Zürcher Migrationsamt zurückgepfiffenVerlobungsfotos und private Chats – Paar soll Liebe beweisen
Einem irakischen Asylbewerber wurde vorgeworfen, er wolle eine Scheinehe eingehen. Deshalb hatte das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ob es wahre Liebe ist.
Es liest sich ein bisschen wie eine Szene aus dem Kultfilm «Die Schweizermacher», steht aber so in einem kürzlich veröffentlichten Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts. Das Migrationsamt vermutete, dass der 25-jährige irakische Asylbewerber A. eine Scheinehe plane. A. und seine Verlobte C. mussten höchst Privates preisgeben, um zu beweisen, dass sie sich lieben.
Der Sachverhalt: A. reiste im Januar 2016 in die Schweiz ein. In den darauffolgenden Jahren (2017 und 2021) wurden seine Asylanträge abgewiesen. Auf sein Härtefallgesuch vom 10. Juni 2022 ging das Migrationsamt des Kantons Zürich nicht ein.
Begründung: Sein Aufenthalt sei in der Vergangenheit wiederholt unbekannt gewesen. Damit erfülle A. die bundesrechtlichen Kriterien nicht. Ansonsten wirft man A. in den Gerichtsakten nichts vor.
Verdacht auf Scheinehe
Am 12. Mai 2023 reichte A., der immer noch in der Schweiz weilte, ein Gesuch um Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung ein, um die Ehe mit der Schweizerin C. vorzubereiten. Denn ohne eine offizielle Aufenthaltsbewilligung – auch wenn sie nur kurz ist – ist eine Heirat nicht möglich. A. und C. waren, so steht es im Entscheid des Verwaltungsgerichts, seit dem 24. Mai 2022 ein Liebespaar.
Das Migrationsamt wies den Antrag auf Kurzaufenthaltsbewilligung ab, da von einer Scheinehe auszugehen sei. Denn die Ehe mit einer Schweizerin würde für A. die Aussicht auf einen weiteren Verbleib in der Schweiz verbessern.
Das Migrationsamt argumentierte, mit dem Eheschluss sei nicht in absehbarer Zeit zu rechnen. Das Verwaltungsgericht widerspricht: Es fehlen lediglich noch ein paar Unterschriften.
Weiter zweifelte das Migrationsamt an, dass es sich zwischen A. und C. um eine echte Liebesbeziehung handelt. Diese versuchten, das Gegenteil zu beweisen.
Wie beweist man Liebe?
Aus den gerichtlichen Unterlagen geht hervor, dass das Paar unzählige gemeinsame Fotos vorlegte. Aufgenommen über Monate hinweg und an verschiedenen Orten. Zudem reichten sie gemeinsame Fotos mit Verwandten und Freunden ein. Und Fotos der Verlobungsfeier in festlicher Kleidung. Zudem gaben sie Einsicht in ihre Whatsapp-Chats. Über Monate hinaus.
Ergänzend dazu gaben Angehörige von C. und zahlreiche andere Personen Referenzen für die Liebesbeziehung der beiden ab. Auch schilderte die Verlobte ihr Verhältnis zu A. in einem umfangreichen Schreiben.
Das Schreiben der Verlobten liess das Migrationsamt nicht als Liebesbeweis gelten, da dieses «nicht das Bild eines jungen verliebten Paares, sondern mehr einer Partnerschaft mit rationalem Hintergrund» ergebe. So schreibe die Verlobte, dass Liebe nicht nur aus Gefühlen bestünde, sondern auch eine Entscheidung sei.
Die Situation eskaliert
Im September 2023 eskalierte die Situation. Nach der Abweisung der Kurzaufenthaltsbewilligung ordnete das Migrationsamt eine Meldepflicht an. A. wurde verpflichtet, jeden Mittwoch persönlich beim Migrationsamt vorzusprechen. A. wiederum reichte Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein.
Am 20. September, um 8 Uhr, meldete er sich ordnungsgemäss auf der Amtsstelle und wurde verhaftet. Gleichentags erliess das Staatssekretariat für Migration (SEM) ein dreijähriges Einreiseverbot gegen A. Bereits am nächsten Tag wurde A. mit einem Sonderflug in den Irak ausgeschafft.
Das ist der erste Punkt, den das Verwaltungsgericht rügt: Es habe keinen Grund gegeben, die Ausschaffung derart voranzutreiben. Diese Ausschaffung verletze den Grundsatz, wonach unverhältnismässige, schikanöse Ausreiseverpflichtungen zu unterlassen seien.
Wahre Liebe
Auch den Vorwurf der Scheinehe entkräftet das Verwaltungsgericht: Es spricht von zahlreichen Beweismitteln, welche die Echtheit der Beziehung bestätigten. Als weiteres Indiz einer gelebten Beziehung sieht das Verwaltungsgericht darin, dass die Verlobte A. nach dessen Ausschaffung in den Irak nachgereist ist.
Das Verwaltungsgericht hält fest, es könne nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten von A. geschlossen werden. Es weist das Migrationsamt an, A. eine Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat zu erteilen.
Endentscheid: VB.2023.00631
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