Neue Chefredaktorin des «Wall Street Journal»Wird auch sie sich gegen Trump stellen?
Die britische Journalistin Emma Tucker wird als erste Frau die renommierte US-amerikanische Wirtschaftszeitung führen. Beobachter werten das als Anzeichen dafür, dass der Verleger Rupert Murdoch sich weiter von Donald Trump distanzieren will.
Sie ist 56 Jahre alt, zieht bald von London nach New York und wird in zwei Monaten das «Wall Street Journal» (WSJ) übernehmen. Amerikas einflussreiche konservative Wirtschaftszeitung hat während langer Jahre Donald Trump als Präsidentschaftskandidat und auch als Präsident fast vorbehaltlos unterstützt. So wollte es auch ihr Verleger Rupert Murdoch, der australische Medienmogul mit reaktionärer Gesinnung und ohne journalistische Prinzipien, wie Skandale bei englischen Zeitungen wie «The Sun» oder «News of the World» belegten. Auch sein amerikanischer Sender Fox TV operiert teilweise weit jenseits der korrekten Berichterstattung.
Emma Tucker gilt als langjährige Vertraute von Murdoch, aber das versteht sich bei ihm von selber, sonst wäre sie in seinem Imperium niemals so hoch aufgestiegen. Dass er eine Auswärtige zum Boss einer seiner Zeitungen macht, ist eine häufige Strategie bei ihm.
Politisch liberaler als viele andere
Tuckers Ernennung lässt sich als weiterer Beleg dafür lesen, dass der 91 Jahre alte Rupert Murdoch den möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump hat fallen lassen. Denn Emma Tucker, schreibt der «Guardian», gelte politisch als liberaler als viele Leute beim «Wall Street Journal».
Das passt zu Murdochs eigener jüngerer Entwicklung. Sie zeigte sich der Öffentlichkeit darin, dass seine führenden Zeitungen und selbst Fox News nach den Midterm-Wahlen von Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur abgerückt sind. Weder das WSJ noch die Boulevardzeitung «New York Post» mochten noch zu ihm stehen, nachdem mehrere seiner Kandidatinnen und Kandidaten bei den Parlamentswahlen gescheitert waren.
Emma Tucker wird die erste Frau an der Spitze der 133 Jahre alten amerikanischen Wirtschaftszeitung sein. Bei der Londoner «Times» und später bei der «Sunday Times» hat sie sich stark und erfolgreich für die Onlineausgabe der Zeitung engagiert. Das «Wall Street Journal», das seine Onlineauflage auf 3,15 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten erhöht hat, verfolgt eine ähnliche Strategie.
Weite journalistische Erfahrung
Dass Emma Tucker nicht nur an den Vertrieb denkt, hat sie mit ihrem journalistischen Werdegang vorgemacht. Nachdem die gebürtige Londonerin in Oxford das klassische Politikerstudium Philosophie, Politologie und Wirtschaft absolviert hatte, begann sie ihre journalistische Karriere bei der «Financial Times», dem Londoner Äquivalent des «Wall Street Journal».
In ihren 17 Jahren bei der britischen Finanzzeitung arbeitete sie als Parlamentsberichterstatterin aus dem House of Commons, arbeitete im Wirtschaftsressort der Zeitung und berichtete als deutsche Korrespondentin 5 Jahre lang aus Berlin. Später gab sie das Wochenendmagazin der Zeitung heraus, bevor sie zur Chefredaktorin der «Times» und schliesslich der «Sunday Times» ernannt wurde. Als investigative Journalistin hat sie unter vielem anderen über Finanzskandale rund um das britische Königshaus recherchiert.
Emma Tucker hat drei Kinder aus erster Ehe, ihr zweiter Mann brachte ebenfalls drei Kinder mit. Sie dürften nicht viel von Frau und Mutter zu sehen bekommen, wenn Tucker in New York mit der neuen Arbeit beginnt. Denn ob Donald Trump zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten ernannt wird oder wild kandidiert und damit seine Partei in die Niederlage führt – für die neue Chefredaktorin wird es einiges zu schreiben geben.
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