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Meinung

Wladimir Putin kann noch 16 Jahre an der Macht bleiben

Er könnte noch bis 2036 im Amt bleiben: Russlands Präsident Wladimir Putin. Fotos: Reuters
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Wochenlang hat Russland über seine neue Verfassung diskutiert, es wurde über die Rolle Gottes gestritten oder über die Beschaffenheit einer Ehe. Doch dann haben sich all die Debatten innert Sekunden in Luft aufgelöst: Walentina Tereschkowa, die 1963 als erste Frau ins All flog, schlug vor, die Zählung der Amtszeiten des russischen Präsidenten auf null zu setzen.

Will heissen: so zu tun, als wäre Wladimir Putin nicht seit 20 Jahren an der Macht. Das soll ihm erlauben, nicht abzutreten, wenn seine Amtszeit 2024 ausläuft, sondern mit frischer Kraft erneut zu kandidieren.

«Und dann schauen wir weiter»

Tereschkowa müsse den Präsidenten selber fragen, ob er das wolle, antwortete Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin, ein guter Freund Putins. Und in einer vermutlich bis ins Detail orchestrierten Aktion wurde der Staatschef umgehend ins Parlament geschafft. Nach vielen Windungen erklärte Putin dort schliesslich, er habe im Grundsatz nichts gegen eine solche Lösung einzuwenden. Das Parlament müsse sie aber noch dem Verfassungsgericht vorlegen, dieses müsse prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugehe. Die vom Parlament ebenfalls vorgeschlagenen Neuwahlen des Parlaments bezeichnete er hingegen als «unnötig», womit der Vorschlag vom Tisch war. «Wir können zusammen noch viel erreichen bis 2024», erklärte er den Abgeordneten zum Schluss gut gelaunt, um mit einem süffisanten Grinsen hinzuzufügen: «Und dann schauen wir weiter.»

Viel zu schauen wird es da wohl nicht geben: Weit und breit ist niemand in Sicht, der auch nur annähernd das politische Format des Präsidenten hat. Ohne Zweifel wird Putin 2024 wieder antreten, vorausgesetzt natürlich, dass der heute 67-Jährige dann noch fit genug ist. An die erste Amtszeit kann er auch noch eine zweite hängen. Und 2036 wäre dann vermutlich sogar ein Wladimir Putin allmählich amtsmüde.

Die Verfassungsreform wird sein Amt nur noch mächtiger machen: Putin vor dem Parlament.

Damit hat sich die Debatte um eine neue russische Verfassung als reine Tarnung für ein geradezu unverschämtes Powerplay erwiesen. Dabei hatte Putin in der Diskussion viele richtige und wichtige Dinge gesagt: Dass Russland einen regelmässigen Machtwechsel braucht, um gesund zu bleiben – aber eben erst, wenn das Land «stabil und reich» genug sei. Wichtig war auch der Vorschlag, die Machtbalance im Land neu auszutarieren und mehr Verantwortung vom Präsidenten zum Parlament und zur Regierung zu verschieben.

Davon ist nun gar nichts mehr übrig: Die Verfassungsreform wird sein Amt nur noch mächtiger machen – bis zum Diktatorischen, wie es unlängst der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski im Gespräch formulierte. Die Machterweiterung erfolgt vor allem über die Judikative: Der Präsident ernennt und kontrolliert vom Verfassungsgericht bis zu den Generalstaatsanwälten in den Föderationssubjekten alles.

Das Präsidentenamt sei für ihn nicht einfach ein Job, erklärte Putin, sondern ein «Schicksal».

Auch der ins Spiel gebrachte Staatsrat, der mehr Macht bekommen sollte, ist wieder das, was er war: ein zahnloses Beratergremium. «Es gibt Vorschläge, dem Staatsrat spezielle Vollmachten zu geben und mich zum Chef zu machen», sagte Putin letzte Woche. «Was würde das heissen? Das würde heissen, dass im Land eine Doppelherrschaft entsteht. Eine solche Situation wäre absolut fatal für Russland.» Das Land brauche weiterhin einen starken Präsidenten – eben offensichtlich ihn selber. Das Präsidentenamt sei für ihn nicht einfach ein Job, erklärte er, sondern ein «Schicksal».

Und das Schicksal seines Volkes. Denn viele in Russland wird Putin erst noch überzeugen müssen von seinem Plan. Die letzten Jahre ist immer wieder deutlich geworden, dass sich eine gewisse Putin-Müdigkeit breitmacht. Vor allem viele junge Leute haben die Nase vollvom alten korrupten System, sie fühlen sich von der ewig gleichen Garde nicht repräsentiert und hoffen auf einen Neuanfang, auf eine Modernisierung des Landes. Schon als Putin 2012 nach einer Amtszeit als Premierminister wieder ins Präsidentenamt zurückkehrte, kam das schlecht an. Die Menschen gingen zu Hunderttausenden auf die Strasse, was im Kreml Panikschübe auslöste.

Doch inzwischen hat man sich offenbar vom Schreck erholt und glaubt, die Stimmung im Volk im Griff zu haben. Die Umfragewerte für den Präsidenten sind durchmischt: Ein Viertel der Russen will, dass Putin Präsident bleibt. Ein anderes Viertel will, dass er geht. Doch ein Drittel der Menschen wünscht sich, dass Putin auch über 2024 hinaus eine wichtige politische Rolle spielt. Sie und jene, denen derzeit alles egal ist, muss der Kreml nun davon überzeugen, dass ihnen mit einem Präsidenten Wladimir Putin am besten gedient ist.