Kommentar zur AufstockungsinitiativeDie Zürcher Bürgerlichen lernen von den Linken
Lange überliessen FDP und SVP die Stadtzürcher Wohnpolitik der Konkurrenz. Jetzt lancieren sie eine eigene Initiative. Das könnte ihnen politisch helfen.

In der Wohnfrage politisierten die Stadtzürcher FDP und SVP bisher konsequent gegen die Mehrheit der Bevölkerung.
Während der letzten Jahrzehnte wendeten die Bürgerlichen viel Energie dafür auf, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu bekämpfen. Ohne Erfolg. In städtischen Volksabstimmungen scheiterten sie jeweils an Mehrheiten von rund 75 Prozent.
Die meisten Zürcher Mieterinnen und Mieter finden den Bau von günstigen Wohnungen wichtiger als die möglichst freie Entfaltung des Immobilienmarkts. Das liegt auch daran, dass manche gewinnorientierte Eigentümer in der Stadt Mieten verlangen, die das Budget von sehr vielen Menschen übersteigen.
Nun haben FDP und SVP zusammen mit der GLP und der Mitte eine Initiative lanciert. Mit flächendeckenden Aufstockungen wollen sie mehr Wohnungen ermöglichen. Dank dieser Vorlage könnten sie ihren Rückstand bei jenem Thema, das die Stadtzürcherinnen am meisten stresst, etwas aufholen. Dabei hilft, dass das Initiativkomitee einen Kritikpunkt der Linken aufgenommen hat: Aufstocken sollen Eigentümerinnen nur dürfen, wenn sie ihr Haus stehen lassen. Ohne diesen Anreiz, nicht abzureissen, hätte es die Initiative wohl schwer gehabt an der Urne. Zu gross – und zu gut begründet – ist die Angst vieler Zürcher, wegen eines Abbruchs ihres Hauses wegziehen zu müssen.
Auch beim Vokabular hat sich das Mitte-rechts-Komitee von der Gegenseite inspirieren lassen. Die Adjektive «quartierverträglich» und «nachhaltig» aus dem Initiativentitel finden sich sonst eher in links-grün geprägten Forderungen.
Eigentümer würden profitieren
Trotz dieser Verpackung bleibt das Vorhaben liberal geprägt: Vorschriften werden gelockert. Grundeigentümer profitieren, weil sie höher bauen dürfen. Diese Wertsteigerung erhalten sie ohne Gegenleistung. Auf sozialpolitische Forderungen wie eine Mietobergrenze verzichtet das Initiativkomitee.
Vorerst bleibt vieles unklar bei der Initiative: Wie viele neue Wohnungen könnten dank ihr entstehen und in welchem Zeitraum? Warum soll ihre Umsetzung schneller gehen als die Umsetzung des längst beschlossenen Siedlungsrichtplans, der ebenfalls breite Verdichtungen vorsieht? Würden viele Eigentümer die neu gewährte Erhöhung nicht dafür nutzen, um ihr Haus totalzusanieren und danach viel teurer zu vermieten?
Antworten auf diese Fragen hat das Initiativkomitee bislang nicht. Trotzdem wird die Initiative FDP und SVP dabei helfen, sich aus ihrem wohnpolitischen Abseits zu befreien.
Die Stadtzürcher Bevölkerung wiederum bekommt zusätzliche Wahlmöglichkeiten: Will sie mehr günstige Wohnungen, mehr Wohnungen, egal zu welchem Preis, oder beides zusammen?
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