Aus dem Zürcher VerwaltungsgerichtSchulden und ein böser Verdacht sind kein Hindernis für diese Ehe
Seine Verlobte ist stark verschuldet, das Migrationsamt vermutet eine Scheinehe. Trotzdem ermöglicht das Verwaltungsgericht einem Marokkaner die Hochzeit.
Die Liebesgeschichte, mit der sich das kantonale Verwaltungsgericht kürzlich befassen musste, begann nach Angaben des Paares im November 2020. Damals lernte ein heute 42-jähriger Marokkaner über die sozialen Medien eine Italienerin kennen, die ein Jahr älter ist und im Kanton Zürich wohnt. 13 Monate lang hatten die beiden nur virtuell Kontakt.
Doch ab dem 22. Dezember 2021 ging es plötzlich schnell: Der Marokkaner reiste mit einem Schengen-Visum in die Schweiz und zog bei der Italienerin ein, die mit einer Tochter aus früherer Beziehung zusammenlebt. Drei Wochen später meldete sich das Paar beim Standesamt an. Und der Bräutigam in spe beantragte eine Aufenthaltsbewilligung, um seine Verlobte zu heiraten.
Über 90’000 Franken Schulden
Doch das Zürcher Migrationsamt stellte sich dem Hochzeitsglück in den Weg. Grund: Bei seinen Abklärungen hatte es herausgefunden, dass die Italienerin stark verschuldet war. Gegen sie lagen 72 Verlustscheine im Gesamtbetrag von über 90’000 Franken vor. Wegen dieser Finanzsituation und des Verdachts auf eine Scheinehe wies die Behörde den Marokkaner im Juli 2021 an, das Land unverzüglich zu verlassen.
Doch der Mann kämpfte um die Ehe und sein Aufenthaltsrecht. Zuerst rekurrierte er bei der kantonalen Sicherheitsdirektion. Auch diese liess ihn abblitzen. Wieder wurde er aufgefordert, das Land zu verlassen, weil er sich illegal hier aufhalte.
Schliesslich gelangte der Marokkaner mit einer Beschwerde ans Zürcher Verwaltungsgericht, das sich – allerdings erst nach einem Kostenvorschuss – nun mit dem Fall auseinandergesetzt hat. Für das Gericht müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, um dem Paar die Ehevorbereitung zu ermöglichen. Erstens müssten die beiden eine «bedarfsgerechte Wohnung» haben und zweitens ein existenzsicherndes Einkommen belegen können.
Bei der Wohnung hat das Paar Glück. Es lebt seit über anderthalb Jahren in einer 4 ½-Zimmer-Wohnung, die der Kindsvater seiner Ex-Partnerin untervermietet. Das Gericht hat auch keine grossen Zweifel, dass dieses Wohnverhältnis bestehen bleiben kann.
Mit Blick auf die Schulden der Frau nahm es das dreiköpfige Richtergremium hingegen beim Kassensturz ganz genau. Unter dem Strich kam es auf ein Minus von 95 Franken pro Monat, als es die absehbaren Einnahmen der Brautleute samt den Unterhaltszahlungen für das Kind den Ausgaben gegenüberstellte. Ein derart geringer Fehlbetrag ist aber für das Gericht kein Grund, dem Paar die Heirat zu verweigern. Auch dass die Italienerin über ihre Verhältnisse gelebt und hohe Schulden angehäuft hat, ist kein Hindernis für die Ehe. Denn Sozialhilfe bezieht sie keine.
«Auffällige Art des Kennenlernens»
Und was ist mit dem Verdacht der Scheinehe, den das Migrationsamt aufbrachte? Er hat sich offenbar im Lauf des Verfahrens etwas zerstreut: «Vor Verwaltungsgericht wurde Derartiges nicht mehr behauptet», heisst es im Urteil. Der Beschwerdeführer selbst habe bei den Vorinstanzen zahlreiche Belege nachgereicht, die zeigen sollen, dass es das Paar ernst meint. «Unter anderem wurde die erste Whatsapp-Kommunikation im November 2020 vorgelegt, welche die Darstellung zum Kennenlernen untermauert.» Aus Sicht des Gerichts ist allerdings genau diese auffällige Art des Kennenlernens neben dem forschen Tempo der Eheanbahnung ein Anhaltspunkt für eine mögliche Scheinehe. Aber auch das reiche in der Gesamtwürdigung nicht, um von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Marokkaners auszugehen.
Fazit des Richtertrios: Es heisst die Beschwerde gut und weist das Migrationsamt an, dem 42-Jährigen «eine sechsmonatige Kurzaufenthaltsbewilligung zur Ehevorbereitung zu erteilen». Zudem verpflichtet das Gericht das Amt, dem obsiegenden Beschwerdeführer für das Rekursverfahren eine Parteientschädigung von 2000 Franken zu überweisen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.
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