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Kantonsrat sagt Nein zu Bezahlkarten
«Deutschland als Vorbild im Asylwesen? Gute Nacht, SVP!»

ARCHIV - 17.01.2024, Baden-Württemberg, Offenburg: Ein Geflüchteter hält eine Debitcard in der Hand. (zu dpa: «Mehr als 1100 Bezahlkarten an Asylbewerber in Hamburg ausgegeben») Foto: Philipp von Ditfurth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Philipp von Ditfurth)
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Die SVP versucht auf allen politischen Ebenen, die Bezahlkarte für Asylsuchende nach deutschem Vorbild einzuführen. Doch der Erfolg ist bescheiden. Der Bundesrat sagte Nein, der Aargauer Grossrat ebenso, und am Montag hat auch der Zürcher Kantonsrat das Ansinnen abgelehnt.

Daran änderte auch die Tatsache nicht, dass die FDP im Kantonsparlament – anders als die Kollegen im Bundeshaus – Ja sagte. Alle anderen Parteien lehnten die Einführung einer Bezahlkarte ab.

Die Grundidee von SVP und FDP: Asylsuchende sollten das Geld für den täglichen Bedarf wie Esswaren und Hygieneprodukte statt in bar auf einer Debitkarte ausbezahlt erhalten. Überweisungen ins Ausland sollten damit nicht möglich sein, Überweisungen im Inland eingeschränkt.

«Gute Erfahrungen» in Deutschland

Die Karte trenne «echte und missbräuchliche Flüchtlinge», sagte Christina Zurfluh Fraefel (SVP, Wädenswi). Denn sie verhindere, dass Menschen nur hierherkämen, um Geld in ihre Heimatländer schicken zu können. Ihr Niederglatter Parteikollege Stefan Schmid ergänzte, die Behörden müssten sicherstellen, dass die ausbezahlten Beträge nicht an Schlepperbanden fliessen.

Mehrere Rednerinnen und Redner verwiesen auf Deutschland, wo die Bezahlkarte für Geflüchtete auf den 16. Mai dieses Jahres eingeführt worden ist. Das sei «zur Abwechslung mal eine interessante Idee aus Deutschland», sagte Linda Camenisch (FDP, Wallisellen). Erste Landkreise hätten bereits gute Erfahrungen gemacht.

Was unter «guten Erfahrungen» zu verstehen ist, schilderte SVP-Präsident Domenik Ledergerber (Herrliberg) so: «In Thüringen reisten nach der Einführung der Bezahlkarte Dutzende Asylsuchende ab. Das ist es, was wir wollen.»

Teuer und bürokratisch

Das Beispiel Thüringen griff auch Alan Sanginés (SP, Zürich) auf. So positiv sei dieses nun auch wieder nicht: «Der Verwaltungsaufwand ist riesig. Und jede Karte kostet sechs Euro pro Ausstellung und einen Euro pro Aufladung.» Auf den Kanton Zürich umgerechnet, würde das System etwa eine halbe Million Franken pro Jahr kosten.

Andrea Gisler (GLP, Gossau) erinnerte daran, dass die Ausgangslage in Deutschland eine ganz andere sei als in der Schweiz. Tatsächlich wurde die Bezahlkarte in Deutschland nur als zusätzliche Möglichkeit eingeführt, wie Leistungen an Asylsuchende ausgerichtet werden können. Die konkrete Ausgestaltung ist den Bundesländern überlassen.

Lisa Letnansky (AL, Zürich) argumentierte grundsätzlicher: Es sei «frech», Asylsuchenden vorschreiben zu wollen, wie und wo sie einkauften. Ohne Bargeld leben zu müssen, sei demütigend und ausgrenzend. «Die Schweiz könnte hier ein Zeichen setzen, indem sie bei diesem vulgären Wettbewerb, wer Asylsuchende am schlechtesten behandelt, nicht mitmacht.»

Schlicht als «Rohrkrepierer» bezeichnete Josef Widler (Mitte, Zürich) die Idee. Die Karte verhindere nicht, dass Geld zweckentfremdet werde: «Diese Leute sind auf gefährlichen Routen zu uns geflüchtet und haben sich durchgeschlagen. Sie fänden auch Mittel und Wege, die Einschränkungen zu umgehen.»

Das Thema bleibt auf der Agenda

Gegen die Bezahlkarte stellte sich auch der Regierungsrat. «Deutschland als Vorbild im Asylwesen?», fragte Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos). «Dann gute Nacht, SVP!» Deutschland sei im Asylwesen «ein Failed State, da geht gar nichts mehr». Natürlich habe auch die Schweiz Probleme im Asylwesen, aber diese seien im Vergleich zu Deutschland überschaubar und mit raschen Verfahren lösbar.

Der erste Vorstoss, eine Motion, scheiterte schliesslich mit 94:77 Stimmen. Aber die beiden Parteien hatten vorgesorgt und gleichzeitig eine parlamentarische Initiative eingereicht – ein einmaliger Vorgang im Kantonsrat, den die Gegenseite als «Buebetrickli» bezeichnete. Damit fuhren die Bürgerlichen doch noch einen Mini-Erfolg ein. Denn die 60 Stimmen, die es für eine vorläufige Überweisung braucht, erreichten die beiden Parteien locker.

Worauf die SVP in einer Medienmitteilung titelte, die Initiative sei «überwiesen worden». Doch spätestens wenn es um die definitive Unterstützung geht, dürfte der Vorstoss abgelehnt werden. Für diesen Fall hat die Partei bereits mit einer Volksinitiative gedroht.

Update von 9 Uhr: In einer ersten Version dieses Textes stand, das Bezahlkartensystem würde für den Kanton Zürich eine Million Franken pro Jahr kosten, sofern die Kosten ähnlich hoch wären wie in Thüringen. Richtig ist, dass die Kosten unter dieser Voraussetzung bei einer halben Million lägen.