«Serbien ist Novak»Streit um Einreise: Die Familie Djokovic attackiert ein ganzes Land
Eltern und Bruder des Serben melden sich an einer Medienkonferenz in Belgrad zu Wort. Sie kennen die Schuldigen schon – und verbreiten Novaks spirituelle Botschaft.
Diese Geschichte wird noch lange drehen. Und die Gemüter werden sich noch lange nicht beruhigt haben. Als in Australien die Nacht gekommen war, lud die Familie Djokovic am Donnerstag in Belgrad zu einer Medienkonferenz. Und wie mehrere Medienberichte erahnen lassen, war es eine ziemlich irre Veranstaltung.
Vorne an einem Tisch sassen Novak Djokovics Vater Srdjan, Mutter Dijana, Bruder Djordje und liessen Elogen und Tiraden vom Stapel. Elogen über Novak, Weltnummer eins im Tennis. Und Tiraden über die Australier in erster Linie, die den ungeimpften Djokovic vorerst nicht wirklich einreisen lassen wollen in ihr Land.
Am Donnerstag hatte Richter Anthony Kelly nach einer ersten Anhörung entschieden, dass Djokovic Australien nicht per sofort verlassen muss und mindestens vier Tage bleiben kann. Dann kommt es am nächsten Montag zu einem zweiten Gerichtstermin.
Man könnte das auch als Erfolg für Djokovic werten. Die Djokovics sehen es anders. Novak Djokovic war zwar im Glauben nach Australien gereist, über die notwendigen Papiere zur Einreise zu verfügen. Die Einreisebehörden am Flughafen von Melbourne sahen das am Mittwochabend kurz vor Mitternacht Ortszeit allerdings anders und wollten Djokovic sofort wieder ins Flugzeug und auf die Heimreise schicken.
«Unser Novak, unser Stolz»
«Unser Novak, unser Stolz», sagte Vater Djokovic zum Beispiel, «Novak ist Serbien, und Serbien ist Novak. Sie trampeln auf Serbien herum, und weil sie das tun, trampeln sie auch auf dem serbischen Volk herum.» Und als ob es den Balkankrieg nie gegeben hätte, verstieg sich Srdjan Djokovic auch zur Behauptung, die Serben hätten in ihrer ganzen Geschichte nie jemanden angegriffen, sondern sich nur selbst verteidigt.
Nach dem Vater übernahm der Bruder das Wort. Djordje berichtete vom «grössten sportlichen und diplomatischen Skandal». Novak habe bei der Einreise die gleichen Dokumente vorgelegt wie andere Spieler, denen die Einreise gewährt worden sei, der nationale australische Tennisverband habe ja alles in die Wege geleitet für eine problemlose Ankunft.
Behandelt wie ein Krimineller?
Bei der Kontrolle sei Novak behandelt worden wie ein Krimineller und wohne jetzt in einem dreckigen Hotelzimmer, berichtete Djordje auch. Und er verlas dann eine Nachricht, die ihm Novak habe zukommen lassen: «Gott sieht alles. Moral und Ethik sind die leuchtenden Sterne zum spirituellen Aufstieg. Meine Gnade ist spirituell, ihre Gnade ist weltlicher Reichtum.»
Es ist das jüngste Kapitel einer immer wahnsinniger wirkenden Geschichte. Am Dienstag dieser Woche hatte die Weltnummer eins im Tennis bekannt gegeben, auch ohne Covid-Impfung am Australian Open starten zu dürfen – dank einer medizinisch begründeten Sonderbewilligung. Der Shitstorm folgte postwendend. Der australische Premierminister Scott Morrison stellte den Entscheid der eigenen Gesundheitsbehörde infrage. Und die Geschichte fand am Mittwochabend kurz vor Mitternacht in Melbourne ihre Fortsetzung.
Um 23.30 Uhr Ortszeit mit dem Emirates-Linienflug gelandet, wurde Djokovic jäh gestoppt: Die australischen Behörden anerkannten sein Visum nicht, deshalb verweigerten sie ihm die Einreise. Der 34-Jährige musste zuerst stundenlang auf dem Flughafen ausharren für Befragungen. Danach durfte er in ein nicht gerade mondänes Quarantänehotel einziehen.
Den Behörden reichten die von Djokovic vorgelegten Unterlagen nicht, sie seien «völlig ungenügend», zitierte das australische Nachrichtenportal «The Age» eine anonyme Quelle. Angeblich stützte sich Djokovic bei seinem Einreiseversuch auf eine Covid-Ansteckung in den vergangenen sechs Monaten und auf das Gutachten eines Arztes – im Gegensatz zu zwei anderen Tennisspielern, die ebenfalls von Sondergenehmigungen zur Einreise ohne Impfung profitiert, aber mehrere Gutachten vorgelegt hätten.
«Regeln sind Regeln, vor allem, wenn es um Grenzen geht»
Weil Djokovic nicht in der Lage war, weitere Dokumente sofort nachzureichen, wollten ihn die australischen Behörden sofort des Landes verweisen. Dies verhinderten Djokovics Anwälte, als sie vor einem Melbourner Gericht Rechtsmittel gegen die verweigerte Einreise einlegten.
Wer nach Australien einreise, müsse sicherstellen, dass er dazu auch berechtigt sei, und dies nachweisen können, sagte Premierminister Morrison. Dafür brauche es den Nachweis einer doppelten Impfung oder eine gültige medizinische Ausnahmegenehmigung. «Wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird der Grenzschutz seinen Job machen – und sie haben ihren Job gemacht.» Daran ändere auch das Intervenieren der serbischen Botschaft in Australien nichts. «Regeln sind Regeln, vor allem, wenn es um unsere Grenzen geht», schrieb Morrison auf Twitter. «Niemand steht über diesen Regeln.»
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Der Tross des Sportlers reagierte schon kurz nach der verwehrten Einreise mit Unverständnis und Frust. Sein Sohn sei in einem bewachten Raum festgehalten worden, wurde Vater Srdjan Djokovic in serbischen Medien zitiert. Er habe «keine Ahnung, was hier vor sich geht». Sein Sohn sei der «Spartakus» einer neuen Welt – einer, die «Ungerechtigkeit, Kolonialismus und Heuchelei nicht toleriert».
Es ist nicht sicher, ob Djokovic in den nächsten vier Tagen sein Hotel verlassen und trainieren darf. Sicher ist aber, dass es am kommenden Montag ab 10 Uhr Ortszeit weitergeht vor dem Gericht in Melbourne. Danach müsste klar sein, ob der neunfache Australian-Open-Sieger Djokovic tatsächlich am Start ist, wenn am 17. Januar das Grand-Slam-Turnier beginnt.
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