Zwangspensionierte Richterin geht arbeiten – und wird dafür gefeiert
Die polnische Regierung will 27 der 73 Richter des Obersten Gerichtshofs loswerden – doch die Juristen setzen sich zur Wehr. Allen voran: die oberste Richterin Malgorzata Gersdorf.
Aus Protest gegen ihren Zwangsruhestand ist die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes in Polen, Malgorzata Gersdorf, am Mittwoch zur Arbeit erschienen. Gersdorf betrat am Morgen das Gerichtsgebäude in Warschau. Sie mische sich nicht in die Politik ein, sagte die Richterin vor Journalisten. Sie wolle aber für die Rechtsstaatlichkeit in Polen kämpfen und «die Grenze zwischen der Verfassung und dem Verstoss gegen die Verfassung aufzeigen».
Gersdorf und weitere Richter verweigern sich dem von der nationalkonservativen Regierung beschlossenen Zwangsruhestand für Richter, der um Mitternacht in Kraft trat. Vor dem Obersten Gericht in Warschau wurde Gersdorf von mehreren tausend Demonstranten empfangen, die «Freie Gerichte», «Verfassung» und «Unabsetzbar» riefen. Am Dienstagabend hatten vor dem Gerichtsgebäude bereits rund 5000 Menschen für Gersdorf und andere betroffene Richter demonstriert.
Das umstrittene Gesetz schickt 27 der 73 Richter am Obersten Gerichtshof in den Zwangsruhestand, die älter als 65 Jahre sind. Bisher lag die Altersgrenze aber bei 70 Jahren. Neben Gersdorf haben weitere Richter bereits angekündigt, die Zwangspensionierung nicht zu akzeptieren und auf ihren Posten bleiben zu wollen.
«Unabhängigkeit des Obersten Gerichts schützen»
Das vom Parlament verabschiedete und von Präsident Andrzej Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Justizreformen, deretwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. Sie hatte am Montag ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die «Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen», sagte ein Kommissionssprecher.
Anfang 2016 hatte Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Im Dezember folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet.
Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Sanktionen gegen Warschau nicht mitzutragen.
AFP/mch
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