Reaktionen zu DjokovicWenn der Ungeimpfte zum Freiheitskämpfer wird und der Premier zum Henker
Die geplante Einreise von Novak Djokovic in Australien bewegt die Sportwelt. Während sein Vater ihn als Märtyrer sieht, hat Rafael Nadal Verständnis für die Wut der Australier.
Das Park-Hotel in Melbournes Stadtviertel Carlton wirkt alles andere als glamourös. Und doch wird es in diesen Stunden zur Bühne eines globalen Schauspiels: Weil Novak Djokovic, der ungeimpfte Tennisspieler, dem die Einreise nach Australien in einem ersten Entscheid wegen eines falsch ausgestellten Visums verweigert wurde, dort festsitzt. Dem Serben schlägt aus Australien und der ganzen Welt gerade viel Hass und Unverständnis entgegen.
Sein Vater aber erkennt in seinem Sohn einen Märtyrer. Und wählt dafür die ganz grossen Worte. Nachdem bekannt wurde, dass die Weltnummer 1 womöglich nicht am Australian Open antreten darf, sagte Srdjan Djokovic, sein Sohn sei «der Anführer und das Symbol der freien Welt», ein «Spartacus», der «Ungerechtigkeit, Kolonialismus und Heuchelei nicht toleriert».
Weiter gab Vater Djokovic der serbischen Zeitung «Telegraf» zu Protokoll: «Heute können sie ihn einsperren, morgen können sie ihn anketten, aber die Wahrheit ist wie Wasser und wird immer einen Weg finden.» Sein Sohn kämpfe für die Gleichheit aller, unabhängig davon, welche Hautfarbe sie hätten, welchen Gott sie anbeteten oder wie viel Geld sie besässen.
Im Hotel warten Flüchtlinge schon seit Jahren
Das Park-Hotel in Melbourne stand allerdings schon vor Djokovic im Zentrum heftiger Kontroversen. Insgesamt 46 weitere Menschen sind dort untergebracht, Flüchtlinge, unter anderem aus dem Irak, die auf ihren Asylentscheid warten. Sie dürfen das Hotel teilweise seit Jahren nicht verlassen. Im Oktober brach im Hotel Corona aus, Insassen berichteten von unmenschlichen Zuständen.
Und so finden sich derzeit zwei Gruppen von Demonstranten an der Swanston Street ein, wie die australische Zeitung «The Age» berichtet. Da sind zum einen die, die für die Asylsuchenden demonstrieren. «Lasst sie alle frei», rufen sie. Und da ist etwa ein Dutzend Djokovic-Fans, in serbische Fahnen gehüllt und Volksmusik hörend. Die Polizei hat ihre Präsenz verstärkt, als die zwei Gruppen aneinandergerieten, so schreibt es «The Age».
Djokovic wähnte sich auf seiner Mission, seinen 21. Grand-Slam-Titel zu gewinnen, schon ganz weit, bis er an der Grenze gestoppt wurde. Dagegen gehen er und seine Anwälte jetzt gerichtlich vor. Zuerst hiess es, die Anhörung würde am Donnerstag beginnen, das Gericht vertagte sie aber auf Montag 10.00 Uhr (Ortszeit). Djokovic wird also über das Wochenende in Australien bleiben, das Turnier beginnt am 17. Januar.
Das offizielle Serbien hat sich über die Behandlung Djokovics empört gezeigt. «Ganz Serbien steht hinter ihm», schrieb der serbische Präsident Aleksandar Vucic in der Nacht zum Donnerstag nach einem Telefonat mit Djokovic auf Instagram. «Unsere Behörden werden alle Massnahmen ergreifen, um die Schikanierung des besten Tennisspielers der Welt binnen kürzester Zeit zu beenden.»
Auch die Medien der serbischen Hauptstadt Belgrad machten Stimmung gegen die Entscheidung der australischen Behörden. «Eine Schande. So etwas gab es nie in der Sportgeschichte», schrieb etwa «Blic». Ähnlich präsentierte sich die Zeitung «Informer» mit ihrer Titelseite: «Skandal und Schande: Novak in Melbourne festgenommen». Und der «Kurir»: «Auf Djokovic wartete ein Szenario der Misshandlung. Australien, schäm dich. Der grösste Skandal aller Zeiten. Der Henker hat sich geäussert.» Mit dem Henker ist der australische Premierminister Scott Morrison gemeint.
Nadal hat Verständnis für die Wut der Australier
Problemlos in Melbourne angekommen ist Rafael Nadal. Der Spanier wird am Australian Open sein Comeback geben, nachdem er zuletzt verletzt war und positiv auf Corona getestet wurde. In seiner ersten Pressekonferenz äusserte er Verständnis für die Wut der Australier über die geplante Einreise Djokovics: «Es ist normal, dass die Menschen hier in Australien sehr frustriert über den Fall sind, weil sie eine Menge harter Sperren durchmachen mussten.»
Die Welt habe genug darunter gelitten, dass Regeln nicht eingehalten würden, fuhr Nadal fort. Er selbst vertraue der Wissenschaft, so der 35-Jährige, der mit Djokovic und Roger Federer den Rekord für die meisten Titel an Grand-Slam-Turnieren teilt. «Nachdem in den letzten zwei Jahren viele Menschen gestorben sind, bin ich der Meinung, dass der Impfstoff die einzige Möglichkeit ist, diese Pandemie zu stoppen.»
Direkt auf Djokovic angesprochen, antwortete Nadal, dass ihm die Situation, in der sich Djokovic befinde, natürlich nicht gefalle. «In gewisser Weise tut er mir leid. Aber gleichzeitig kannte er die Bedingungen schon seit vielen Monaten, also hat er seine eigenen Entscheidungen getroffen.»
Eine klare Meinung hat Jamie Murray, der Bruder von Andy Murray. Nachdem Djokovic auf Instagram seine Ankunft in Australien verkündet hatte, sagte der Schotte: «Falls ich nicht geimpft wäre, würde ich eine solche Genehmigung nicht erhalten.» Und der Argentinier Diego Schwartzman fand: «Ich möchte nicht sagen, was ich denke.» Und sagte damit wohl mehr, als ihm lieb war.
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mro/phm/dpa
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