Zürich MarathonSie rangen mit sich – aber auch mit Schnee, Hagel und der Kälte
42 Kilometer laufen ist allein schon eine Herkulesaufgabe. Wenn das Wetter aber so erbarmungslos ist wie am Sonntag in Zürich, wird der Kopf fast wichtiger als die Beine. Vier Erlebnisberichte.
Es hat einige denkwürdige Austragungen des Zürich Marathon gegeben – die 21. gehört auch zu ihnen und wird vielen in Erinnerung bleiben. 16’000 hatten sich angemeldet für den Marathon, den Halbmarathon und die 10 Kilometer, gekommen sind schliesslich nicht ganz alle. Und empfunden haben sie ihr Rennen sehr unterschiedlich, je nachdem, wann sie gestartet sind, wie lange sie unterwegs waren, wie sehr es regnete und wann die Krämpfe einsetzten. Vier Marathonläuferinnen und -läufer erzählen von ihrem Erlebnis – es gab auch Highlights.
Siew Tan (78), älteste Teilnehmerin, knapp 50. Marathon
«Einen solchen Marathon habe ich noch nie erlebt, und ich bin schon viele gelaufen. Nach einer Stunde hatten wir Sonne, dann kam der Regen, mit ihm Hagel und auch Schnee. Alles, was man an Wetter haben kann, besonders im April. Meine Hände waren so durchgefroren, dass ich meine Handschuhe nicht mehr hervorholen konnte. Ich hatte sie nach einer Stunde, als die Hände warm waren, oben links und rechts unter meiner Jacke verstaut, dann konnte ich den Reissverschluss nicht mehr öffnen. Die Probleme waren also nicht die Füsse oder die Beine, sondern die Hände. Aber ich habe es wieder ins Ziel geschafft, 5 Stunden 14 sind etwa das, was ich erwartete.
Ich habe erst kurz vor der Pensionierung angefangen zu laufen – ich bin ein absoluter Bewegungsmensch. Ich bin als junge Krankenschwester von Malaysia nach England gegangen und von dort weiter nach Berlin und in die Schweiz, jetzt lebe ich in Dietikon. Ich war und bin im Schwimmclub, Surfclub, Laufclub und Tanzclub, und ich fahre, seit ich Kind bin, sehr gern Velo. Auch lange Strecken. Ein befreundeter Triathlet hat mich zum Laufen gebracht. Und jetzt habe ich schon knapp 50 Marathons hinter mir, ich habe auch achtmal den Jungfrau-Marathon gemacht. Mit dem Atmen habe ich ein wenig Mühe, weil meine Lunge nicht mehr so gross ist. Aber eben, das war heute nicht das Problem.»
Lucien Délèze (19), Gymi-Schüler, 3. Marathon
«Als ich letztes Jahr zum ersten Mal einen Marathon gelaufen bin, hier in Zürich, war das wirklich geil. Es gab nichts, was hätte besser laufen können. Deshalb war für mich nachher klar, dass ich weitermache. Allerdings habe ich dann im Herbst in Frankfurt erlebt, dass es auch ganz anders sein kann. Ich hatte im Vorfeld mit Verletzungen gekämpft, ging dann trotzdem, war nicht einmal viel langsamer als in Zürich, aber das Gefühl war ein ganz anderes. Ich habe wirklich gelitten.
Jetzt wusste ich auf der ersten Hälfte nicht so recht, wie es wird, ich war langsamer, als ich wollte. Das kam mir dann auf der zweiten Hälfte zugute, ich konnte richtig aufdrehen. Für mich war die Kälte nie ein Problem, ich habe viel mehr angezogen als letztes Jahr, lange Hosen, ein Jäckli, und der Regen kam bei mir so spät, dass er mich nicht mehr störte. Mit 3 Stunden 11 Minuten war ich mehr als eine Viertelstunde schneller als beim ersten Mal. Ich habe seit letztem Jahr viel mehr Krafttraining gemacht, bin in die Physio gegangen – weil ich auch das Laufvolumen steigerte. Über die Auswirkung von Krafttraining auf den Laufsport habe ich auch meine Maturaarbeit geschrieben.»
Martin Ledermann (48), Jubi-Läufer, 21. Marathon
«Das war jetzt der härteste. Nicht einmal wegen des Wetters, das war ja angekündigt, dementsprechend kann man sich anziehen. Aber so, wie es jetzt war – das war schon kein seriöser Aufbau. Ich habe mir im Januar beim Joggen das Aussenband am rechten Fuss gerissen. Letztlich trainiert habe ich fünf Wochen, ganz unten angefangen, und jede Woche einen zehn Kilometer längeren Lauf. Der Fuss machte mir keine Probleme, aber die Kondition fehlte mir. Dank meinem persönlichen Pacemaker, mim Schatz Iris, habe ich auch den Hammermann besiegen können und bin megazufrieden mit meinen 4 Stunden 57.
Ich kann mich noch gut an die erste Austragung erinnern, ein wenig ein Hauseckenrennen, aber ich fand es cool. Deshalb bin ich immer wieder nach Zürich gekommen, weil es vom Aargau aus nicht weit ist, jetzt wohne ich in Chur. Und weil der Marathon früh im Jahr stattfindet, ist es ein Ansporn, den Winter hindurch etwas zu machen. Es wurden 2, 3, 4, 5 – dann kam 2009 der, als wir die ersten zehn Kilometer durch den neuen Üetlibergtunnel liefen. ‹Dur de huere Tunnel›, sagte ich mir, ‹kannst du nachher nie mehr laufen.› Dann wollte ich 10 Austragungen gelaufen haben – und so weiter. Und jetzt gehöre ich zu jenen, die alle absolviert haben.»
Samira Bartolini (17), Lehrerseminar, 1. Marathon
«Ich habe noch nie zuvor einen Wettkampf gemacht. Aber ich bin immer mit meinem Vater laufen gegangen, seit ich sechs war. Erst empfand ich es als schlimm, aber bald hat es mir angefangen Freude zu machen. Jetzt ist es zu einer richtigen Leidenschaft geworden. Deshalb war dieser Marathon nun mein erster offizieller Lauf – auch weil ich darüber eine Arbeit schreiben will. Da werde ich von einem Arzt unterstützt, es soll um die wissenschaftlichen Aspekte gehen.
Ich habe mir für diesen Sonntag extra noch eine neue Regenjacke gekauft, und dann ist es mir viel besser gelaufen, als ich es geplant hatte. Ich dachte, dass ich in 3 Stunden 50 ins Ziel komme, aber ich war schon nach 3:42 da. Was war das für ein Erlebnis! Ich hatte von Anfang an ein supergutes Gefühl, ich spürte plötzlich so viel Kraft, obwohl es zwischendurch sehr fest regnete und sogar hagelte. Das tat mir richtig weh im Gesicht, im Ziel war ich pflotschnass. Doch es macht mich stolz, dass ich kein einziges Mal anhalten musste. Ich hatte keine Krise, das hatte auch mit den vielen Zuschauern zu tun, die einen anfeuerten.»
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