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Brasiliens Gesundheitsminister hat Corona
Zuerst fasst er das Virus, dann wird er mit Häme überschüttet

Angesehener Kardiologe und Impfbefürworter: Der brasilianische Gesundheitsminister Marcelo Queiroga.
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Er solle die ganze Sache doch einfach positiv sehen, schrieb ein Nutzer im Netz an Marcelo Queiroga. Brasiliens Gesundheitsminister hatte kurz zuvor auf Twitter bekannt gegeben, dass er positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Er werde sich nun in Quarantäne begeben, schrieb er, in den USA, wo er die UNO-Generalversammlung besucht hatte. 14 Tage wird die Selbstisolation wohl dauern, genug Zeit also, so der Nutzer im Netz, um darüber nachzudenken, was in den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen passiert ist, angefangen bei Queirogas durchaus hoffnungsvollen Amtsübernahme im März – bis hin zu jenem wütenden Stinkefinger, den der Minister dann vor ein paar Tagen Demonstranten in New York zeigte.

55 Jahre alt ist Marcelo Queiroga, randlose Brille, graue Haare, verheiratet, drei Kinder. Geboren im Bundesstaat Paraíba ganz im Nordosten Brasiliens, war Queiroga die längste Zeit seines Lebens Arzt; ein Kardiologe und durchaus angesehen. Es ging so etwas wie ein Aufatmen durch weite Teile Brasiliens, als Präsident Jair Bolsonaro Anfang März verkündete, Queiroga werde der neue Gesundheitsminister. Zuvor hatte dort ein General ohne medizinische Ausbildung das Amt geführt, Eduardo Pazuello, auch Pesadelo genannt, der Albtraum.

In São Paulo fast 100 Prozent geimpft

Immer tiefer versank Brasilien damals im Corona-Chaos, Tausende Menschen starben jeden Tag. Schlangen vor den Spitälern, Massengräber auf den Friedhöfen. Präsident Bolsonaro hinderte dies nicht daran, den Menschen in seinem Land zu sagen, sie sollen doch mit dem Geheule aufhören. Der Staatschef pries höchstumstrittene Medikamente im Kampf gegen das Virus, während er vor Nebenwirkungen der Impfungen warnte.

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Queiroga dagegen war nicht nur ein angesehener Kardiologe, sondern auch ein Impfbefürworter. Das machte Hoffnung. Tatsächlich läuft die Immunisierungskampagne auf Hochtouren, vor allem auch dank eines seit Jahrzehnten gut ausgebauten öffentlichen Gesundheitssystems. In Städten wie São Paulo ist heute die erwachsene Bevölkerung zu fast 100 Prozent mit zumindest einer Dosis geimpft, die Infektionszahlen sinken, alles ein grosser Erfolg. Doch so einfach ist es nicht: Jeder Sieg im Kampf gegen das Virus ist paradoxerweise eine Niederlage für den Präsidenten und dessen Regierung, zu der eben auch Queiroga gehört.

Bolsonaros Popularität sinkt

Weit über eine halbe Million Menschen sind schon an oder im Zusammenhang mit Corona in Brasilien gestorben. Die Wirtschaft aber schwächelt dennoch, die Inflation steigt, die Popularität des Präsidenten sinkt. Längst beleuchtet ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Versäumnisse der Regierung im Kampf gegen das Virus. Und auch die Weigerung des Präsidenten, sich impfen zu lassen, ruft bei den allermeisten Brasilianern mittlerweile eher Kopfschütteln hervor als Anerkennung.

Queiroga wusste, worauf er sich einlässt, als er den Ministerposten annahm. Er kennt Bolsonaro und dessen Umfeld seit Jahren. Dennoch scheint die öffentliche Kritik an der Regierung, dem Präsidenten und auch seinem Ministerium nicht spurlos an ihm vorüberzugehen.

Präsident reiste ungeimpft nach New York

Beim Besuch der UNO-Generalversammlung war es schon im Vorfeld zu Ärger gekommen, weil Präsident Jair Bolsonaro ungeimpft anreiste. Als dann auch noch Demonstranten den Staatschef und seine Minister abpassten, streckte Queiroga ihnen wütend den Mittelfinger entgegen. Und dass ausgerechnet der Gesundheitsminister nun auch noch in Quarantäne muss, ist die traurige Krönung eines desaströsen Auftritts.

Er werde sich an alle Hygieneauflagen halten, schrieb Queiroga auf Twitter. Mehr als zwölftausend Nutzer antworteten ihm auf Twitter, manche mit Genesungswünschen, andere mit guten Ratschlägen – viele aber auch einfach nur mit Bildern und Fotos von ausgestreckten Mittelfingern.