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Young Boys - RB Leipzig: 1:3
Schockstarre, Ekstase, Hadern – YB zeigt die ganze Gefühlspalette

Am Ende bleibt nur die Enttäuschung. Silvere Ganvoula mag gar nicht hinsehen, wie Leipzig jubelt.
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Sie haben gejubelt, gehofft, gebibbert. Doch als das Auftaktspiel der Young Boys in der Champions League im ausverkauften Wankdorf gegen RB Leipzig beendet ist, hadern die Berner. «Zwei Tore nach Standards», sagt Sandro Lauper zu den ersten beiden Gegentreffern. «Das darf nicht passieren. Gegen einen solchen Gegner müssten wir diese Situationen eigentlich für uns entscheiden.»

Was der Mittelfeldspieler meint: Bei stehenden Bällen kann der Aussenseiter den Qualitätsverlust wettmachen – zumindest in der Theorie.

1:3 verlieren die Young Boys, sie geraten damit im Kampf um Rang zwei frühestmöglich in Rücklage. Natürlich, ein Überwintern in der Champions League würde einem Exploit gleichkommen. Realistischer ist da schon Rang drei. Roter Stern Belgrad ist in zwei Wochen nicht nur der nächste Gegner, sondern auch einer auf Augenhöhe. «Die Enttäuschung ist da», sagt YB-Trainer Raphael Wicky. «Aber über weite Strecken zeigten wir einen guten Match.»

Wicky scheint den Pep zu machen

Wicky überrascht mit seiner Aufstellung. In seiner 58. Partie als YB-Trainer rückt er erstmals vom 4-4-2-System ab, er setzt stattdessen auf eine defensive Dreierkette plus Fünfermittelfeld, mit den Verteidigern Ulisses Garcia und Saidy Janko als Aussenläufer. Es ist auf dem Papier eine defensive Aufstellung, aber die Leipziger sind auch der mit Abstand stärkste Gegner, auf den die Young Boys unter Wicky getroffen sind.

Die erste Hälfte lässt sich in zwei Hälften teilen. Und die erste würden die Berner am liebsten so schnell wie möglich vergessen: Keine 30 Sekunden sind absolviert, als Sandro Lauper in der Mittelzone den Ball verliert, ein absolutes No-go gegen den rasanten Rasenball-Fussball. Ein paar Augenblicke später hadert RB-Stürmer Loïs Openda schon über die erste vergebene Chance.

Aber das genügt den Young Boys nicht als Warnung. Wicky sieht ein Team in «Schockstarre». Die Berner suchen ihre Positionen und finden keinen Halt, gerade die linke Seite mit Loris Benito und Garcia ist enorm anfällig.

Als die Leipziger wieder einmal über diese Seite angreifen und einen Corner herausholen, führt dieser zum 1:0 durch Mohamed Simakan. Aurèle Amenda, einer der Neuen in der Startaufstellung, hat den Leipziger Verteidiger aus den Augen verloren, Goalie Anthony Racioppi sieht beim Kopfball aus kurzer Distanz auch nicht gut aus. 3 Minuten sind gespielt, 1:0 RB, ein erstes Fazit: Wicky scheint den Pep zu machen.

Guardiola mag der Welttrainer sein, aber er hat sich gerade in grossen Partien einige Male vercoacht, weil er mit seiner Taktik zu kreativ werden wollte.

So geht es noch ein bisschen weiter, es sind lange Minuten für die Young Boys, in denen sie den Gegner immer wieder zu Gegenzügen einladen. Bald einmal lautet das Schussverhältnis 7:1 für die Gäste.

Elia als Tippkick-Figur

Aber es bleibt bei diesem einen Tor. Und allmählich wird sichtbar, was sich Wicky mit der Aufstellung überlegt hat. Die Leipziger Stürmer sind bei der Dreierkette nun gut aufgehoben, das Mittelfeld um Lauper und Niasse behauptet sich mit Ruhe und Giftigkeit im Ballbesitz wie in den Zweikämpfen. Und Garcia ist in seiner offensiveren Position Ausgangspunkt fast jedes Angriffs. Einzig der uninspirierte Janko ist rechts im Mittelfeld eine Fehlbesetzung.

YB-Stürmer Meschack Elia zieht auf – und drischt dann den Ball zum 1:1 ins Tor.

Und dann ist da noch Meschack Elia, der kleine Wirbelwind, der wieder einmal die grosse Bühne zu einem Glanzauftritt nutzt. Nach 33 Minuten leitet Filip Ugrinic den Ball zu ihm weiter, er zögert nicht, er hat nur diesen einen Gedanken: den Ball sofort aufs Tor zu bringen. Mit der Fussspitze und durchgestrecktem Bein trifft er, er mag dabei wie eine Tippkick-Figur aussehen, aber es ist ein herrlicher Treffer.

Die Young Boys sind nun ebenbürtig, sie gewinnen mit jeder Minute an Selbstvertrauen, das Schwimmfest aus der Anfangsphase? Vergessen. Leipzigs Trainer Marco Rose sieht beim Gang in die Kabine in seinen Air Jordans immer noch lässig aus. Die Lockerheit jedoch ist verflogen.

Der mutige Schiedsrichter

Dabei kommt die Pause zum richtigen Zeitpunkt für sein Team. Achtung, fertig, los: Als die zweite Halbzeit beginnt, setzt RB sogleich wieder zum Tempofussball an. YB braucht Racioppi, der herausragend pariert und nun zeigt, weshalb ihn Wicky vergangene Woche definitiv zur Nummer 1 erklärt hat. Und YB braucht einen Schiedsrichter, der viel Mut beweist.

Nach 52 Minuten wird dieser vom VAR an die Seitenlinie geschickt. Er soll sich anschauen, wie Simons Camara enteilt und im Strafraum von Racioppi zu Fall gebracht worden ist. Der YB-Goalie trifft den Holländer am Fuss, das ist augenfällig, doch der Schiedsrichter bleibt bei seinem Entscheid: Abstoss statt Elfmeter. Im Wankdorf bricht Jubel aus.

Es bleibt nicht die einzige Szene, bei der die Deutschen hadern. Der eingewechselte Benjamin Sesko erzielt nur das vermeintliche 2:1 (67.), die Fahne des Assistenten geht sofort hoch. Der Stürmer steht tatsächlich im Offside. Nur ein paar Millimeter allerdings.

YB ist in dieser Phase fast nur noch in der Defensive. So kommt es, wie es kommen muss: Nach einem Corner verpassen es die Berner, energisch herauszurücken, Xaver Schlager nimmt die Einladung an, er legt sich den Ball zurecht und trifft aus der Distanz zum 2:1 (74.).

Darauf haben die Berner keine Antwort mehr parat. Auch wenn sie durch eine abgefälschte Flanke von Elia und einen Kopfball von Camara zu Chancen kommen. Das 1:3 fällt in der 92. Minute. Elia, die überragende YB-Figur, verliert am gegnerischen Strafraum den Ball. 15 Sekunden später liegt dieser nach Gegenzug über den ganzen Platz und Schuss des eingewechselten Benjamin Sesko im Tor.

Es ist das letzte Müsterchen des Leipziger Tempofussballs.