Prozess um Huawei-ManagerinWird sie ausgeliefert, droht China, einen Kanadier zu töten
Ein Gericht in Vancouver befindet ab heute über die Auslieferung der Finanzchefin des Konzerns in die USA. Ihr Schicksal steht auf dem Spiel – und das Leben anderer.
Das politische und juristische Kräftemessen zwischen den USA, Kanada und China um Huawei spitzt sich zu. Die Finanzchefin des chinesischen Telecomkonzerns steht diese Woche im kanadischen Vancouver vor Gericht, das über ihre Auslieferung an die USA entscheidet.
Heute Mittwoch tritt Meng Wanzhou vor Gericht. Ein Urteil könnte im besten Fall schon Ende Woche fallen. Dabei steht nicht nur ihr Schicksal auf dem Spiel. Drei kanadische Staatsbürger in chinesischer Haft werden als Verhandlungspfand gehalten. Für einen geht es um sein Todesurteil wegen angeblichen Drogenschmuggels.
Juristisch dünnes Eis
Wenn die kanadische Bundesrichterin Heather Holmes den Streit lösen und ein jahrelanges juristisches Hickhack verhindern will, so kann sie noch diese Woche Meng Wanzhou freilassen. Dafür spricht, dass sich gemäss Medienberichten kürzlich amerikanische und chinesische Unterhändler trafen und eine diplomatische Lösung besprochen haben.
Denn juristisch stünden die USA auf dünnem Eis, sagte Richterin Holmes, nachdem die Staatsanwaltschaft vor Gericht die Klage begründet hatte. Der Betrugsvorwurf an die Huawei-Managerin sei äusserst ungewöhnlich, sagte Holmes. «Es ist merkwürdig, dass (die Anklage) einen Betrug geltend machen will, der mehrere Jahre zurückliegt, der keine Verluste verursacht hat und dessen Faktenlage vielen Huawei-Angestellten bekannt war.»
Die USA hatten 2018 mit einer superprovisorischen Verfügung die Verhaftung der Huawei-Managerin am Flughafen Vancouver und ihre sofortige Auslieferung verlangt. Begründet wurde die Forderung damit, dass Meng gegenüber der HSBC-Bank die Beziehung von Huawei zu Skycom, einer iranischen Tochterfirma, falsch dargestellt und die Bank deswegen die Sanktionen gegen das iranische Regime verletzt habe.
«Wenn das die gängige Praxis wäre, so müsste die Hälfte der führenden amerikanischen Politiker inhaftiert werden.»
Diese Konstruktion eines Betrugsfalls war aus Sicht der führenden kanadischen Zeitung «Toronto Star» nur möglich, weil die damalige US-Regierung unter Donald Trump Druck auf die kanadische Justiz machte. «Unsere Justiz wusste, dass die Festnahme einer Finanzchefin eines Grosskonzerns nur wegen einer angeblichen fehlerhaften Präsentation sehr ungewöhnlich ist», schreibt die Zeitung. «Wenn das die gängige Praxis wäre, so müsste die Hälfte der führenden amerikanischen Politiker inhaftiert werden.»
Die Verhaftung steht im Zusammenhang mit der G5-Technologie. Huawei war 2018 Marktführer bei der Entwicklung des neusten Telecomstandards und drauf und dran, auch westliche Märkte zu erobern. Das Unternehmen lockte mit tiefen, von der Regierung subventionierten Preisen, mit denen die Konkurrenten Ericsson und Nokia nicht mithalten konnten. Huawei ging auch in Mexiko und Kanada in die Offensive, während die US-Regierung den chinesischen Konzern verbannte und andere Staaten aufforderte, das Gleiche zu tun.
Vermutet wird zudem, dass der damalige Präsident Trump mit der Verhaftung versuchte, China im Handelsstreit in die Knie zu zwingen. Erreicht hat Trump allerdings das Gegenteil. China machte keine Konzessionen, und die Beziehungen beider Länder kühlten sich stark ab.
Schlimmer noch: China konterte die Verhaftung Mengs mit der Inhaftierung dreier kanadischer Staatsbürger und erhöhte den Druck exakt vor dem Gerichtstermin von Meng. Zunächst wies ein Gericht das Gesuch von Robert Lloyd Schellenberg ab, seine Todesstrafe rückgängig zu machen. Schellenberg war wegen Drogenschmuggels zunächst zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt worden, doch wurde das Urteil nach der Verhaftung von Meng in ein Todesurteil umgewandelt und nun bestätigt.
Vor wenigen Tagen verurteilte ein weiteres Gericht den kanadischen Geschäftsmann Michel Spavor wegen angeblicher Spionage zu einer Haftstrafe von elf Jahren. Spavor war ebenfalls kurz nach der Verhaftung von Meng aus zunächst unklaren Gründen festgenommen worden. Angeblich soll er Fotos von Sperrgebieten gemacht haben, darunter eines Militärflugzeugs.
«Wenn Frau Meng freikommt, dann wird es sehr rasch eine Lösung für die kanadischen Gefangenen geben.»
Das Schicksal Mengs und der Kanadier sei nicht zu trennen, erklärt John Kamm, US-Geschäftsmann und Gründer der Dui-Hua-Stiftung, die für die Freilassung politischer Gefangener in China kämpft. «Wenn Frau Meng freikommt, dann wird es sehr rasch eine Lösung für die kanadischen Gefangenen geben.»
Meng befindet sich gegen eine Kaution von 10 Millionen kanadischen Dollar in Vancouver auf freiem Fuss und lebt in einem vornehmen Viertel der Stadt. Auf eine Lösung hin arbeitet auch Präsident Joe Biden, doch eine solche wird nur zu haben sein, wenn die USA die Klage fallen lassen oder das Urteil der kanadischen Justiz überlassen.
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