Stadtrat in WinterthurDie Grüne Martina Blum ist gewählt
Winterthur hat eine neue Stadträtin: Die Kandidatin der Grünen macht das Rennen vor FDP-Kandidatin Romana Heuberger.
Martina Blum kann den Sitz der Grünen im Winterthurer Stadtrat halten. Sie gewinnt die Wahl vom Sonntag mit 16'628 Stimmen. Ihre Konkurrentin Romana Heuberger (FDP) holte 13'349 Stimmen und lag damit etwas mehr als 3000 Stimmen zurück. 55 Prozent der Stimmen gingen also an Blum, die Stimmbeteiligung lag bei 43 Prozent.
Blum holte in den Stadtteilen Oberwinterthur, Altstadt, Töss, Veltheim und Mattenbach mehr Stimmen. FDP-Kandidatin Romana Heuberger punktete dagegen in Seen und Wülflingen.
«Mir geht es sehr gut. Ich freue mich, dass wir den grünen Sitz halten können», sagte Blum kurz nach Bekanntwerden der Resultate im Winterthurer Wahlzentrum. Auf die Frage, was denn das deutliche Resultat beeinflusst habe, sagte sie: «Wir haben einen engagierten Wahlkampf geführt, ich hatte viel Unterstützung.» Sie freue sich auf die Zusammenarbeit im Stadtrat, in dem sie eine soziale und grüne Politik vorantreiben wolle.
Blum folgt auf den bisherigen Schulstadtrat Jürg Altwegg. Zur Departementsverteilung will Blum noch nicht viel sagen. Nur so viel: «Es ist noch offen, wer welches Departement bekommen wird. Ich bin für alle offen. Aber falls es die Schule wird, werde ich dort sicher schauen, dass der Prozess der Neuorganisation der Schulpflege weiter vorangetrieben wird und alle wissen, woran sie sind.»
«Es gibt nun einmal eine links-grüne Mehrheit»
Die unterlegene Romana Heuberger zeigte sich nach der Niederlage enttäuscht, aber gefasst. «Wir haben gemacht was wir konnten, aber es gibt nun einmal eine links-grüne Mehrheit in der Stadt. Das müssen wir akzeptieren und schauen, wie wir bürgerliche Positionen in den Stadtrat bringen.» Das Resultat widerspiegle die aktuelle politische Wählerstärke: 40 Prozent Mitte-Rechts, 60 Prozent Mitte-Links. Insofern sei entscheidend, so Heuberger, dass das bürgerliche Lager auch künftig geschlossen auftrete. Von den Partnerparteien SVP und Mitte habe sie sich im Wahlkampf getragen gefühlt.
Auch zwei Niederlagen im Stadtratswahlkampf hätten ihre Lust am Politisieren nicht genommen. Sie werde sich weiterhin «voller Elan» im Stadtparlament engagieren, unter anderem als Präsidentin der wichtigen Sachkommission Stadtbau.
Die grüne Aufsteigerin Blum
Martina Blum ist eine Aufsteigerin bei den Grünen. Erst vor zwei Jahren trat die Physikingenieurin der Partei bei; vor einem Jahr wurde sie ins Parlament gewählt. Die 50-Jährige wurde im Wahlkampf von SP, EVP sowie GLP unterstützt. Bei der parteiinternen Ausmarchung um die Nomination stach sie die erfahrene Politikerin Renate Dürr aus. Die Grünliberale Partei hatte zuvor deutlich gemacht, dass eine Kandidatur Dürrs die «für die GLP erträgliche rote Linie» überschreite. Blum galt deshalb als die weniger linke Kandidatin.
Seit ihrem Eintritt ins Stadtparlament hat Blum bereits fünf Vorstösse zu Energie und Klimaschutz eingereicht. Sie verkauft sich als Brückenbauerin, die «an der Schnittstelle von Umwelt und Wirtschaft» gearbeitet hat. Bis vor kurzem war Blum stellvertretende Energiebeauftragte bei der Stadt Zürich. Seit einem Jahr ist sie Verantwortliche für den Aufbau des Kompetenzbereichs Nachhaltigkeit bei einem Technologieunternehmen in Schlieren.
