dieser Zeitung vorliegt, steht, man habe in einem Brief an die Departementsvorsteherin zum Ausdruck gebracht, dass «viele Kolleginnen und Kollegen die Schuld in der Führungskultur und im Verhalten einzelner Personen sehen». Der Verband fordert von Polizeivorsteherin Katrin Cometta (GLP), dass «Führungsfehler offen und aufrichtig zu identifizieren, zu benennen und zu beseitigen sind».
Die zuständige Stadträtin Cometta hat laut «Blick» am Montag den Stadtpolizistinnen und -polizisten schriftlich kondoliert. «Das ganze Wochenende habe ich trotz Wahlen kaum an etwas anderes gedacht als an den Suizid Ihres Kollegen», zitiert der «Blick» aus dem Schreiben. Sie habe den Mann persönlich gekannt, sein Tod habe sie bestürzt und aufgewühlt. Und weiter: «Wie ungleich schwerer muss die Last für Sie sein. Sie haben einen Ihnen lieben Kollegen verloren, mit dem Sie teilweise über Jahrzehnte zusammengearbeitet haben.» Zudem wolle sie genau hinschauen, es sollten aber keine vorschnellen Schlüsse gezogen und niemand vorverurteilt werden.
Die Medienstelle von Cometta bestätigt am Freitagmorgen die beiden Suizide. Als Stadträtin und Vorsteherin des Departements Sicherheit und Umwelt stelle sie aufgrund der Vorfälle beim Stadtrat einen Antrag auf eine umfassende Administrativ-Untersuchung. Weitere Fragen könne man aufgrund des Persönlichkeitsschutzes der betreffenden Mitarbeitenden, der laufenden Untersuchung und der geplanten Administrativ-Untersuchung nicht beantworten.
Burn-out-Welle im Jahr 2017
Konflikte schwelen schon länger in der Stadtpolizei Winterthur. Anfang 2017 war die Hälfte der damaligen 13 Stadtpolizeichefs krankgeschrieben – unter ihnen auch der Kommandant Fritz Lehmann. Die damalige Polizeivorsteherin Barbara Günthard-Maier (FDP) machte die Sparaufträge der vergangenen Jahre und Jahrzehnte für die Probleme verantwortlich und setzte sich für eine Aufstockung des Kaders ein und gleiste eine interne Reorganisation auf.
2019 berichtete die «Winterthurer Zeitung» jedoch von einer Personalumfrage, wonach die Zufriedenheitswerte im Korps nach wie vor schlecht seien. Es gebe anhaltend viele Burn-out-Fälle und die interne Kommunikation werde stark kritisiert. Der Journalist stützte sich dabei auf die Aussagen eines ehemaligen Stadtpolizisten. Gegen diesen reichte die Führung dann wegen Amtsgeheimnisverletzung Strafanzeige ein. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt.
Mitarbeit: Patrick Gut
Update von 11:53: Der Artikel wurde mit der Stellungnahme der zuständigen Sicherheitsvorsteherin Katrin Cometta (GLP) ergänzt. In der Erstpublikation lag diese der Redaktion noch nicht vor.
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