TV-KritikZum Glück bleibt Petkovic selbst beim unflätigen Herrn Salzgeber höflich
Wie die SRF-Sportjournalisten den historischen Sieg gegen Frankreich mit dem Nationaltrainer analysierten, war empathielos und nahe an einer Beleidigung. Doch Vladimir Petkovic verzichtete auf eine Wutrede.
Die Selbstbeherrschung von Vladimir Petkovic ist bewundernswert. Was er sich nach dem Sieg der Schweiz gegen Weltmeister Frankreich aus dem Fernsehstudio in Leutschenbach anhören musste, war empathielos, selbstherrlich und nahe an einer Beleidigung. Die Nationalmannschaft hatte gerade Historisches geleistet, als sich der Nationaltrainer zur obligaten Matchanalyse vor die Fernsehkamera stellte. Rasch zeigte sich, dass die Sportjournalisten von SRF dem Spielniveau nicht unbedingt gewachsen waren.
«Fussball ist eine Wundertüte», stellte etwa Moderator Rainer Maria Salzgeber fest. An einem Stammtisch unter Fussballfreunden würde eine solche Bemerkung nicht weiter auffallen. Im Gespräch mit dem Nationaltrainer hingegen schon. Was danach folgte, war nicht viel besser. «Das war eine Berg-und-Tal-Fahrt. Wir sind kaputtgegangen am Bildschirm. Sind Sie sich dessen bewusst?», ging Salzgeber Petkovic an.
Was bezweckte der Oberwalliser damit? Sollte sich der Nationaltrainer bei ihm für die emotionale Partie entschuldigen? Oder ging es Salzgeber um etwas ganz anderes? Ging es ihm darum, in der Sensation doch noch etwas Negatives zu finden, um dem Fernsehpublikum eine Rechtfertigung zu präsentieren, warum er die Nationalmannschaft und ihren Trainer während des Turniers wiederholt kritisiert und alles infrage gestellt hatte?
Am Ende lief Petkovic kurzerhand aus dem Blickfeld der Kamera.
Eigentlich hätte Petkovic in diesem Moment kurz nach Spielende die grosse Bühne gehört. Doch Rainer Maria Salzgeber überliess sie ihm nicht. «Sie sind ein Mensch, der seine Emotionen nicht unglaublich nach aussen bringt», analysierte Rainer Maria Salzgeber die Persönlichkeit des Nationaltrainers. Es war Salzgebers grosses Glück, dass Petkovic auch am Montagabend seine Emotionen kontrollierte, wie immer höflich blieb, sein Desinteresse an der Analyse nur dezent andeutete, um am Ende mit einem knappen Dank und Gruss aus dem Blickfeld der Kamera zu laufen.
Hätte die Matchanalyse noch ein paar Momente länger gedauert, wäre Petkovic wohl explodiert. Selbst ein Rudi-Völler-Moment war nicht auszuschliessen. Völler stellte sich 2003 nach einem mauen EM-Qualifikationsspiel gegen Island als deutscher Nationaltrainer den Fragen von ARD-Moderator Waldemar Hartmann. Irgendwann hatte er genug von Hartmanns selbstgefälligen Analysen. «Du sitzt da locker auf deinem Stuhl Waldi und hast schon drei Weizenbiere getrunken», blaffte er Hartmann an. Für den Journalisten hatte der Ausbruch Konsequenzen. Hartmann bekam zwar einen Werbevertrag mit einem Bierbrauer, den Übernamen «Weissbier-Waldi» wurde er aber nie mehr los.
Rainer Maria Salzgeber hat schlicht nicht realisiert oder es der Mannschaft nicht zugetraut, dass sie sich während des Turniers weiterentwickelte. Andernfalls wäre ein Spiel wie jenes gegen Weltmeister Frankreich nie möglich gewesen. Und er ignorierte Petkovics exzellentes taktisches Coaching während der Partie. War es doch Petkovic gewesen, der mit seinen Einwechslungen das Momentum geschaffen hatte, noch einmal anzugreifen und den Ausgleich zu erzielen, um in der Nachspielzeit erneut die Balance zwischen Offensive und Defensive zu suchen.
Die Schweizer Nationalmannschaft spielt am Freitag ihren Viertelfinal gegen Spanien, weil sie sich von äusserer Kritik nicht beirren liess und sich auf ein neues Niveau spielte. Das Team hat bei seinen Fans von Rorschach bis Genf und von Basel bis Locarno kollektive Begeisterungsstürme ausgelöst.
Dasselbe kann man von den Fussballexperten im Leutschenbach nicht sagen. Sie sollten sich überlegen, wie auch sie sich im Verlauf dieses Turniers noch steigern können. Nationaltrainer Vladimir Petkovic hat seine Haltung nach dem Spiel gegen Frankreich überdeutlich formuliert. Er sagte: «Ich wähle immer Partner, zu denen ich eine gute Verbindung habe und bei denen ich eine Positivität spüre.» Kommentare auf Stammtischniveau hat er damit definitiv nicht gemeint. Solche hat er auch nicht verdient.
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