Blum, die seit dem Jahr 2000 in Winterthur lebt, wurde im bayrischen Augsburg geboren. Aufgewachsen ist sie in einem sozialdemokratisch geprägten Haushalt. Schon in jungen Jahren wurde sie Vegetarierin und interessierte sich für die Grenzwerte beim Strahlenschutz. An der Universität spezialisierte sie sich auf technischen Umweltschutz, zudem machte sie einen Master in ökologischer Ökonomie.
Heuberger scheitert im zweiten Anlauf
Für die FDP-Kandidatin Romana Heubergers war dies der zweite Anlauf, Stadträtin zu werden. Bei den Wahlen 2022 holte sie die nötige Stimmenzahl, schied aber als Überzählige aus. Heuberger ist seit fünf Jahren im Stadtparlament und gilt damit schon als Routinierin. Das zeigt sich auch daran, dass sie seit einem Jahr die Stadtbau-Kommission präsidiert. Heuberger schaut der Winterthurer Regierung so kritisch auf die Finger wie kaum ein anderes Parlamentsmitglied.
Ihr grosser politischer Erfahrungsschatz war ein wichtiger Trumpf im Duell mit ihrer Konkurrentin Blum. Denn der Winterthurer Bevölkerung wurde Heuberger schon vor ihrer Parlamentsarbeit bekannt. Als die Stadt im Jahr 2015 die Vogelvoliere im Lindengutpark aus Spargründen schliessen wollte, gründete Heuberger einen Verein zur Rettung. Die Voliere blieb. Und weil der Handballverein Pfadi Winterthur im Jahr 2019 fast bankrott ging, gründete Heuberger den Unterstützerverein Pfadi4ever mit und sammelte innert elf Wochen über 400’000 Franken.
Hinzu kommt: Romana Heuberger trägt einen von Winterthurs klingendsten Nachnamen: Ihr Ex-Mann ist Günter Heuberger mit seiner Immobilienfirma Siska und dem Lokalmedienimperium von Radio und Tele Top. Dieser Lebensabschnitt liegt allerdings lange zurück.
Heuberger macht Politik für die FDP, seit sie abstimmen darf. In St. Gallen hätte sie es mit 19 Jahren beinahe ins Stadtparlament geschafft. Heute führt die 52-Jährige eine eigene PR-Agentur.
Grünen hatten eher Anspruch auf den Sitz
Der Winterthurer Stadtrat Jürg Altwegg gab im Februar überraschend seinen Rücktritt bekannt. Als Grund gab der Grüne sein Energielevel an: «Ich bin an gewisse Grenzen gekommen.» Der Schulstadtrat tritt per Ende Schuljahr während der Sommeferien zurück.
Für die FDP wäre diese Wahl die Chance gewesen, den Stadtrat wieder etwas bürgerlicher zu gestalten. Seit den Ersatzwahlen im Jahr 2020 dominiert Links-Grün das siebenköpfige Gremium (3 SP, 1 Grüne, 1 GLP, 1 FDP, 1 Die Mitte). Damals eroberte die Grünliberale Katrin Cometta einen Sitz der FDP.
Gemessen an den Fraktionsstärken im Stadtparlament haben die Grünen Anspruch auf den frei werdenden Sitz. Das gleiche gilt die SVP, die seit 2018 nicht mehr in der Regierung vertreten ist. Sie trat bei diesen Wahlen allerdings nicht an, sondern empfahl die FDP-Kandidatin Heuberger zur Wahl. Die FDP bleibt weiterhin mit Stefan Fritschi im Stadtrat vertreten. Rein rechnerisch steht ihr kein zweiter Sitz zu.
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