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Brauchtum in den USA
Zuckerschock zu Halloween

Bald heisst es in den USA wieder: «Trick or treat!» – wie hier in New York City.
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Der Schrecken breitet sich aus in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Von Strasse zu Strasse ziehen sich Spinnennetze durch die Vorgärten von Washington, aus den Rasenflächen recken knöcherne Arme und tote Hände in die Höhe, ­beobachtet von leeren Augen­höhlen von Totenschädeln.

Was klingt wie ein Bild aus der neusten Folge der beliebten Netflix-Serie «Stranger Things», ist eine Tradition. Jährlich in den Wochen vor Halloween, der Nacht auf den 1. November, frönen Amerikanerinnen und Amerikaner ­ihrem Herbsthobby Nummer 1 – neben dem Schlürfen von gewürztem Kürbis-Latte: Haus und Garten mit Spinnen, Monstern, Grabsteinen und allerlei Kürbissen – von Kunststoff bis elektrisch aufblasbar – zu verzieren. Seit diesem Jahr weist eine App den Weg zu den Strassenzügen mit den meisten dekorierten ­Häusern.

Manche Medien blasen trotzdem Trübsal: Um sage und schreibe 13 Prozent sei der Preis für Süssigkeiten gestiegen, schrieb National Public Radio jüngst mit Verweis auf die offiziellen Teuerungsstatistiken. Eine Schreckensnachricht kurz vor dem Vorabend von Allerheiligen, an dem Horden von Kindern verkleidet durch die Strassen ziehen und an den Türen um Süssigkeiten betteln mit der Aufforderung «Trick or treat», «Süsses oder Saures».

7000 Kalorien an einem Tag

Die Regale in den Supermärkten quellen über mit riesigen Säcken einzeln abgepackter Schokoladen- und Erdnussriegel; spätestens in zwei Wochen sind sie alle ausverkauft.

Dabei würde es vielen amerikanischen Kindern zweifellos gut anstehen, weniger Süsses zu essen: Sie konsumieren im Durchschnitt doppelt so viel Zucker wie Gleichaltrige in Europa. Halloween ist in dieser Hinsicht ein Höhepunkt amerikanischer Exzesskultur.

Amerikanerinnen und Amerikaner verschlingen in diesen Tagen eineinhalb Kilogramm Bonbons und Schokolade, Kinder nehmen an dem Ausnahmetag bis zu 7000 Kalorien zu sich, mehr als das Dreifache ihres Bedarfs – und zwar ausschliesslich industriell produzierte Süssigkeiten. Selbstgebackenes ist an Halloween verpönt, weil die meisten Kinder ohnehin eine Tüte M&Ms vorziehen. Aber auch aus Sicherheitsgründen sind einzeln verpackte Portionen zu servieren – schon lange vor Covid.

Trotz allem: Von der Krise nichts zu spüren

In den dekorierten Strassen von Washington ist von einer Krise nichts zu spüren. Die aufblasbaren Hexen, Drachen und Kürbisse scheinen zahlreicher geworden zu sein und noch ein Stock­werk höher zu ragen. Vielleicht haben die Amerikanerinnen und Amerikaner ja auf Pump aufgerüstet, bevor nächstes Jahr alles noch teurer wird: Ihre Kreditkartenschulden sind binnen Jahresfrist um 13 Prozent gestiegen, auf mehr als 5000 Dollar pro Person.

Gut möglich, dass in Zeiten horrender Inflation einige lieber den «trick» wählen – also den Streich, als teure Süssigkeiten an die Kinder zu verteilen. Was dann droht, ist allerdings nicht absehbar. Von einem enttäuschten Kind bis zu einem Rudel aufgebrachter Teenager, die Mülleimer umstossen und das Haus mit Toi­lettenpapier und Eiern bewerfen, ist mit allem zu rechnen.

Klar ist einzig, dass der Zuckerschock einem keine Wahl lässt: US-Präsident Joe Biden und seine Partei können sich an den Zwischenwahlen vom 8. November nicht mit Süssigkeiten freikaufen – ihnen dürfte übel mitgespielt werden.