Stadtzürcher DerbyZwei Rivalen wollen den Anschluss nicht verlieren
Der FC Zürich hat das Siegen verlernt, und die Grasshoppers sollen unter neuer Führung zurück nach Europa. Das Duell bietet auch Spannung auf den Nebenschauplätzen.
Die Zeichen könnten für den FC Zürich eindeutig besser stehen. Für das 284. Derby sind der Cheftrainer und der beste Torschütze gesperrt. In vier Partien in Serie blieb man zuletzt ohne Sieg, dazu kommt ein verärgerter Antonio Marchesano nach seiner Auswechslung im Spiel gegen Basel.
Das Team von Trainer Bo Henriksen steckt in einem Formtief. Nach dem 3:1-Sieg gegen YB vor rund zwei Monaten war man mit zwei Punkten und einem Spiel Vorsprung auf den amtierenden Meister auf dem ersten Rang. Seither hat man in vier Spielen nur noch zwei Punkte geholt, und der Rückstand auf YB beträgt neun Punkte. Dennoch will Henriksen von einer Krise nichts wissen: «Mein Job ist es, auf das grosse Ganze zu schauen und nicht auf eine solch kurze Zeitspanne.»
Und wenn es nach dem Dänen geht, hätte der FCZ drei der vier letzten Spiele gewinnen müssen. Ausser gegen St. Gallen seien sie immer überlegen gewesen. Doch der Konjunktiv bringt den Zürchern die verlorenen Punkte nicht wieder zurück.
Neben den Resultaten gab es noch andere Irritationen. Antonio Marchesano war mit seiner Auswechslung im Spiel gegen Basel alles andere als einverstanden. Der Offensivspieler tat seinen Ärger vor laufender Kamera im Interview mit SRF kund: «Ich glaube, dass ich gut im Spiel war, ein paar gute Aktionen hatte, und war daher unzufrieden mit dem Wechsel.»
Toptorschütze und Trainer fehlen
Sein Trainer versucht an der Medienkonferenz die Wogen zu glätten: «Niemand mag es, ausgewechselt zu werden, aber jeder muss verstehen, dass wir gute Spieler auf der Bank haben und einwechseln, auch Marchesano.» Der FCZ wird den 33-Jährigen, der bisher sieben Saisontore erzielte und drei Assists verbuchte, im Spiel gegen GC dringend benötigen. Jonathan Okita, der mit neun Goals aktuell beste Torschütze seines Teams, fehlt aufgrund einer Gelbsperre. Auch Bo Henriksen muss das Spiel gelbgesperrt von der Tribüne aus beobachten. An der Seitenlinie wird Assistenztrainer Murat Ural den Dänen vertreten.
Über allem stehen die immer noch ungeklärte Zukunft zwischen Club und Trainer und der Streit mit der Stadt über die Schliessung der Südkurve für das nächste Heimspiel gegen Lausanne-Sport. Die Zürcher haben von der Stadt eine anfechtbare Verfügung erhalten, die sie rechtlich prüfen werden. Es gab schon ruhigere Zeitpunkte für den Tabellendritten, um in ein Derby-Wochenende zu starten.
Vielleicht ist das ja die grosse Chance für die Grasshoppers. Ein Derby hat der Rekordmeister seit dem Aufstieg gewonnen, es war ein rauschendes 4:1 im Oktober 2022. Jetzt ist GC amerikanisch, die Erwartungen an die neuen Eigentümer sind gross, der Eindruck gut. Gerade weil die chinesischen Eigentümer als Vorgänger der Amerikaner nur noch eines mit dem Verein wollten: ihn loswerden.
Harald Gärtner ist der Leiter Europa beim Los Angeles FC und einer der wichtigsten Köpfe in diesem neuen Projekt. Er mag noch keine Interviews geben, er will sich zuerst ein Bild machen. Stattdessen reden am Donnerstag Trainer Bruno Berner und Sportchef Bernt Haas. Sie wirken wie die Abgesandten der Chefs, ihr Auftrag: erst einmal auf die Euphoriebremse treten.
Es wird nicht so sein, dass die neuen Eigentümer in diesem Winter mit Geld um sich werfen werden. Berner und Haas wollen Verstärkungen und haben ihre Ideen vorgebracht, Gärtner wird sie prüfen. «Er kennt dank seines Netzwerks noch viele weitere Spielerprofile», sagt Haas. Und Berner: «Wir haben klare Pläne, jetzt geht es darum, dass wir uns gegenseitig finden.» Wichtig ist schon einmal, dass die erste Vorgabe nicht mehr bloss Zurückhaltung ist, wie zuletzt unter den Chinesen.
Schwächen in der Offensive
Der Name Michael Lang, langjähriger GC-Spieler, der aktuell beim FC Basel keine grosse Rolle mehr spielt, hält sich weiterhin hartnäckig. Haas und Berner wollen sich nicht dazu äussern. Mit der Defensive ist Berner eigentlich ohnehin zufrieden. Die Ausbeute der Offensive aber ist mager. Die hohen Siege gegen Lausanne-Sport (5:0) und Lausanne-Ouchy (5:2) lassen vieles besser aussehen, als es ist. Denn abgesehen von diesen zwei Ausreissern ist GC vor dem gegnerischen Tor harmlos.
Nur zwei Spieler haben bisher mehr als drei Tore erzielt, Awer Mabil und Tsiy Ndenge, Letzterer als zentraler Mittelfeldspieler. Das Problem vor dem Duell mit dem Stadtrivalen: Sie beide fehlen noch mehrere Wochen verletzt.
Zudem ist Theo Corbeanu als letztes Überbleibsel der Zusammenarbeit mit den Wolverhampton Wanderers nach England zurückgekehrt. GC wollte ihn behalten, er wollte bleiben, aber diese Partnerschaft ist vorbei.
Dieses Derby könnte eine grosse Chance sein für GC, wären da nicht die eigenen Probleme im Kader. In dieser Form macht gerade die Offensivabteilung kaum jemandem Angst in der Super League.
Es ist ein Derby, das die Wege beider Vereine in einer entscheidenden Meisterschaftsphase prägen kann. Die Grasshoppers wollen nicht bald den warmen Atem der Konkurrenz auf den Abstiegsplätzen im Nacken haben. Der FC Zürich darf sich im Dreikampf um Platz zwei nicht den nächsten Dämpfer erlauben. Der Meistertitel scheint beim zeitweiligen Leader des letzten Herbsts im neuen Jahr kein Thema mehr zu sein.
Dennoch gab es vonseiten «Happy Bo» eine erfreuliche Botschaft: Im Freundeskreis seines siebenjährigen Sohnes sei das Derby vom Sonntag in aller Munde.
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