Tastaturdebatte im Zürcher KantonsratSollen Kinder das Zehnfingersystem in der Schule lernen?
Den Text für ihre Rede hat eine Kantonsrätin diktiert. Word hat ihn geschrieben, und Chat-GPT hat die Kommas gesetzt. Ist das die Zukunft? Das Parlament fand: eher ja.
Zuerst eine Anmerkung: Der vorliegende Text wurde mit einem eigenwilligen Zwei-bis-sechs-Finger-System geschrieben. Der Autor hatte zwar in der Gymi-Zeit vor sehr vielen Jahren die Gelegenheit, an einem Kurs das Zehnfingersystem auf der Qwertz-Tastatur zu erlernen. Doch die Wirkung war längerfristig gering bis ausbleibend. Vielleicht auch, weil die Gerätetastaturen damals noch nicht so geschmeidig waren wie die heutigen.
Ähnlich tickt rund ein Drittel unserer Leserschaft, wie eine nicht repräsentative Umfrage vor einem knappen Jahr ergeben hat. Weit über 60 Prozent schwören aber auf das Zehnfingersystem.
Grundlage für Erfolg?
Am Montag hat sich der Zürcher Kantonsrat mit dem Thema Tastaturschreiben befasst. Sandra Bossert (SVP, Wädenswil) schlug in einer Motion vor, das Zehnfingersystem in den Schulen prioritär zu fördern. «Schnelles und fehlerfreies Tippen ist die Grundlage eines erfolgreichen Berufseinstiegs», sagte sie und mahnte, nicht alles der künstlichen Intelligenz (KI) zu überlassen.
Urs Glättli (GLP, Winterthur) räumte Sympathien für das Anliegen ein und fing launig an, Tastaturkombinationen zu zitieren, die zufälligerweise das Kürzel seiner Partei in ein gutes Licht stellten. Trotzdem sprach er sich gegen ein Schulobligatorium aus. Heute könne man Siri rufen, und die Maschine schreibe, sagte er. Oder entsprechende Applikationen nutzen, die die Arbeit erledigten. Es sei egal, wie man schreibe. Hauptsache, man schreibe, sagte Glättli.
Lieber mehr Deutschunterricht
FDP-Referentin Raffaela Fehr (Volketswil) erklärte, dass sie ihren Redetext, den sie vom Laptop ablies, diktiert habe. Das Programm Word habe das Gesagte geschrieben, und am Ende korrigierte die KI-Maschine Chat-GPT die fehlerhafte Interpunktion. «Der Vorstoss kommt zu spät», sagte Fehr. Die Schule solle lieber mehr Zeit in den Deutschunterricht investieren.
Weitere Rednerinnen und Redner äusserten sich ähnlich, erwähnten Bemühungen in viele Schulen und brachten das formale Totschlagargument vor, dass nicht der Kantonsrat, sondern der Bildungsrat für den Fächerkanon an den Zürcher Schulen zuständig ist.
Bedeutung des Tastaturschreibens nimmt ab
Das betonte auch Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte), die von QR-Codes, Apps und anderen digitalen Hilfsmitteln sprach, die heutzutage die Schreibarbeit erleichterten. «Die Bedeutung des Tastaturschreibens und somit des Zehnfingersystems hat in der Schule wie in der Berufswelt deutlich abgenommen», sagte Steiner und empfahl Bosserts Motion zur Ablehnung.
Dem folgten mit 121:50 Stimmen auch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Für den entsprechenden Knopfdruck an der Abstimmungsanlage brauchten sie nur einen Finger.
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