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Vontobel-Chef tritt zurück
Zürcher Top-Banker will in die Politik

Vontobel-Chef Zeno Staub kandidiert für die Zürcher Mitte-Partei um einen Sitz im Nationalrat.

Es ist ein Seitenwechsel, der aufhorchen lässt. Zeno Staub, langjähriger Chef der Zürcher Privatbank Vontobel, räumt seinen Posten auf April 2024 und will in die Politik wechseln. Wie die Bank am Mittwoch mitteilte, kandidiert der 54-Jährige bei den Nationalratswahlen im Herbst 2023 für die Zürcher Mitte-Partei. Er tritt als Spitzenkandidat für deren Unterliste «Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft» (AWG) an.

Staub hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert und arbeitete danach 22 Jahre bei der Bank Vontobel, davon 12 als Konzernchef. Laut der Bank wird er sich nach einem Jahr Karenzzeit an der Generalversammlung 2025 zur Wahl in den Verwaltungsrat stellen. Bereits heute sitzt Staub im Verwaltungsrat des Ostschweizer Technologiekonzerns Bühler. 

Lob für Milizsystem

Doch warum der Wechsel vom Banken-Chefsessel in die Politik? Auf Anfrage erklärt Staub, er wolle sich künftig aktiver in der Schweizer Zivilgesellschaft engagieren. Nach zwei Jahrzehnten Führungsverantwortung bei Vontobel wolle er dem Land und den Menschen in der Schweiz wieder etwas von dem zurückgeben, was sie ihm ermöglicht hätten.

Eine der Stärken der Schweiz sei die Tatsache, dass ihre Bürgerinnen und Bürger dem Gemeinwesen dienen wollten, sagt Staub. Die Schweiz sei stark vom Milizsystem geprägt. Dieses sieht er als wichtigen Grund für das «hohe Vertrauen in die staatlichen Institutionen» sowie für den nationalen Zusammenhalt und die Stabilität des Landes. Hiervon profitiere der Finanzplatz Schweiz und schliesslich auch Vontobel.

Staub hatte bisher noch kein politisches Amt inne, wie er sagt. Der aus der Fusion von CVP und BDP entstandenen Mitte-Partei gehört er seit Anfang dieses Jahres an. Die «Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft» engagiert sich nach eigenen Angaben für eine «freie, eigenverantwortliche, aber auch solidarische Gesellschaft». 

Dass ihm das Image als Banker von der Zürcher Bahnhofstrasse im Zuge des CS-Debakels schaden könnte, glaubt Zeno Staub nicht. Die Wählerinnen und Wähler wüssten zu differenzieren. Banker zu sein, sei eine «seriöse, professionelle Tätigkeit» mit einer wichtigen gesellschaftlichen Funktion. Jeder und jede habe schliesslich ein Interesse daran, dass mit Ersparnissen oder Pensionskassengeldern sorgfältig umgegangen werde. 

Möglicher Nachfolger für Silvia Steiner?

Ob Staub als Kandidat auf einer Unterliste der Mitte den Sprung nach Bern schafft, ist unsicher. Auf der offiziellen Mitte-Nationalratsliste kandidieren neben dem Bisherigen Philipp Kutter, der auch für den Ständerat antritt, Co-Parteipräsidentin Nicole Barandun und Yvonne Bürgin, Fraktionspräsidentin im Kantonsrat, auf den vordersten Plätzen.

Staub gibt sich kämpferisch: «Die Mitte tritt an, um mindestens einen zusätzlichen Sitz zu holen; wir glauben, dass wir mit unserer Positionierung durchaus reelle Chancen haben, dieses Ziel zu erreichen.» Eine Nichtwahl im Herbst wäre für ihn zudem keine Tragödie, wie er sagt. Er richte sein politisches Engagement längerfristig aus.

Ob er gar Ambitionen verspürt, ins Rennen um die Nachfolge von Mitte-Regierungsrätin Silvia Steiner zu steigen, die 2027 nicht mehr antreten dürfte, lässt Staub offen. 

Mitte hofft auf Wahllokomotive

Mitte-Co-Präsidentin Nicole Barandun zeigt sich erfreut über Staubs Kandidatur: «Konkurrenz belebt das Geschäft.» Mit Zeno Staub habe die Mitte einen Kandidaten, der sehr bekannt sei, Wirtschaftskompetenz mitbringe und über ein grosses Netzwerk verfüge. «Eine solche Wahllokomotive kann der Partei nur nützen.» Mit einer Unternehmerliste zeige die Mitte zudem, dass sie über ökonomischen Sachverstand verfüge.

Doch muss Barandun selber nicht befürchten, dass ihr der prominente Newcomer einen Sitz in Bern wegschnappt? Sie gibt sich diplomatisch: Die Mitte wolle «mindestens einen zusätzlichen Nationalratssitz holen», mit wem, sei letztlich zweitrangig. Auch Barandun könnte sich Zeno Staub «durchaus als Kandidaten für die Nachfolge von Silvia Steiner vorstellen», wie sie sagt.

Es lockt der Prestigegewinn

Bei einer Wahl würde sich Staub einreihen in die Riege von Unternehmerinnen und Unternehmern in National- und Ständerat, wie Magdalena Martullo-Blocher (SVP), Jacqueline Badran (SP), Marcel Dobler (FDP), Thomas Matter (SVP) oder Jürg Grossen (GLP). 

«Das Interesse an einem politischen Mandat ist möglicherweise in den letzten Jahren bei einigen unternehmerisch tätigen Personen gestiegen», sagt die Politologin Sarah Bütikofer. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass in vielen Politikfeldern Reformen schwer durchsetzbar sind. «Es ist durchaus denkbar, dass Personen, die es gewohnt sind, Entscheidungen zu fällen und schnell umzusetzen, sich dadurch angezogen fühlen und gerne auch in der Politik etwas bewirken wollen.» Ob diese Anziehungskraft dann auch in einer erfolgreichen politischen Karriere mündet, stehe aber auf einem ganz anderen Blatt. 

Der Politgeograf Michael Hermann sieht es ähnlich. Gerade ein Amt als National- und Ständerat scheine heute für einige erfolgreiche Unternehmerfiguren attraktiv zu sein. Die nationale Ebene garantiere eine breite Wahrnehmung und nach wie vor ein grosses Prestige. Wohlhabende Personen könnten sich einen teuren Wahlkampf leisten und später auch Hilfskräfte für die parlamentarische Arbeit anstellen, sagt Hermann. Dagegen fehlten Unternehmer eher auf den unteren föderalen Ebenen, wo viel Knochenarbeit geleistet werden müsse und es wenig Prestige zu gewinnen gebe.