Kolumne «Witz des Tages»Wie Gott aussieht
Die ZSZ fragt in ihrer Kolumne Menschen nach ihrem Lieblingswitz. Heute erzählt: Sibylle Forrer, reformierte Pfarrerin von Kilchberg.
«Ein Kindergärtner beobachtet seinen Gruppenraum, in dem die Kinder gerade zeichnen. Gelegentlich geht er herum, um sich die Zeichnungen anzuschauen. Als er zu einem kleinen Mädchen kommt, das eifrig am Arbeiten ist, fragt er es, was es denn zeichne. Das Mädchen antwortete: «Ich zeichne Gott.» Der Kindergärtner sagt nach einer kurzen Pause: «Aber niemand weiss, wie Gott aussieht.» Ohne von ihrer Zeichnung aufzuschauen, erwidert das Mädchen: «In einer Minute schon.»
Das ist ein eher feinsinniger Witz, der dafür gedruckt gut funktioniert. Nicht jeder Witz muss ein Schenkelklopfer sein. Dieser Witz veranlasst zum Schmunzeln. Und zum Nachdenken. Deswegen spricht er mich auf vielen Ebenen an. Mir gefällt das selbstbewusste Mädchen, das sich nicht davon abhalten lässt, ein Bild von Gott zu zeichnen. Selbstverständlich soll niemand für die Allgemeinheit bestimmen dürfen, wie Gott aussieht, und theologisch gesprochen bleibt Gott unverfügbar. Aber wieso soll nicht jeder für sich selber ein Bild machen dürfen?
Humor ist eine starke Kraft. Er kann heilsam sein. Humor ist dabei dem Glauben ähnlich: Beide eröffnen zusätzliche Perspektiven auf das Leben. Beiden liegt ein «Trotzdem» zugrunde: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Glaube ist, wenn man trotzdem hofft. Auch über Religionen soll man lachen dürfen. Humor schützt vor Fanatismus. Allerdings tritt ein guter Witz immer nach oben und nie nach unten. Dies ist mir allgemein wichtig: Ein Witz sollte nie gegen jemanden gerichtet sein, der am Boden liegt.»
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