Kommentar zum Auftritt des BundesratesWo bleibt die klare Botschaft an die Bevölkerung?
Nach zwei schwierigen Jahren erlebt die Schweiz vielleicht den entscheidenden Moment, der aus der Pandemie herausführt. Der Routineauftritt des Bundesrates wurde dem nicht gerecht.
Zwischen den Zeilen liest man heraus, worauf der Bundesrat setzt: darauf, dass die Schweiz die heftige Omikron-Welle ohne Schliessungen und ohne Überlastung des Gesundheitswesens übersteht. Zehntausende Ansteckungen pro Tag, mitten im Winter, fast ohne Einschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens – und trotzdem halten die Spitäler dem Druck stand. Das wäre dann wohl das Ende der Pandemie in der Schweiz. Noch im Januar werden wir wissen, ob die Hoffnung sich erfüllt.
In diesem Moment hält der Bundesrat seine erste Pressekonferenz seit bald einem Monat ab – eine Ewigkeit in der Pandemie. Doch statt die Bevölkerung mit deutlichen Worten auf die anstehenden, entscheidenden zwei Wochen einzustimmen, folgt ein Auftritt, wie wir ihn schon Dutzende Male erlebt haben in den letzten zwei Jahren. So vergehen nur wenige Sekunden, bis auch der neue Bundespräsident Ignazio Cassis sich der abgedroschenen Phrase «Wir beobachten die Lage genau» bedient.
Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Schweiz durchkommt mit dem Laufenlassen von Omikron.
Dabei hätten viele jetzt eine direkte und ehrliche Einordnung der Situation nötig. Die Ansteckungen im persönlichen Umfeld, von denen wir alle gerade in einer nie da gewesenen Kadenz erfahren, verunsichern. Kann es wirklich sein, dass wir als Bevölkerung dank der Impfung und Hunderttausenden bereits durchgemachter Erkrankungen so gut vor dem Virus geschützt sind, dass trotzdem nicht zu viele ins Spital müssen?
Weder der Bundesrat noch seine wissenschaftlichen Berater wissen das mit Sicherheit. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Schweiz durchkommt mit dem Laufenlassen von Omikron. Eine erneute Eskalation der Lage ist jedoch noch nicht ausgeschlossen.
Die Gründe, warum sie auf die Hoffnung setzen, hätten Bundespräsident Ignazio Cassis und Gesundheitsminister Alain Berset in aller Deutlichkeit darlegen müssen. Und damit vielleicht wieder ein Gefühl erzeugen können, das unsere Gesellschaft seit der ersten Welle nicht mehr erlebt hat: dass wir jetzt zusammen aus dieser Pandemie herausfinden.
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